II, Theaterstücke 14, Der Schleier der Beatrice. Schauspiel in fünf Akten (Shawl), Seite 293

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14. Der Schleier der Beatrige

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Nr. 22
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Berliner Reueste Nachrichten
Ausschnitt aus:
vom: 770
Theater und Unsik.
(Siehe auch dritte Beilage.)
* Deutsches Theater. Der Schleier der Beatrice,
Schauspiel it 5 Akten von Arthur Schnitzler.
Wenn ich das heutige literarische Wien ganz kurz charak¬
Lterisiren sollte, einfach durch die Nennung einiger hervorstechen¬
der Namen, so würde ich sagen: Hugo v. Hofmannsthal, J. J.
David, Arthur Schnitzler. Hofmannsthal ist der künstlerisch am
meisten durchbildete von den Dreien, in J. J. Dabid verkörpert
sich so etwas wie eine klassische Tradition, bei Schnitzler
ist das Wienerthum am reinsten ausgeprägt. Er hat in einenzive
kleineren Schauspiel. „Liebelei“, dem Besten, was er bisher der o.
Bühne gegeben hat, das wienerische Wesen in glücklicher Weise zer
eingefangen, er hat ein Buch Dialoge, reich an der entzückend= aus.
sten wienerischen Grazie, geschrieben, und auch in seinen No¬
„1
velletten zeigt sich dieser feine, prickelnde Geist, der an Lannerschet das
Ab) Walzer denken läßt und an süße, ein bischen sentimentalischeis den
Abé Liebe. Diese kleinen, leichtfüßigen, poetisch verklärten Sachen
sind Schnitzkers Stärke. Nun aber kommt er uns plötzlich
pathetisch. Der Ruhm Hofmünnsthals hat ihn vielleicht nicht d die
Inh schlafen lassen. Er hat sich in die großen historischen Stimmun=gen¬
diigen der italienischen Renaissance zurückversetzt und uns ein ung")
wo# langes, allzulanges Drama, „Der Schleier der Beatrice“, ge= tliche
schrieben. Das Stück ist nicht mehr ganz jung. Es ist schon vor Mit¬
Lel
zwei Jahren in Buchform erschienen und wurde uns schon in der
the
vorigen Saison auf der Bühne des Deutschen Theaters ver¬
sprochen. Nun endlich, da auch diesmal schon die richtige Pre¬
mièrenzeit eigentlich vorüber ist, ist es über die Szene gegangen.
Herr Brahm scheint keine großen Hoffnungen auf dieses Stück
gesetzt zu haben, und, wie es scheint, mit Recht. Das Publikum
nahm das Drama unter ziemlich heftigem Widerspruch hin,
wenn auch der Freunde des Dichters genug waren, so daß sich
der Dichter mehrfach an der Rampe verbeugen konnte. — Was
den Inhalt anlangt, so ist er unendlich seltsam, verzwickt und
ex Verlag und Druck. D.——
im Grunde recht wenig sympathisch. Wir sind in Bologna, zu
Anfang des 16. Jahrhunderts. Die Stadt wird von den
Herren des Cesar Borgia bedroht; an der Spitze der Stadt steht
Herzog Lionardo Bentivoglio. Ein Dichter, Filippo, dem Herzog
befreundet, und verlobt mit einem bologneser Edelfräulein, lernt
plötzlich ein schönes Bürgerkind, die Beatrice. kennen, und wird
von so heftiger Liebe zu ihr ergriffen, daß er die Braut bedenken¬
los preisgiebt. Beatrice besucht ihn in seinem Garten, ohne daß
ein Anderer es ahnt; aber da sie am dritten Tage zu ihm kommt,
Lerzählt sie ihm in einer so übertrieben schwärmerischen Weise von
einem Träume, in dem sie die Gattin des schönen Herzogs war.
daß Filippo, über die Oberflächlichkeit ihrer Gefühle plötzlich auf¬
geklärt, sie gehen heißt, auf Nimmerwiedersehen. Sie geht,
weinend, und da ein Jungling, der schon lange verzebens um sie
geworben, an diesem Tage sie noch einmal bittet, sein Weib zu
werden, sagt sie Ja und will ihm umgehend in die Kirche zur
Trauung folgen, denn Borgia ist mit unermeßlichen Truppen vor
die Stadt gerückt, und wer weiß, ob man den folgenden Tag noch
erleben wird. Auf dem Gange zur Kirche begegnet das Paar
dem Herzog Lionardo. Das Mädchen ist sprachlos vor Entzücken,
da sie den schönen Helden ihres Traumes erblickt, und auch den
Herzog überkommt es wie ein Rausch bei ihrem Anblick.
seiner Geliebten machen, aber
Er will sie
sie verlangt kühn,
daß er sie zur Herzogin erhebe.
Er thut es, ihr Bräutigam ersticht sich in Scham und Schmerz.
und die Trauung findet umgehend statt. Nun kommt das
Wunderbare. Während ganz Bologna feiert, schleicht sich
Beatrice aus dem festlich durchschwärmten Parke ihres jungen
Gatten heimlich fort zu Filippo, zu dem sie plötzlich eine namen¬