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14: Der Schleier der Beatrice
A. berlangen können. nicht. Während im Standerat die Interpra
dieses Artikels durch den Nationalratspräsi
den Kanionen die Zusicherung ihrer Autonomie Die Mehrheit des Rates ließ sich dabei be¬
nicht unbeanstandet blieb, nahm sie der Na
haften, daß sie in keiner Weise am Art. 27
im Primarschulwesen erneuert. Liegt auch im
rat ohne Diskussion entgegen. Da die
rütteln wolle. Wenn daher heute von ihr ver¬
Antrag Scherrer die Forderung eines solchen
legenheit in der Schlußsitzung zur Spra
langt wird, daß in einem neuen Verfassungs¬
Artikels 27 bis? Der Antragsteller selbst hat,
langte, wird man aunehmen dürfen,
artikel diese Garantie wiederholt werde, muß sie
wenn wir ihn recht verstanden haben, ein
habe aus Rücksicht auf die Zeit von
ein solches Verlangen als ein in keiner Weise
solches Verlangen nicht gestellt; auf alle Fälle
hoch über unsere gesamte, von ängstlicher Klei
kommt ihn auch plötzlich die Einsicht, daß Beatrice
gezeichnete dramatische Produktion stellt, — die
ohne Schlechtigkeit sei und daß sie bloß in kindlich
Feuilleton.
Skala der Empfindungen von den leise stamm
naiver Weise gehandelt und so viel Unheil gestiftet habe.
Lauten einer Beatrice bis hinauf zu den höchsten
„Der starb um dich? Und den verrietest du?
der tragischen Leidenschaftlichkeit, des geheimen
Und mich um ihn? Und wied'rum ihn um mich?
Der Schleier der Beatrice
Was bist du für ein Wesen, Beatrice?!“
und der demütigen Ergebung in die wunderl
Alle diese äußern Erlebnisse befriedigen Nur Beatrices
zweigten Wege des Schicksals — das muß ma
Er will ihr alles verzeihen. Aber da stößt der vor¬
kindliche Eitelkeit und lassen sie im Grunde ihres
selbst im Drama durchleben.
eilige Bruder ihr den Dolch in die Brust. An der
Herzens kalt. Kaum wird sie Herzogin, da erwacht in
Es ist geradezu merkwürdig, wie hier in
Leiche des Dichters ruht nun auch die Leiche seiner
ihr eine mächtige Sehnsucht nach dem Geliebten, die
Stück, das in nicht länger als zwölf Stunden
Geliebten ... Da kommen Boten und melden, daß
sie alles wieder vergessen läßt. Von einem kostbaren
spielt, eine ganze Ewigkeit eingeschlossen ist. Merk
das feindliche Heer schon sichtbar sei. Die Zeit drängt.
Schleier, den sie vom Herzog als Brautgeschenk erhalten,
wie es dem Dichter vermöge einer ungewö
Der Herzog erteilt noch seine letzten Anweisungen: er
verhüllt, stiehlt sie sich im Gewühl des bacchanalischen
Beherrschung der dramatischen Technik gelungen
befiehlt, den Leichnam des geliebten Dichters im herzog¬
Festes fort und eilt in die Arme Filippos, um mit
die seltsamen, in ihrer Fülle geradezu erdr#
lichen Grab zu bestatten.
ihm zu sterben. Doch da sie sich schon dem Tode nahe
Geschicke seiner Heldin im Rahmen eines au
Und diese hier wie ihn! Die Spanne Zeit,
wähnt und schon das Rauschen der Unendlichkeit über
mehr als sünf Aufzügen bestehenden Dramas in
Die sie ums Licht des Lebens noch geflattert,
sich zu fühlen glaubt, da graut es ihr plötzlich vor
Mannigfaltigkeit ungezwungen sich entwickeln zu
Bedeutet jetzt nichts mehr — sie starbit ihm.
dem Dunkel. In ihrem gemarterten Busen lodert ein
Zwölf Stunden — und was erlebt die Beatrich
Er liebte sie, er starb, weil er sie liebte:
gewaltiger Lebensdrang auf, daß sie Filippo allein
alles in dieser kurzen Spanne Zeit! Sie ist
So ist sie hochgeehrt vor allen Frau!“
sterben läßt und selbst voller Verzweiflung zurück an
liebte des Dichters, wird von ihm verstoßen,
Und nun geht er in den Kampf. Glocken ertönen
den Hof rennt. Hier ist sie aber bereits vermißt worden.
Braut eines andern, läßt sich indes mit dem
von allen Türmen.
Der Herzog schöpft Argwohn. Sie lügt, sie sei in der
trauen, während jener sich entleibt, wird diesem
„Das Zeichen tönt, und mächt'ge Neubegier
Kirche gewesen, um in einer so wichtigen Stunde für
Wie nie zuvor beflügelt meinen Schritt.
und rennt zurück in die Arme des Geliebten,
das Wohl der Stadt zu beten. Doch der Schleier, den
Ich freue mich des guten Kampfs, der kommt,
ihm zu sterben, läßt ihn aber allein in den To#
sie bei Filippo vergessen, verrät sie. Da sie trotz der
Die frischen Morgenlüfte atm' ich durstig
und flieht selbst wieder zurück ins Leben, un
eindringlichen Bitten des Herzogs nicht gestehen will,
Und preise dieses Leuchten aus den Höhn,
davon Abschied zu nehmen. So irrt sie hin un
Als wär' es mir allein so reich geschenkt.
wo sie die Nacht zugebracht, so soll sie auf der Stelle
zwischen Leben und Tod, mit beiden gleich
Das Leben ist die Fülle, nicht die Zeit,
wegen Treubruchs gerichtet werden. Aber eine namenlose
spielend und durch dieses Spiel sich und ande
Und noch der nächste Augenblick ist weit!“
Angst für ihr Leben packt sie wieder mit solcher Gewalt,
Verderben stürzend. Und all dies thut sie g#
daß sie sich endlich entschließt, den Herzog an den Ort
schuldig im Herzen, indem sie beinahe rein me
Ich habe hier in gedrängter Form nur die dürre
zu führen, wo sie den Schleier gelassen. Und hier erst,
handelt und sich fügt. Eine jener naiven Se
Fabel in ihren Hauptzügen wiederzugeben versucht.
in der Dämmerung des neu aufbrechenden Tages,
sie, die mit ihren unschuldigen, großen Aug
Aber den grandiosen, ich möchte fast sagen: Shake¬
erfährt der Herzog, wem Beatrice gehörte — dem
Dichter, den er über alle hochstellte! Und da über= speareschen Zug, der über der Dichtung liegt und sie Welt, in die sie hineingesetzt wurden, verwund
14: Der Schleier der Beatrice
A. berlangen können. nicht. Während im Standerat die Interpra
dieses Artikels durch den Nationalratspräsi
den Kanionen die Zusicherung ihrer Autonomie Die Mehrheit des Rates ließ sich dabei be¬
nicht unbeanstandet blieb, nahm sie der Na
haften, daß sie in keiner Weise am Art. 27
im Primarschulwesen erneuert. Liegt auch im
rat ohne Diskussion entgegen. Da die
rütteln wolle. Wenn daher heute von ihr ver¬
Antrag Scherrer die Forderung eines solchen
legenheit in der Schlußsitzung zur Spra
langt wird, daß in einem neuen Verfassungs¬
Artikels 27 bis? Der Antragsteller selbst hat,
langte, wird man aunehmen dürfen,
artikel diese Garantie wiederholt werde, muß sie
wenn wir ihn recht verstanden haben, ein
habe aus Rücksicht auf die Zeit von
ein solches Verlangen als ein in keiner Weise
solches Verlangen nicht gestellt; auf alle Fälle
hoch über unsere gesamte, von ängstlicher Klei
kommt ihn auch plötzlich die Einsicht, daß Beatrice
gezeichnete dramatische Produktion stellt, — die
ohne Schlechtigkeit sei und daß sie bloß in kindlich
Feuilleton.
Skala der Empfindungen von den leise stamm
naiver Weise gehandelt und so viel Unheil gestiftet habe.
Lauten einer Beatrice bis hinauf zu den höchsten
„Der starb um dich? Und den verrietest du?
der tragischen Leidenschaftlichkeit, des geheimen
Und mich um ihn? Und wied'rum ihn um mich?
Der Schleier der Beatrice
Was bist du für ein Wesen, Beatrice?!“
und der demütigen Ergebung in die wunderl
Alle diese äußern Erlebnisse befriedigen Nur Beatrices
zweigten Wege des Schicksals — das muß ma
Er will ihr alles verzeihen. Aber da stößt der vor¬
kindliche Eitelkeit und lassen sie im Grunde ihres
selbst im Drama durchleben.
eilige Bruder ihr den Dolch in die Brust. An der
Herzens kalt. Kaum wird sie Herzogin, da erwacht in
Es ist geradezu merkwürdig, wie hier in
Leiche des Dichters ruht nun auch die Leiche seiner
ihr eine mächtige Sehnsucht nach dem Geliebten, die
Stück, das in nicht länger als zwölf Stunden
Geliebten ... Da kommen Boten und melden, daß
sie alles wieder vergessen läßt. Von einem kostbaren
spielt, eine ganze Ewigkeit eingeschlossen ist. Merk
das feindliche Heer schon sichtbar sei. Die Zeit drängt.
Schleier, den sie vom Herzog als Brautgeschenk erhalten,
wie es dem Dichter vermöge einer ungewö
Der Herzog erteilt noch seine letzten Anweisungen: er
verhüllt, stiehlt sie sich im Gewühl des bacchanalischen
Beherrschung der dramatischen Technik gelungen
befiehlt, den Leichnam des geliebten Dichters im herzog¬
Festes fort und eilt in die Arme Filippos, um mit
die seltsamen, in ihrer Fülle geradezu erdr#
lichen Grab zu bestatten.
ihm zu sterben. Doch da sie sich schon dem Tode nahe
Geschicke seiner Heldin im Rahmen eines au
Und diese hier wie ihn! Die Spanne Zeit,
wähnt und schon das Rauschen der Unendlichkeit über
mehr als sünf Aufzügen bestehenden Dramas in
Die sie ums Licht des Lebens noch geflattert,
sich zu fühlen glaubt, da graut es ihr plötzlich vor
Mannigfaltigkeit ungezwungen sich entwickeln zu
Bedeutet jetzt nichts mehr — sie starbit ihm.
dem Dunkel. In ihrem gemarterten Busen lodert ein
Zwölf Stunden — und was erlebt die Beatrich
Er liebte sie, er starb, weil er sie liebte:
gewaltiger Lebensdrang auf, daß sie Filippo allein
alles in dieser kurzen Spanne Zeit! Sie ist
So ist sie hochgeehrt vor allen Frau!“
sterben läßt und selbst voller Verzweiflung zurück an
liebte des Dichters, wird von ihm verstoßen,
Und nun geht er in den Kampf. Glocken ertönen
den Hof rennt. Hier ist sie aber bereits vermißt worden.
Braut eines andern, läßt sich indes mit dem
von allen Türmen.
Der Herzog schöpft Argwohn. Sie lügt, sie sei in der
trauen, während jener sich entleibt, wird diesem
„Das Zeichen tönt, und mächt'ge Neubegier
Kirche gewesen, um in einer so wichtigen Stunde für
Wie nie zuvor beflügelt meinen Schritt.
und rennt zurück in die Arme des Geliebten,
das Wohl der Stadt zu beten. Doch der Schleier, den
Ich freue mich des guten Kampfs, der kommt,
ihm zu sterben, läßt ihn aber allein in den To#
sie bei Filippo vergessen, verrät sie. Da sie trotz der
Die frischen Morgenlüfte atm' ich durstig
und flieht selbst wieder zurück ins Leben, un
eindringlichen Bitten des Herzogs nicht gestehen will,
Und preise dieses Leuchten aus den Höhn,
davon Abschied zu nehmen. So irrt sie hin un
Als wär' es mir allein so reich geschenkt.
wo sie die Nacht zugebracht, so soll sie auf der Stelle
zwischen Leben und Tod, mit beiden gleich
Das Leben ist die Fülle, nicht die Zeit,
wegen Treubruchs gerichtet werden. Aber eine namenlose
spielend und durch dieses Spiel sich und ande
Und noch der nächste Augenblick ist weit!“
Angst für ihr Leben packt sie wieder mit solcher Gewalt,
Verderben stürzend. Und all dies thut sie g#
daß sie sich endlich entschließt, den Herzog an den Ort
schuldig im Herzen, indem sie beinahe rein me
Ich habe hier in gedrängter Form nur die dürre
zu führen, wo sie den Schleier gelassen. Und hier erst,
handelt und sich fügt. Eine jener naiven Se
Fabel in ihren Hauptzügen wiederzugeben versucht.
in der Dämmerung des neu aufbrechenden Tages,
sie, die mit ihren unschuldigen, großen Aug
Aber den grandiosen, ich möchte fast sagen: Shake¬
erfährt der Herzog, wem Beatrice gehörte — dem
Dichter, den er über alle hochstellte! Und da über= speareschen Zug, der über der Dichtung liegt und sie Welt, in die sie hineingesetzt wurden, verwund