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14. Der SchleienderBeatrice
Telephon 1.
D#.
„UBSLAVER
1 österr. behördl.kenz. Unternehmen für Zeitungs-Ausschnitte
Wien, I., Concordiaplatz 4.
Vertretungen
in Berlin, Budapest, Chicago, Christiania, Genf, Kopen¬
hagen, London, Madrid, Mailand, Minneapolis, „New-Vork,
Paris. Rom, Sa rho p Peer Gert
Ndahlehchbiür chde dawunty.
Ausschnitt aus:
L#411909
—
Straßburger Stadttheater.
s. Straßburg, 4. Mal.
Gwas reichlich spät, volle acht Jahre nach dem Erscheinen des Buthes
Hhallunsere städtische Bühne gestern Abend Artun#
üblers Renaissance¬
Drchna „Der Schleier der Beatrice“ zu
usführen
lossehz. Was die Theaterleitung zu diesem ungewöhnlichen literarischen—
Erpersssiente noch kurz vor Beeidigung der Spielzeit veranlaßt hat, ist
nicht recht einzusehen; eine küßstlerische Notwendigkeit oder eine Ver¬
pflichtung gegenüber dem Putsskinn lag jedenfalls nicht vor, und ebenso¬
wenig konnte die Hoffnung auf einen starken Bühnenerfolg diesen
posthumen Eifer unseres,
mit „Neuheiten“
ziemlich zurück¬
haltenden Theaters vergklaßt haben. Die Ungewöhnlichkeit dieses
Iterarischen Experimentes ergibt sich aus einer kurzen Betrachtung des
Werkes von selbst. Schnitzler hatte, als er das Drama nach seinen
erfolgreichen Stücken „Lebelei“ und „Freiwild“ niederschrieb, mit diesem
Ritt ins wilde romansische Land zweifellos die höchsten künstlerischen—
Absichten. Die farbenreiche Zeit der Renaissance mit ihrem gesteigerten
Menschentum, ihren wilden Leidenschaften und orgiastischen Ver¬
zückungen reizte seinen dichterischen Genius, wie
sie vor
ihm
schon größere Geister — man denke nur an Goethes Tasso
ihren Bann geschlagen hatte. Ihm schwebte ein großes, wuchtiges
Kulturgemälde vor. Bologna unter der Furcht vor dem Löwen
Borgia sollte den historischen Hintergrund abgeben, und auf
dieser Unterlagen sollten seltsame Menschenschicksale in farbigem Glanze
sich aufbauen. Im Mittelpunkt dieses großgedachten Bildes steht ein
einfaches Bürgerkind, halb Gretchen, halb Kätchen von Heilbronn,
Beatrice Nardi, die liebliche Tochter eines wahnsinnigen Wappen¬
schnelders. Ihr Schicksal hat sie anfangs in die Arme des Dichters!
Filippo Los“ geführt. Noch nicht die Seine und doch schon innig mit!
ihm verbunden, treibt ein wunderlicher Traum sie von der Selte des
Geliebten fort. Ihr war im Schlafe, als sei sie die Gemahlln des
jungen Herzogs Bentivoglio geworden, und dieser „Treubruch“, im
tiessten Traum begangen, verscherzt ihr die Gunst des Ge¬
liebten. Gleich einer Nachtwandlerin, nicht fählg
verstehen,
warum sie verstoßen wurde, kehrt sie in das Elternhaus und
damtt in die Nähe eines früheren, um Filippos willen aufgegebenen
Freiers zurück. Da tritt das Schicksal von neuem an sie heran. Der
junge Herzog hat die Holde gesehen und begehrt sie zur Geliebten.
Beatrice will seine Schweile nur als Herzogin betreten. Der Herzog
willigt ein, und während draußen an den Toren Bolognas Cesare
Borgia mit schweren Fäusten rüttelt, feiert der leidenschaftliche Fürst
seine Hochzeit mit dem Bürgermädchen. Das Renaissance=Blut siebert
aber auch in diesem Kinde. Statt des erfüllten Traumes sich nun zu
freuen, verläßt sie heimlich den Hof des ihr eben angetrauten Gatten
und eilt, von tiefem Heimweh getrieben, zu dem Dichter, um,
wie sie beim Abschiednehmen ihm gelobt hat, gemeinsam mit ihm
sterben. Filippo=geht ihr im Tode voraus, Beatrice
zu
aber, zu lebenshungrig, um gleich ihm den=Giftbecher zu leeren,
versucht es nech einmal mit der Herzoginnenwürde. Nun aber geht es
schnell dem Abgrund zu. Der Herzog ist mißtranisch, als ihr Ver¬
schwinden bekannt geworden, und forscht nach dem „Schleier“ den
Beatrice in Filippos Wohnung zurückgelassen hat. In äußerster Be¬
dräuguts entschließt sie sich, den Gatten, wie er es verlangt, an die
Stätte des Grauens zu führen. Der Schleier und der Tote werden
gesunden, Beatrices Doppelspiel wird offenbar, die Strafe an ihr voll¬
zieht ihr eigener Bruder, der sie durch einen Dolchstoß von ihrer
Schande“ befreit. Vor diesem letzten, harten Ausklang richtet der
Fürst noch ein mildes, zartes Wort an die Schöne:
„Warst Du nicht, Beatrice, nur ein Kind,
Das mit der Krone spielte, weil sie glänzte,
Mit eines Dichters Seel', weil sie voll Rätsel, —
Mit eines Jünglings Herzen, weil's Dir just
Geschenkt war?
So nannten wir Dein Tun
Betrug und Frevel — und Du warst ein Kind!“
Und Beatrice, die sündlose Sünderin, hat auf diese Fragen die
Antwort:
Und warum war ich ausersehn vor Allen,
So vielen Leid zu bringen, und weiß doch:
Ich wollte keinem Böses. ..“
Ueberblickt man das krause, vielgestaltige Werk im ganzen, so wird
man erkennen, daß das hohe künstlerische Wollen vom Dichter nicht er¬
reicht worden ist, seine Schöpferkraft uns nicht in ihren Bann zu
zwingen vermag. Wir hören viele edle, schöne und geistreiche Worte
14. Der SchleienderBeatrice
Telephon 1.
D#.
„UBSLAVER
1 österr. behördl.kenz. Unternehmen für Zeitungs-Ausschnitte
Wien, I., Concordiaplatz 4.
Vertretungen
in Berlin, Budapest, Chicago, Christiania, Genf, Kopen¬
hagen, London, Madrid, Mailand, Minneapolis, „New-Vork,
Paris. Rom, Sa rho p Peer Gert
Ndahlehchbiür chde dawunty.
Ausschnitt aus:
L#411909
—
Straßburger Stadttheater.
s. Straßburg, 4. Mal.
Gwas reichlich spät, volle acht Jahre nach dem Erscheinen des Buthes
Hhallunsere städtische Bühne gestern Abend Artun#
üblers Renaissance¬
Drchna „Der Schleier der Beatrice“ zu
usführen
lossehz. Was die Theaterleitung zu diesem ungewöhnlichen literarischen—
Erpersssiente noch kurz vor Beeidigung der Spielzeit veranlaßt hat, ist
nicht recht einzusehen; eine küßstlerische Notwendigkeit oder eine Ver¬
pflichtung gegenüber dem Putsskinn lag jedenfalls nicht vor, und ebenso¬
wenig konnte die Hoffnung auf einen starken Bühnenerfolg diesen
posthumen Eifer unseres,
mit „Neuheiten“
ziemlich zurück¬
haltenden Theaters vergklaßt haben. Die Ungewöhnlichkeit dieses
Iterarischen Experimentes ergibt sich aus einer kurzen Betrachtung des
Werkes von selbst. Schnitzler hatte, als er das Drama nach seinen
erfolgreichen Stücken „Lebelei“ und „Freiwild“ niederschrieb, mit diesem
Ritt ins wilde romansische Land zweifellos die höchsten künstlerischen—
Absichten. Die farbenreiche Zeit der Renaissance mit ihrem gesteigerten
Menschentum, ihren wilden Leidenschaften und orgiastischen Ver¬
zückungen reizte seinen dichterischen Genius, wie
sie vor
ihm
schon größere Geister — man denke nur an Goethes Tasso
ihren Bann geschlagen hatte. Ihm schwebte ein großes, wuchtiges
Kulturgemälde vor. Bologna unter der Furcht vor dem Löwen
Borgia sollte den historischen Hintergrund abgeben, und auf
dieser Unterlagen sollten seltsame Menschenschicksale in farbigem Glanze
sich aufbauen. Im Mittelpunkt dieses großgedachten Bildes steht ein
einfaches Bürgerkind, halb Gretchen, halb Kätchen von Heilbronn,
Beatrice Nardi, die liebliche Tochter eines wahnsinnigen Wappen¬
schnelders. Ihr Schicksal hat sie anfangs in die Arme des Dichters!
Filippo Los“ geführt. Noch nicht die Seine und doch schon innig mit!
ihm verbunden, treibt ein wunderlicher Traum sie von der Selte des
Geliebten fort. Ihr war im Schlafe, als sei sie die Gemahlln des
jungen Herzogs Bentivoglio geworden, und dieser „Treubruch“, im
tiessten Traum begangen, verscherzt ihr die Gunst des Ge¬
liebten. Gleich einer Nachtwandlerin, nicht fählg
verstehen,
warum sie verstoßen wurde, kehrt sie in das Elternhaus und
damtt in die Nähe eines früheren, um Filippos willen aufgegebenen
Freiers zurück. Da tritt das Schicksal von neuem an sie heran. Der
junge Herzog hat die Holde gesehen und begehrt sie zur Geliebten.
Beatrice will seine Schweile nur als Herzogin betreten. Der Herzog
willigt ein, und während draußen an den Toren Bolognas Cesare
Borgia mit schweren Fäusten rüttelt, feiert der leidenschaftliche Fürst
seine Hochzeit mit dem Bürgermädchen. Das Renaissance=Blut siebert
aber auch in diesem Kinde. Statt des erfüllten Traumes sich nun zu
freuen, verläßt sie heimlich den Hof des ihr eben angetrauten Gatten
und eilt, von tiefem Heimweh getrieben, zu dem Dichter, um,
wie sie beim Abschiednehmen ihm gelobt hat, gemeinsam mit ihm
sterben. Filippo=geht ihr im Tode voraus, Beatrice
zu
aber, zu lebenshungrig, um gleich ihm den=Giftbecher zu leeren,
versucht es nech einmal mit der Herzoginnenwürde. Nun aber geht es
schnell dem Abgrund zu. Der Herzog ist mißtranisch, als ihr Ver¬
schwinden bekannt geworden, und forscht nach dem „Schleier“ den
Beatrice in Filippos Wohnung zurückgelassen hat. In äußerster Be¬
dräuguts entschließt sie sich, den Gatten, wie er es verlangt, an die
Stätte des Grauens zu führen. Der Schleier und der Tote werden
gesunden, Beatrices Doppelspiel wird offenbar, die Strafe an ihr voll¬
zieht ihr eigener Bruder, der sie durch einen Dolchstoß von ihrer
Schande“ befreit. Vor diesem letzten, harten Ausklang richtet der
Fürst noch ein mildes, zartes Wort an die Schöne:
„Warst Du nicht, Beatrice, nur ein Kind,
Das mit der Krone spielte, weil sie glänzte,
Mit eines Dichters Seel', weil sie voll Rätsel, —
Mit eines Jünglings Herzen, weil's Dir just
Geschenkt war?
So nannten wir Dein Tun
Betrug und Frevel — und Du warst ein Kind!“
Und Beatrice, die sündlose Sünderin, hat auf diese Fragen die
Antwort:
Und warum war ich ausersehn vor Allen,
So vielen Leid zu bringen, und weiß doch:
Ich wollte keinem Böses. ..“
Ueberblickt man das krause, vielgestaltige Werk im ganzen, so wird
man erkennen, daß das hohe künstlerische Wollen vom Dichter nicht er¬
reicht worden ist, seine Schöpferkraft uns nicht in ihren Bann zu
zwingen vermag. Wir hören viele edle, schöne und geistreiche Worte