II, Theaterstücke 14, Der Schleier der Beatrice. Schauspiel in fünf Akten (Shawl), Seite 363

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14. Der Schleien der Beatrice
tgrausigen Szene vergessen, und da sie sich weigert, einzu¬
gestehen, wo sie den Schleier zurückgelassen hat, soll sie nun
ivor die Richter gestellt werden. Aus Angst vor dem sicheren
Tode erzählt sie nun, wo der Schleier liegt. Sie führt den
Herzog nach dem Gemache Filippos; dort leuchtet der Schleier
den Eintretenden entgegen. Beatrice hebt ihn auf, sie bittet
L. Berliner Theater. Im Deutschen Theater fand gestern
den Herzog, mit ihr in ihr Brautgemach einzutreten. Hier
die erste Aufführung des fünfaktigen Schauspiels „Der
aber schon will der Herzog sie als sein Weib umfangen, sie
[Schleier der Beatrice“ von Arthur Schnitzler
in den Alkoven hineinziehen, und stößt dort auf die Leiche des
statt. Wieder hat nun das Deutsche Theater ein Stück aus
Dichters. Jetzt erst erfährt er von seinem Gefolge, daß er sich
dem Stoffgebiete der Renaissance, aber kaum ein solches Zug=in Filippos Hause befindet, und der Bruder Beatricens löst
stück wie Maeterlincks „Monna Vanna“. Man wird sich wohl den Knoten, indem er das Mädchen von ihrem verlorenen und
noch daran erinnern, daß Schnitzlers Schauspiel von der zwiespältigen Leben befreit. Er ersticht sie mit seinem Dolche.
Direktion des Hofburgtheaters in Wien schon zur Aufführung Das Stück, so schön einzelne Stellen ersonnen sind, so viel
angenommen war, daß es jedoch nicht über die Bretter der Poesie manchmal von ihm ausgeht, ist doch kein Drama von
Hofbühne ging. Vielleicht wird man jetzt, ohne sich zu der überzeugender Kraft. Beatrice selbst schildert der Dichter als
Prinzipienfrage hinsichtlich des Vorgehens der Burgtheater=ein Naturkind, das sich seiner Sinnenlust gar nicht bewußt ist
leitung irgendwie äußern zu wollen, den Grund ihrer kühlen und durch ahnungslose Einfalt sich und ihre Umgebung in
Haltung gegenüber dem neuen Stücke einigermaßen verstehen.
Unheil und Verderben verstrickt. Das Ganze ist leider, man
Diesmal also spielt das Renaissancestück des Deutschen Thea¬
kann es nicht anders sagen, mißraten, es ist ein loses Gewebe,
ters vor Bologna. Auch diesmal steht vor den Toren der Stadt wie es der Schleier Beatricens selbst ist, und in seiner fahrigen
ein mächtiger, tückischer Feind, Cäsar Borgia mit seinen! Art kein in sich abgeschlossenes Kunstwerk. Die Novität fand
Scharen. In der Nacht, die dem Sturm Borgias auf die
nur geteilte Aufnahme. Zu einem durchschlagenden Erfolg
Stadt vorangeht, will der Herzog das schönste Mädchen der
kam es nicht, wenn auch der Dichter einige Male gerufen
Stadt auf sein Schloß bringen. Beatrice war eben auf dem
wurde. Die Darstellung genügte, in einzelne Leistungen auf¬
Wege zur Kirche, zur Trauung mit ihrem Verlobten, Vitto=gelöst, recht gut, im ganzen aber übersteigen die Anforderun¬
rino, der sich, da sie dem Herzog wirklich folgen will, den
gen des personenreichen Stückes offenbar doch die Kräfte des
Dolch in das Herz stößt. Doch nur als Herzogin will das
Deutschen Theaters.
Mädchen dem Herzog zu eigen sein. Sie war auch im Innern
nicht mehr Vittorinos reine Braut, denn seit einigen Tagen
ist sie die Geliebte eines gefeierten Dichters, Filippos, ge¬
wesen. Nachdem nun die Trauung mit dem Herzog vollzogen
ist, flüchtet sie von dem Nachtfest, das der Herzog in seinem
Garten veranstaltet, wieder zu Filippo. Noch einmal will sie
in Filippos Armen ruhen, alles Glück der Erde hingeben, um
noch einmal ihm anzugehören und dann gemeinsam mit ihm
sterben. Filippo trinkt den Giftbecher aus, sie aber ver¬
nag nicht zu sterben, ihr graut vor dem Tode. Von Lebenslust
ind Todesfurcht gehetzt und gejagt, flüchtet sie von der Leiche
es Geliebten zurück zu dem Hochzeitsfest in den blühenden
Barten, wo das Fest seinen Fortgang nahm. Den Schleier,
sas Hochzeitsgeschenk des Herzogs, hat sie an der Stelle der