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14. Der Schleier der-Beatrice
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Nasci
N
des
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esbon
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Sch
50
G
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Ed aus Nahren und Schlesien.
Samstag den 13. Juni 1903.
Nr. 272.
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In nen entnen e e
Atene 20
—
Ja, die Größe selbst, soweit sie uns in ihren Bann tut schen Seite hin ein Drang zur
gde
und nicht nur eine vererbte hohle Form ist, soll jene Kind= viel für das Individuum begehrt
Dekadent.
nichts Faßbares übrig bleibt, im
lichkeit, jene Sicherheit des Triebes zum Kerne haben. Da¬
Studie von Prof. Dr. Alfred Klaar.
völlige Abkehrung vom Materiali
für hat schon Richard Wagner mit seinem „reinen
Suchen nach neuen Idealen und
Dekadent! Das Fremdwort begegnet einem heute auf
Toren“ den Ton angegeben. Auch diese Art, das Leben
zu dunklen Trieben und ihren ge
allen Straßen des Lebens und der Literatur, so daß man
anzusehen, ist unserer Zeit nicht aus den Wolken gefallen.
sich seiner kaum erwehren kann. Und man könnte noch dar¬
Das sieht wie Verworrenhe
Zum Naturstande drängt die Poesie schon seit zwei Jahr¬
über hinweg hören, wenn es nur ein Wort und noch dazu
hunderten zurück, an die überlegenheit der Einfakt glaubten
jenem spiralischen Laufe der E
ein uns innerlich fremdes wäre. Aber es ist mehr als ein
schon Schiller und Lessing, im Ringen nach der Kraft
alle Geistes= und Kulturgeschichte
gedankenlos nachgesprochenes Modewort aus Frankreich, das
des Unmittelbaren verzehrte sich Heinrich v. Kleist.
Wege nach unten geht es wiede#
uns so viele hohle Schlagwörter beschieden hat, es ist ein
Dennoch stand dieser gewaltige Zug nicht im Zeichen der De¬
Hebung ist an sicheren Kennzeiche
Stück Leben, das sich in diesen Laut zusammendrängt, ein
kadenze, denn alle diese Geister feierten die Offenbarung des
riöse Befriedigung, die muskelst#
Erkennungszeichen, das zwischen Kundigen ausgetauscht
Naturells, das sich ins Ungemeine erhebt, indem es vorbildlich
zugleich satte und hohle Selbstgen
wird, so oft sie gewissen Erscheinungen unseres gesellschaft¬
oder unmittelbar etwas Großes für viele vollbringt. Die aus¬
tritt wieder zurück gegen das hi
lichen und geistigen Lebens gegenüberstehen, ein Ausdruck,
erlesene Natur war es, die ihnen vorschwebte, und in der Aus¬
nach Vergeistigung und das leiden
vor dem man sich scheute und der doch zum charakteristischen
lese liegt schon das Moment der emporsteigenden Entwicklung.
die Rätsel des Lebens; all das
Naiurlaut für Tausende geworden ist. Daß sich zunächst eine
Der dumpfe Naturstand aber, dem sich heute die kultur¬
achtung und Willensverneinung,
Gruppe französischer Schrifisteller — mit jener in der Ge¬
müde Dichtung zuwendet, trägt keinen solchen Entwick¬
Unbewußte und der Unterschätzun
schichte oft vorkommenden Selbstpreisgebung, die einen
lungskern in sich. Es ist kein Zurückdrängen in einen neuen
absurd geberden — es ist doch wi
Schimpf ironisch aufgreift, um ihn in ein stolzes Bekenntnis
Anfang, sondern eine Neigung zum Ursprünglichen, das zu¬
Abwendung von der selbstzufried
zu verkehren — den Namen der Dekadenten beilegie, ist dabei
gleich Anfang und Ende ist, eine trotzig resignierte Vorliebe für
Zug, der bei aller scheinbaren
nicht das Wesentliche. Das Merkwürdige ist, daß man sich
alles, was im Triebe keimt und untergeht, was unbewußt dem
Höhe weist.
überall von dem Worte getroffen fühlte und mit einem Male
Falle entgegentaumelt. Es ist wiederum ein Faustischer
Das Theater ist diejenige Se
entdeckte, daß der Zustand längst vorhanden war, ehe das
Drang, der an den Kern des Seins vordringen möchte, aber
der Offentlichkeit die stärkste Ber
typische Wort für ihn geprägt wurde.
ein flügellahmer, der vorgibt, mit der Welt fertig zu sein und
Bildfläche aus am tiefsten auf die
So geht es auch mit einer bedeutenden Anzahl physischer
darum nicht mehr durch die Welt hindurch stürmt, dem die
immer charakteristisch für das vor
Krankheiten. Wir haben nute Krankheiten, die wirklich neu
Träume von Liebesglück, politischer Herrschsucht und antiker
müter. Die drei Stücke nun, die
zu sein scheinen weil sie mit früher unbekennten Bedingun¬
Schönheit längst erledigt scheinen und dem nichts ferner liegen
zeit am meisten verwandte Empfind
gen des Kulturlebens zusammenhängen. Aber wir haben auch
kann, als der Weisheit letzter Schluß Freiheit und Leben täg¬
die Poesiefreudigkeit die ausgiebig
solche, die immer da waren, ohne in ihrer Spezialität er¬
lich zu erobern und sie dadurch zu genießen. Es ist ein
alle das Zeichen der Dekadenze
kannt worden zu sein. Man gab ihnen erst einen Namen,
Drang, sich in das Unbewußte einzuwühlen, aus dem wir
Dramen, die ich meine — das
als man ihr besonderes Wesen entdeckte und sie umgrenzen
doch nur emporsteigen, um darin unterzutauchen, uns in Bil¬
„Der Schleier der Beat
und unterscheiden konnte. Das gilt vollauf vom geistigen
Zustande der Dekadenze; das Wort würde nicht so lebhaft dern anschaulich zu machen, daß wir mit dem Leben fertig
„Pelleas und Melisand
aufgegriffen, so sicher und ernsthaft angewendet dienn uns #sind. unsirenisch an unser Mottenschicksal, das hinter allen
in= Herkunft, Stil und äußeren M
die Erscheinungen, die es bezeichnen soll, nicht längst vertraut! Bestrebungen geborgen liegt, zu ergötzen und die letzte Illusion
denkbar. Da malt ein Russe nch
daraus herauszuschlagen, daß wir „uns keine Illusionen
wären
den pastosen Farben seines Volk
machen“.
Können wir das Wort übersetzen? Nicht leicht. Das
Episodenfolge, die sich erst im nach
Diese Art der Dekadenze beherrscht selbstverständlich nur
ist ja die schwache Seite aller Sprachreinigung, daß sich mit
zen verbindet, das Elend einer
einen Teil der Literatur. Einem großen Teile der Schaf¬
sdem Worte dort, too es entsteht und zur Zeit, da es sich ein¬
aus, dort führt uns ein Wiener
fenden, und gerade jenem, der dem Volke in seiner breiten Ent¬
bürgert, ein ganzer Komplex von Merkmalen verbindet,
steigerten Lebensdrang der italie
faltung nahesteht, ist sie ebenso fremd geblieben, wie Millio¬
den die übertragung vergeblich an sich heranzuziehen sucht.
in der sich Fürst und Volk, den
nen von Genießenden. Dennoch will sie scharf ins Auge ge¬
„Verfallen“ „herabkommen“, „entartet“
schwelgen, und kann sich in der
faßt sein: sie zieht magnetisch bedeutende Talente an sich und
gibt das die Vorstellung vom Dekadenten, die uns so rasch
Motive nicht genug tun, und in d
sie übt einen außerordentlichen Reiz auf die Jugend, die in
geläufig wurde? Bei all diesen Zuständen denken wir an eine
der Halbfranzose Maeterlinck, der
ihren Wallungen zu Extremen geneigt ist und der man eher
Verwahrlosung, die den Individuen oder Gattungen
schaffen, in eine Balladenwelt, in
beikommt, wenn man alles bejaht oder alles verneint, als
kaum bewußt ist, von ihnen nicht gewollt war und die trotz¬
realen Voraussetzungen ablösen
wenn man ihr das Glück einer Bescheidung in gegebenen Gren¬
dem durch Schwäche, Vernachlässigung oder Zuchtlosigkeit
Bildern uns die Tragik einernc
zen vor die Sinne rückt. Der Mut der Bejahung ist selten ge¬
eingetreten ist. Das stimmt aber nicht für das Dekadente in
Durch diese grundverschieden
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des
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Ed aus Nahren und Schlesien.
Samstag den 13. Juni 1903.
Nr. 272.
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In nen entnen e e
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Ja, die Größe selbst, soweit sie uns in ihren Bann tut schen Seite hin ein Drang zur
gde
und nicht nur eine vererbte hohle Form ist, soll jene Kind= viel für das Individuum begehrt
Dekadent.
nichts Faßbares übrig bleibt, im
lichkeit, jene Sicherheit des Triebes zum Kerne haben. Da¬
Studie von Prof. Dr. Alfred Klaar.
völlige Abkehrung vom Materiali
für hat schon Richard Wagner mit seinem „reinen
Suchen nach neuen Idealen und
Dekadent! Das Fremdwort begegnet einem heute auf
Toren“ den Ton angegeben. Auch diese Art, das Leben
zu dunklen Trieben und ihren ge
allen Straßen des Lebens und der Literatur, so daß man
anzusehen, ist unserer Zeit nicht aus den Wolken gefallen.
sich seiner kaum erwehren kann. Und man könnte noch dar¬
Das sieht wie Verworrenhe
Zum Naturstande drängt die Poesie schon seit zwei Jahr¬
über hinweg hören, wenn es nur ein Wort und noch dazu
hunderten zurück, an die überlegenheit der Einfakt glaubten
jenem spiralischen Laufe der E
ein uns innerlich fremdes wäre. Aber es ist mehr als ein
schon Schiller und Lessing, im Ringen nach der Kraft
alle Geistes= und Kulturgeschichte
gedankenlos nachgesprochenes Modewort aus Frankreich, das
des Unmittelbaren verzehrte sich Heinrich v. Kleist.
Wege nach unten geht es wiede#
uns so viele hohle Schlagwörter beschieden hat, es ist ein
Dennoch stand dieser gewaltige Zug nicht im Zeichen der De¬
Hebung ist an sicheren Kennzeiche
Stück Leben, das sich in diesen Laut zusammendrängt, ein
kadenze, denn alle diese Geister feierten die Offenbarung des
riöse Befriedigung, die muskelst#
Erkennungszeichen, das zwischen Kundigen ausgetauscht
Naturells, das sich ins Ungemeine erhebt, indem es vorbildlich
zugleich satte und hohle Selbstgen
wird, so oft sie gewissen Erscheinungen unseres gesellschaft¬
oder unmittelbar etwas Großes für viele vollbringt. Die aus¬
tritt wieder zurück gegen das hi
lichen und geistigen Lebens gegenüberstehen, ein Ausdruck,
erlesene Natur war es, die ihnen vorschwebte, und in der Aus¬
nach Vergeistigung und das leiden
vor dem man sich scheute und der doch zum charakteristischen
lese liegt schon das Moment der emporsteigenden Entwicklung.
die Rätsel des Lebens; all das
Naiurlaut für Tausende geworden ist. Daß sich zunächst eine
Der dumpfe Naturstand aber, dem sich heute die kultur¬
achtung und Willensverneinung,
Gruppe französischer Schrifisteller — mit jener in der Ge¬
müde Dichtung zuwendet, trägt keinen solchen Entwick¬
Unbewußte und der Unterschätzun
schichte oft vorkommenden Selbstpreisgebung, die einen
lungskern in sich. Es ist kein Zurückdrängen in einen neuen
absurd geberden — es ist doch wi
Schimpf ironisch aufgreift, um ihn in ein stolzes Bekenntnis
Anfang, sondern eine Neigung zum Ursprünglichen, das zu¬
Abwendung von der selbstzufried
zu verkehren — den Namen der Dekadenten beilegie, ist dabei
gleich Anfang und Ende ist, eine trotzig resignierte Vorliebe für
Zug, der bei aller scheinbaren
nicht das Wesentliche. Das Merkwürdige ist, daß man sich
alles, was im Triebe keimt und untergeht, was unbewußt dem
Höhe weist.
überall von dem Worte getroffen fühlte und mit einem Male
Falle entgegentaumelt. Es ist wiederum ein Faustischer
Das Theater ist diejenige Se
entdeckte, daß der Zustand längst vorhanden war, ehe das
Drang, der an den Kern des Seins vordringen möchte, aber
der Offentlichkeit die stärkste Ber
typische Wort für ihn geprägt wurde.
ein flügellahmer, der vorgibt, mit der Welt fertig zu sein und
Bildfläche aus am tiefsten auf die
So geht es auch mit einer bedeutenden Anzahl physischer
darum nicht mehr durch die Welt hindurch stürmt, dem die
immer charakteristisch für das vor
Krankheiten. Wir haben nute Krankheiten, die wirklich neu
Träume von Liebesglück, politischer Herrschsucht und antiker
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zu sein scheinen weil sie mit früher unbekennten Bedingun¬
Schönheit längst erledigt scheinen und dem nichts ferner liegen
zeit am meisten verwandte Empfind
gen des Kulturlebens zusammenhängen. Aber wir haben auch
kann, als der Weisheit letzter Schluß Freiheit und Leben täg¬
die Poesiefreudigkeit die ausgiebig
solche, die immer da waren, ohne in ihrer Spezialität er¬
lich zu erobern und sie dadurch zu genießen. Es ist ein
alle das Zeichen der Dekadenze
kannt worden zu sein. Man gab ihnen erst einen Namen,
Drang, sich in das Unbewußte einzuwühlen, aus dem wir
Dramen, die ich meine — das
als man ihr besonderes Wesen entdeckte und sie umgrenzen
doch nur emporsteigen, um darin unterzutauchen, uns in Bil¬
„Der Schleier der Beat
und unterscheiden konnte. Das gilt vollauf vom geistigen
Zustande der Dekadenze; das Wort würde nicht so lebhaft dern anschaulich zu machen, daß wir mit dem Leben fertig
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die Erscheinungen, die es bezeichnen soll, nicht längst vertraut! Bestrebungen geborgen liegt, zu ergötzen und die letzte Illusion
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ist ja die schwache Seite aller Sprachreinigung, daß sich mit
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steigerten Lebensdrang der italie
faltung nahesteht, ist sie ebenso fremd geblieben, wie Millio¬
den die übertragung vergeblich an sich heranzuziehen sucht.
in der sich Fürst und Volk, den
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schwelgen, und kann sich in der
faßt sein: sie zieht magnetisch bedeutende Talente an sich und
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sie übt einen außerordentlichen Reiz auf die Jugend, die in
geläufig wurde? Bei all diesen Zuständen denken wir an eine
der Halbfranzose Maeterlinck, der
ihren Wallungen zu Extremen geneigt ist und der man eher
Verwahrlosung, die den Individuen oder Gattungen
schaffen, in eine Balladenwelt, in
beikommt, wenn man alles bejaht oder alles verneint, als
kaum bewußt ist, von ihnen nicht gewollt war und die trotz¬
realen Voraussetzungen ablösen
wenn man ihr das Glück einer Bescheidung in gegebenen Gren¬
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eingetreten ist. Das stimmt aber nicht für das Dekadente in
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