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14. Der Schleier der Beatrice
süchtigem Schmerz, dass sie ihm nicht zu eigen ist, er ihr nur
von Tausend Einer ist. Ihre Seele ist nicht mehr rein, er kann
sie nicht mehr erschaffen; sie ist ihm die -Dirne ihres Traumse
und -Träume sind Begierden ohne Muthe. Er schickt sie fort
und auf ihre thränende Mädchenfrage: -Und niemals wieder?e,
hat er nur die herbe Antwort: „Im Leben nicht.e Da lächelt das
räthselhafte, untreu-treue Kind:
Fühl ich, dass ich nicht sein kann ohne dich,
Und hab’ zu sterben Lust, so komm' ich wieder,
Und nehm' dich mit.
Und das kleine schöne, nichtige Geschöpfchen geht mit
leichten Thränen nach Haus. Hier erwartet sie sorgend ihr
Bruder, der sie, einem treuen Manne ehelich verbunden, rasch aus
der verlorenen Stadt fortschaffen will. Sie willigt ein — wie
immer, wenn feste: Verlangen Gewährung von ihr heischt.
Da sie zur Kirche gehen, treffen sie den Herzog mit seinen
prunkenden Hofleuten. Der Lebenskünstler will auch den Tod,
den nahen, zu einem Genusse machen. Das schönste Mädchen
Bolognas soll ihm die letzte Nacht angehören. Und er sieht
Beatrice... Alles bietet er ihr an Gaben... Steine und einen
Schleier von wunderbarer Schönheit. Sie schweigt. Er sieht: „Ich
bin zu arm für Euch.
Da sagt sie: Es war zu wenig nicht, nur nicht das Rechte..
Sie will Herzogin werden. Erstarrt vor Schreck stehen die Höf¬
linge. Und während sie die strengsten Strafen für die Dreiste
vorschlagen, hat der Herzog sich entschieden. Er nimmt sie zum
Weibe. Es ist nicht allein die Begierde, die ihn zum Entschlusse
treibt, es ist wohl auch die tolle Hoffnung, dass ihre Schönheit
ihm ein -unverhofftes Glücks, einen Sieg schenken müsse. Und
er ruft zu seiner Hochzeitsfeier die Frauen Bolognas:
Der Herzog lädt Euch zu der Hochzeit ein,
Die er mit eurer schönsten Schwester feiert!
Kommt alle, ob ihr sonst im Treuen schlummert,
An eines Liebsten oder Gatten Brust,
Ob ihr in keuschen Betten einsam ruht,
Ob ihr von denen, die unstillbar Glüh'n
In jeder Nacht an neue Herzen drängt:
Kommt alle, nur seid schön!
Und während das wundersame Hochzeitsfest im Schlosse
tobt, kommt zu dem einsamen Dichter Andrea, der Bruder
seiner verlassenen Braut. Filippo ist von jener tiefen Selbst¬
peinigung zerrissen, der nur der grosse Künstler fähig ist. Er
hat das Unmögliche gewollt, sich eine Menschenseele zu bilden,
sie ganz sich zu eigen machen, und schmählich enttäuscht, ist
ihm nun sein Leben und seine Kunst ein geputztes Nichts. Er,
der in wirbelnden Leidenschaften Ertrinkende, sehnt sich nach
der ruhigen Kunst des Lebens:
Den, der heut seine Hochzeit feiert, neid’ ich,
Den Bentivoglio, der an jedem Tag
Sein Leben trinkt aus tausend klaren Quellen,
Und jede weckt den Durst und jede löscht ihn.
Ihn drückt der Stunde Last niemals zu schwer
14. Der Schleier der Beatrice
süchtigem Schmerz, dass sie ihm nicht zu eigen ist, er ihr nur
von Tausend Einer ist. Ihre Seele ist nicht mehr rein, er kann
sie nicht mehr erschaffen; sie ist ihm die -Dirne ihres Traumse
und -Träume sind Begierden ohne Muthe. Er schickt sie fort
und auf ihre thränende Mädchenfrage: -Und niemals wieder?e,
hat er nur die herbe Antwort: „Im Leben nicht.e Da lächelt das
räthselhafte, untreu-treue Kind:
Fühl ich, dass ich nicht sein kann ohne dich,
Und hab’ zu sterben Lust, so komm' ich wieder,
Und nehm' dich mit.
Und das kleine schöne, nichtige Geschöpfchen geht mit
leichten Thränen nach Haus. Hier erwartet sie sorgend ihr
Bruder, der sie, einem treuen Manne ehelich verbunden, rasch aus
der verlorenen Stadt fortschaffen will. Sie willigt ein — wie
immer, wenn feste: Verlangen Gewährung von ihr heischt.
Da sie zur Kirche gehen, treffen sie den Herzog mit seinen
prunkenden Hofleuten. Der Lebenskünstler will auch den Tod,
den nahen, zu einem Genusse machen. Das schönste Mädchen
Bolognas soll ihm die letzte Nacht angehören. Und er sieht
Beatrice... Alles bietet er ihr an Gaben... Steine und einen
Schleier von wunderbarer Schönheit. Sie schweigt. Er sieht: „Ich
bin zu arm für Euch.
Da sagt sie: Es war zu wenig nicht, nur nicht das Rechte..
Sie will Herzogin werden. Erstarrt vor Schreck stehen die Höf¬
linge. Und während sie die strengsten Strafen für die Dreiste
vorschlagen, hat der Herzog sich entschieden. Er nimmt sie zum
Weibe. Es ist nicht allein die Begierde, die ihn zum Entschlusse
treibt, es ist wohl auch die tolle Hoffnung, dass ihre Schönheit
ihm ein -unverhofftes Glücks, einen Sieg schenken müsse. Und
er ruft zu seiner Hochzeitsfeier die Frauen Bolognas:
Der Herzog lädt Euch zu der Hochzeit ein,
Die er mit eurer schönsten Schwester feiert!
Kommt alle, ob ihr sonst im Treuen schlummert,
An eines Liebsten oder Gatten Brust,
Ob ihr in keuschen Betten einsam ruht,
Ob ihr von denen, die unstillbar Glüh'n
In jeder Nacht an neue Herzen drängt:
Kommt alle, nur seid schön!
Und während das wundersame Hochzeitsfest im Schlosse
tobt, kommt zu dem einsamen Dichter Andrea, der Bruder
seiner verlassenen Braut. Filippo ist von jener tiefen Selbst¬
peinigung zerrissen, der nur der grosse Künstler fähig ist. Er
hat das Unmögliche gewollt, sich eine Menschenseele zu bilden,
sie ganz sich zu eigen machen, und schmählich enttäuscht, ist
ihm nun sein Leben und seine Kunst ein geputztes Nichts. Er,
der in wirbelnden Leidenschaften Ertrinkende, sehnt sich nach
der ruhigen Kunst des Lebens:
Den, der heut seine Hochzeit feiert, neid’ ich,
Den Bentivoglio, der an jedem Tag
Sein Leben trinkt aus tausend klaren Quellen,
Und jede weckt den Durst und jede löscht ihn.
Ihn drückt der Stunde Last niemals zu schwer