II, Theaterstücke 14, Der Schleier der Beatrice. Schauspiel in fünf Akten (Shawl), Seite 356

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14. Der Schleier der Beatrice
—cc „ nicht sinden tassen. Em .
wir durch eine entsprechende Vermehrung der Zahl der vor, daß es gewisse Dinge giebt, wo wir uns niemals grundsätzlich Erregung in die polnische Bevölkerung tragen. Regional abgrenzen
Halten bald beseitigen zu können.
ganz verständigen werden und wo in Folge dessen gewisse Be=lasse sich die Frage des confessionellen Friedens nicht. Wenn
sie schließlich — durch den Dolch — nicht des Herzogs, sondern
dem Studium jener Epoche nur oberflächlich bewandert ist, als
8 Kunst und Wissenschaft.
ihres Bruders, nachdem ihr Tächtelmächtel mit Philippo vom
ein solches erkennen muß. Wie wäre es denn möglich, daß so
Herzog entdeckt ist. Eine „moderne“ Ueberkritik nennt sowas
Berlin, 9. März.
bedeutende Culturwerthe sich bis zu uns herübergerettet haben
„sein.“ „tiessinnig,“ „phychologisch vertieft“ „interessantes könnten — Werthe, von deren Reichtbum wir noch heute in
chleier der Beatrice. Schauspiel in 5 Acten
Problem“ 2c.
unserer Armuth zehren
Schnitzler. Erstaufführung im Deutschen
aus einer Zeit, in der
Ein Herzog: Bentivoglio. Ein Kraftmensch. In der die absolute Schamlosigkeit, die ungeheuerlichste sittliche
7. März. —
letzten Nacht vor dem Verderben beschließt er, das schönste Depravation Trumpf war, so daß für höhere, geistige Ideale
eier der Beatrice“
— es ist der Schleier der
Mädchen Bolognas abzufangen, um es seinem thierischen Ge¬ kein Raum mehr vorhanden war?! Hätte Herr Schnitzler uns
keit. Es thut noth, jenen zu lüften, damit diese
lüste zu opfern. Beatrice erscheint, erweckt „edlere“ Gefühle in
heit sich zeige.
hierin doch wenigstens ein Gegengewicht hingestellt! Er that's
ihm. Er nimmt sie sich — aber macht sie vorher nicht. Und warum nicht? Einfach, weil ihm für diese höheren
ige des 16. Jahrhunderts spielt die Handlung.
zu seinem Weibe. Während der Festlichkeit, die er aus diesem geistigen Ideale jedes Verständniß abgeht. Das Verständniß
eht im Streit wider den Papst. Die
Anlaß veranstaltet, fordert er alle Männlein und Weiblein, aber für die absolute suitas — dieses einseitige Verständniß
Heerschaaren des
Cesare Borgia rücken
die in den Gartenanlagen seines Schlosses herumschwirren, kommt ungewöhnlich craß zum Vorschein. So craß, daß das
aan. Die Stadt steht vor dem Untergange,
auf, sich der niedrigen Sinnenlust schrankenlos binzugeben. Alle
Ganze einem Plaidoyer für die Berechtigung der suitas als
ur eine Nacht noch zu trennen scheint. In dieser
Kinder, die aus den Folgen dieser Nacht entsprießen, sollen —
Culturfactor so ähnlich sieht, wie ein Ei dem andern.
arrt das Volk, harren der Herzog, die Nobili,
so decretirt er — adlig sein!!! (Ist das nicht eine Helden¬
kurz Alles, was lebt, dem blutigen Morgen
Auf solche systematische Geschichtsfälschung im Dienste un¬
that?!) Nachdem er das Verbältniß zwischen Beatrice und
##tlicher Tendenzen sollten Strasen gesetzt sein — im Interesse
Philippo entdeckt, verzeiht er. Denn: Philippo ist ja der un¬
lwahrer Bildungsbestrebungen! Dann gäbe es vielleicht nicht
t sich das Leben in diesen bangen Stunden? sterbliche Dichter, und Beatrice ist ja nur — ein Kind!
soviel Bildungspöbel...
Philippo Roschi. Unsterblich soll er sein
(Danke für solche Kinder. Hoffentlich hat Herr Schnitzler
„Des Geists Verschwendungkin ein Meer von Schmach“
he Kunst. So wird gesagt. Doch merken kann
das Modell nicht seiner eigenen Familienkinderstube
lautet ein Vers Griesebachs. Ich wende ihn an
entnommen.)
Man sieht einen
nur herzlich wenig.
als Endurtheil über den „Schleier der Beatrice“. Leider noch
flexionsmenschen, einen Mann könender, inhaltarmer
Die Schwester der Beatrice: Rosina. Sie ist neidisch auf
nicht einmal ganz zutreffend. Schmach? Ja, ja, ja! Geist? —
im Geist und in der Seele zerrissen. Er ist der
die glücklichere Schwester. Sie lechzt darnach, sich dem Herzog
Nein!
iner edlen Jungfrau. Leichten Herzens stößt er
vor die Füße zu werfen und von ihm der schmachvollsten Ent¬
Die Darstellung war anscheinend mit großer Mühe vor¬
aus Liebe zu Beatrice, dem schönen Kinde aus
ehrung „gewürdigt“ zu werden. Sie ist höchst ungehalten
bereitet. Doch war sie nicht ausgeglichen. Was war aus
Aber auch diese weist er von sich, wegen eines
darüber, daß er sie unberührt stehen läßt.
Rudolf Rittner, diesem großen Menschendarsteller, ge¬
den sie gehabt, dessen Inhalt ihn anekelt. Gleich
Auch sonst noch rennen Männer und Weiber über die Bühne,
worden?
Aus dem Bereich des Natürlichen entfernt und in die
er sich in die Arme zweier florentinischer
die nur das Bestreben zeigen, sich in dem tiefsten Schmutz
crasseste Unnatur gezwängt, stieß er sich an allen möglichen
um mit ihnen in gemeinen Sinnenrausch unter¬
niedriger Triebe zu wälzen.
Hindernissen herum. Und zwischen den glatten, man muß
die letzte Nacht vor dem Vergehen. Noch ein¬
Alles das — alles, alles in der letzten Nacht, die dem großen,
sagen formvollendeten Versen schwankte er wie zwischen Scylla
atrice ihm in den Weg. Auch jetzt stößt er sie
blutigen Sterben vorangeht!
und Charybdis. Das einzig wirklich Bedeutende, das der Abend
sich an das Leben klammert, während er zu
Ich könnte nun noch fortfahren in der Schilderung. Doch
brachte, war Irene Triesch's Beatrice. Dieser hervor¬
Er nimmt Gist — —.
ich unterlasse es, rechnend auf den Generalpardon des geneigten
ragenden, einzigartigen Künstlerin gelang es fast das Unver¬
en aus dem Volke: Beatrice. Ein bysterisch¬
Lesers. Ganz gewiß: selbst das Zeitungspapier hat ein Recht
ständliche verständlich, das Häßliche schön, das Abstoßende er¬
sches Wesen, wie es in solcher Verzwicktheit nie¬
auf Schonung!
greifend zu gestalten. Ihr Wesen wurde verklärt durch einen
leben, sondern nur in der verschrobenen Phantasie
Aber ist denn das die „große Kunstoffenbarung“, die wir
unnachahmlichen Schimmer des Märchenhaften. Das wurde
n Hirns existiren kann. Sie hat einen Bräutigam,
von der Bühne her erwarten? Soll das die Tragödie der
fast wie die Rettung einer verlorenen Soche empfunden;
egen entleibt, was sie völlig kalt läßt. Sie liebt
Neuzeit sein?
denn was aus der Vorstellung ohne Irene Triesch geworden
wahnsinniger Gluth. Trotzdem wirft sie sich dem
Ja, ist denn die Welt wirklich nichts weiter als ein großes
wäre daran wage ich gar nicht zu denken. So nahe streiften
nHals, und wird im Handumdrehen Herzogin.
Bordell? Und hat ein dramatischer Dichter kein anderes Ziel,
einzelne Momente schon die Grenze des Komischen. Friedrich
dinal muß in der Nacht noch die Trauung voll¬
als dies im Spiegelbild zu zeigen?
[Kayßlers Herzog war eine vollsaftige Kraftnatur. Doch
entläuft sie dem Herzog wieder, kehrt zu dem
Aber, werden die „Geistreichen“ einwenden: die damalige
übernahm sich der Künstler stellenweise durch forcirte Au¬

rennt nach dessen Tode wieder dem
Zeit! Ein Cultur= und Sittengemälde aus einer ver¬
wendung der Mittel, und so wurde der Umschwung im letzten
die Arme — und weiß bei Allem nicht,
sunkenen, farbenreichen und sinnentrunkenen Epoche! Denen ist
Acte nicht recht glaubhaft. Zu nennen wäre noch Louife
eht, noch was sie eigentlich will. Uebrigens ist zu erwidern: Der Verfasser lügt! Mit Absicht und Bewußt= Dumont's fein ausgearbeitete, temperamentvolle und pilande
de — so müde. Sie stirbt — denn sterben muß sein tischt er uns ein Zerrbild auf, das ein Jeder, der in Rosina, Otto Sommerstorff's innig empfundener Graf