II, Theaterstücke 14, Der Schleier der Beatrice. Schauspiel in fünf Akten (Shawl), Seite 459

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14: Der Schleier der Beatrice
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Feuillekon-Beilage des Tagesbote aus Mähren und Schlesten
Man kann es verwunderlich finden, daß solche Bre= neuaufgelegten Erstlingswerk im Verlage der deutschen Ver= schenken, er ist 1943/4 Kar¬
samen eines mutigen Idealismus aufgelesen werden. Aber es lagsanstalt Concordia in Berlin erschienen sind, erst Rubel gekostet; — ich will
sind nicht verstreute Reste, es sind neue Keime. Nachdem der in diesen späteren Humoresken klingt der aus aller Lebens¬
„Unmöglich!“ unter
Realismus uns die Augen so weit aufgerissen, daß wir in erfahrung, vor allem aber aus den Erfahrungen des journa¬
nach Italien, wohin mich m
alle Ritzen des Elends zu sehen gewohnt wurden und nachden listischen Berufes resultierende sarkastische Skeptizismus in
barer Macht! — Und selb
die Skepsis die alten typischen Verbindungen zwischen Schuld die Fröhlichkeit des gemütvollen Poeten hinein.
ful er mit zitternder Stim
und Unheil gelockert hat, muß der Weg, der aus der Tiefe
Beim Beginn der Reise= und Ferienzeit, die sich eben
Sehnsucht nach meiner Hei
emporführt, neu gefunden werden. In jeder Zeit ringen die
jetzt wieder mit ihren verheißungsvollen Signalen anmeldet,
unmöglich, denn mich bind
Dichter neu mit dem Leben und, sofern sie echte Dichter sind,
dem Rat von Venedig seit I
fragt so mancher nach einer Lektüre, die zu sonnigen Tagen
rücksichtslos, wahrhaftig bis an die Grenze der Verzweiflung
Schlacht bei Cadore“; ich
stimmt und fröhliche Urlaubslaune nicht verdirbt. Nun, wer
und jede in diesem Kampfe mit der Sphinx abgerungene Hoff¬
Alfonso von Ferrara, Ario
Bücher sucht, die heitere, anregende und welt= und lebens¬
nung hat eine tiefe Bedeutung für ihre Zeit. Auch die deka¬
kundige Gesellschafter sind, der greife zu den Werken Willo¬
begonnen, ich hab es dem h
dente Poesie unserer Tage ist nicht hoffnungslos — die echten mitzers; sie sind von belebender Frische, sind, wie Rosegger
zu malen; — kurz, mich h
denen ich mich nicht entzieh
Dichter, die durch sie hindurchgehen, leiten schon in hellere sagt, „würdig und nahrhaft zugleich; sie unterhalten und
Negionen hinüber.
geben zu denken.“
Katharina wendete sich
„So habt Ihr selbst,“ sprach
Um unseren Lesern eine charakteristische Probe des in
*
allen Farben und allen Nuancen spielenden Humors des
gesprochen und das meinige
schen uns empor: — wir
Dichters vorzuführen, lassen wir in diesen Blättern aus dem
hören.“
Josef Willomitzers erstes Buch.“
köstlichen buntschillernden Inhalt des Erstlings Willomitzers,
aus dem Buche „Heitere Träume“ das reizende, fein
„Und dennoch,“ rie
Wir leben in einer Zeit der literarischen Entdeckungen.
gemeiselte Geschichtchen: „Nord und Süd“ folgen. Diese
noch gibt es einen Weg, der
Auf dem weiten Gebiete der Literatur wimmelt es von For¬
fesselnde Schnurre ist eine geistvolle Persiflage des historischen
gemeinsam finden ließe, w#
schungsreisenden und die Zahl der Erfolge ihrer Arbeit wächst
Romanes, in dem es ja oft genug vorkommt, daß, wenn
Ruhmesglanze gefehlt hat, —
so rasch und stetig in die Höhe, daß uns fast mit jedem neuen
auch nicht wie in Willomitzers lustiger Erzählung ein Ana¬
nur fragend an, Katharina;
Tage ein neues Talent, ein neues Bekenntnis oder eine neue
chronismus zwischen den handelnden Personen, so doch ein
geschrieben, daß du nicht gli
Offenbarung vorgeführt werden kann. Für einen deutschen
lich sein in dieser Welt vo
Anachronismus in der Gedanken= und Ideenwelt seiner Hel¬
Dichter ist es gegenwärtig sehr schwer, für einen fremdländi¬
den besteht. Wer den Blick für das wirklich Originelle besitzt,
webt. Du kannst mit deiner
schen Poeten schier unmöglich, vom Spürsinne der literarischen
der wird schon in dieser Probe die Eigenart Willomitzers lich sein in einer solchen nich
Kritik unentdeckt zu bleiben. Seiner alten Gewohnheit treu, erkennen, dessen Werke von der ernst prüfenden Kritik längst nicht glücklich sein an der
wandert der deutsche Forschertrieb auch heute noch viel lieber zu den gehaltvollsten und quellfrischen Schöpfungen der deut¬
mit seinem dämonischen B#
im Auslande als in der deutschen Heimat umher und darum
deinem Namen Verbrechen a
schen Dichtkunst zugezählt worden sind.
E. P.
kann es auch nicht Wunder nehmen, daß fremdländischen Au¬
rina, ich bitte dich, ich beschn
toren die breitesten Wege zum deutschen Büchermarkte und in
Flieh mit mir in das h
die deutsche Lesestube gebahnt werden, während es im Reiche
zaubervollen Städtewunder
der heimischen Dichtkunst noch immer geschehen kann, daß
Flieh mit mir, und das Glü
Nord und Süd.“
unter der endlosen Schar, die zu den Höhen des Parnasses
beigesehnt, es wird sich dir
streben, einer oder der andere übersehen wird. Im allgemeinen
Wirf diese Krone von dir,
Von Josef Willomitzer †.
aber haben sich die deutschen Dichter unserer Tage nicht zu be¬
mächtig genug, um deine S#
Katharina II. stand am Fenster und ließ voll Unmut
klagen. Auch sie finden ihre Entdecker und die Verkünder
zu befriedigen und dein Bi
den Blick über die breit und mächtig hinströmende Newa
ihres Ruhmes. Wo immer eine Stimme oder auch nur ein
jenes der Schönheits=Göttin
gleiten.
Stimmchen sich im deutschen Dichterwalde erhebt, da ist flugs
überliefern. O, Katharina, K
Die Kaiserin war noch immer schön. Noch immer waltete
ein Impressario zur Stelle, der das verehrungswürdige
Mühsam rang die Kais
der Zauber ihres blauen Auges. Noch immer offenbarte ihre
Publikum auf den neuen Sänger und seine neue Art zu
sie mit Innigkeit des Künf
Haltung stolze Kraft. Aber Mißmut und Unbehagen sprachen
ssingen, aufmerksam macht. Das wäre gewiß ein recht löb¬
sie, „ich will dir folgen in je
aus ihren Zügen.
liches Beginnen, wenn das Neuartige, das neuen Talenten
du mit deinem Adlerblick in
Sergius Soltikow — Stanislaus Poniatowski —
von ihren Entdeckern und Schutzherren zugesprochen wird,
bin nicht glücklich in dieser
Gregor Orlow — Gregor Potemkin: — diese und ähnliche
wirklich immer etwas Neuartiges und Originelles wäre und
rischen Glanzes, und mir g#
Gedanken zogen ihr durch die Seele, stimmten sie düster
einer ernsten Prüfung stand halten könnte. Das aber ist sehr
kin, der mich beherrscht mit
und schwermutsvoll. Da öffnete sich die Tür und ein strup¬
Retter und Befreier und ich
selten der Fall und es ist begreiflich, daß das Publikum jene
piger, ungeschlachter Diener trat herein.
dringende Vorsicht ist gebote
Leistungen, die mit der grellen Marke „originell“ auf dem
„Der welsche Maler, den du hast kommen lassen,
mit Argusaugen, und es wär
Büchermarkte ausgelegt werden, mit wachsendem Mißtrauen
ist da!“ brummte er.
Plan erführe. Heimlich wolle
begegnet. Man war mit dem Epitheton: „neuartig“ zu frei¬
„Ah, Vecellio Tiziano!“ rief die Kaiserin. „Er ist
die heutige Mitternacht vorb
gebig und hat literarische Erzeugnisse mit einer Originalität
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willkommen!“
eine Strickleiter angebracht se
ausgestattet, die sie in Wahrheit nicht besaßen.
Der Italiener trat herein. Es war ein schöner Mann.
unbemerkt hierher zu komme
Das war keine beabsichtigte Irreführung, die Entdecker
Das Feuer des Südländers flammte aus seinem feingeschnite#wir dann beide das Palais
jener neuen Talente, die angeblich Neues, ja auch Epochules
tenen Künstlerkopf. Aber über seine edelgeformte Nase hatte
zeug, das uns nächtlicher Wei
zu sagen hatten und zumeist doch nur alte Gedanken in neue
die nordische Kälte einen blaurötlichen Schimmer gebreitet.
von hinnen trägt. Gern schlei
Formen gegossen haben, haben an die Originalität der Werke
Fröstelnd bebte das zierliche Ebenmaß seiner Glieder. Hinter
mit dir auf den Flügeln der
üihrer Schützlinge tatsächlich geglaubt. Es gibt eben in unse¬
ihm schleppte der Diener unwillig unterschiedliche Malerei¬
zu fliehen — frei und glückli
ren Tagen eine Kritik, die stolz über die Geschichte hinweg¬
gerätschaften herein.
Hingerissen staunte sie
sieht, die das Gewesene nicht kennt oder nicht kennen will, die,
„Seid mir bestens gegtüßt, mein lieber Tizian,“
bist du in diesem Augenblicke!
mit einem Worte, unhistorisch veranlagt, nicht vergleichen
rief die Kaiserin. „Wie gefällt es Euch in Sankt Peters¬
die siegreiche Göttin der Sc
kann und darum im besten Glauben Gedanken, Bestrebungen
burg?“
malen, so soll dein Antlitz
und Bekenntnisse für originell erklärt, die in ähnlicher oder

leuchten!“
„Maladetto,“ antwortete der Künstler und rieb sich
anderer Form längst schon dagewesen sind.
grimmig die Hände.
Und rasch eilie er zur
Das alles ist gesagt worden, weil hier von einem deut¬
aber im selben Angenklicke ful
„Ach ich verstebe Ihr findet es hier kalt Nun daran