14: Der Schleier der Beatrice
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und Niedrig zur Parole. Renaissance=Stimmung! In lassen? In der Kirche, lügt sie. Nein, das ist nicht] eine einzige Nacht zusammengedrängt wird. Alles in
diesen durchaus gelungenen Rahmen fügt sich ein
möglich. Sie soll ihn, ihn ganz allein an die Stätte, allem bleibt dieser „Schleier der Beatrice“ ein sehr
Menschenschicksal nicht sonderlich ein. Beatrice Nardi
führen. Und Beatrice geleitet ihn in Filippo Loschis
redlicher Versuch, das Kostümstück, das uns in der
vervollständigt Schnitzlers Galerie der „lieben süßen
Gemächer. Tot findet der Herzog den verehrten Dichter
einförmigen Grau in grau=Malerei des Naturalismus
Mädel“. Die junge Bologneserin hat ihre wahre
am Boden. Beatricens Bruder aber, ein grimmiger
abhanden gekommen ist, mit modernen Mitteln neu zu
Heimat wohl in der Leopoldstadt. Sie ist ganz naiv
Soldat, ersticht in einer Vakentin=Wallung das
beleben.
treulos. Schmetterlingshaft flattert sie vom einen zum
„Luderchen“ wie Goethe sagen würde.
Wie alljährlich kehrte Frau Agnes Sorma zu
andern, kindlich, skrupellos. Den guten Vittorino, den
Man erkennt mühelos, daß diese Fabel aus ver¬
vorübergehendem Gastspiel ein, diesmal (sie hat bald¬
Gesellen in der Werkstatt ihres Vaters, soll sie heiraten,
schiedenen Reminiszenzen zusammengebraut ist. Das
sämtliche reichshauptstävtischen Bühnen abgegrast) im
damit sie in der Not der schweren Zeit versorgt sei.
Hauptmotiv des Schleiers hat natürlich Shakespeares
Berliner Theater. Es muß leider gesagt werden: die
Ihre Liebe gehört jedoch dem Dichter Filippo Loschi.
Desdemona hergeliehen. Was tuts? Beatrice selbst ist
Künstlerin hat eine gefährliche Nebenbuhlerin erhalten
Das hindert sie nicht, in ihren Träumen schon wollüstig
Schnitzlers geistiges Eigentum. Sie wird uns zu einer
in der Virtuosin. Wer sich jeden Abend sein Publikum
nach dem Herzog zu verlangen. Darob jagt sie Filippo
schönen Vertreterin der tragischen Unschuld, die Shake¬
erst erobern muß, neigt zu Uebertreibungen, die durch
aus seinem Hause. Als sie eben ihrem Standesgenossen
speare als erster gleichwertig neben die tragische Schuld
innigen Kontakt mit Hörern und Mitspielern einer
die Hand zum Bunde reichen will, tritt der Herzog
gestellt hat. Und durch den Mund Filippo Loschis er¬
Bühne gemildert werden. Ihre Kunst ist allzu bewußt
daher auf der Suche nach einem Liebchen, das ihm
hält der Begriff eine prachtvolle Verteidigung:
geworden. Die köstliche Naivität, die ihr eignete, mußte
die letzte Nacht (Borgia ante portas!) kürzen soll.
Es sei, daß Schuldigsein bedeutet: ew'gen
einer selbstherrlichen Willkür weichen. So scheute sie
Gesetzen unterworfen sein. Ists so,
Sein Blick fällt auf Beatrice. Nicht doch, Herzog, das
nicht davor zurück, als Beatrice in „Viel Lärm um
Dann wartet Schuld von Kindheit auf in uns,
wäre Schande: nur wenn sie sein rechtmäßig ange¬
Nichts“ Meister Shakespeare durch kleine Soloeinlagen
Wie unser Tod in unserm Busen harrt,
trautes Weib wird, soll er sie besitzen. Auf zur Kirche!
zu Hilfe zu kommen, die kein energischer Regisseur
So lang wir atmen. Wenn ich schuldig bin,
Laßt die Glocken läuten! Drinnen in der Werkstatt
dulden dürfte. Allerdings, diese Frau verfügt heute
So ist die Jugend ein Geschenk der Hölle,
erdolcht sich derweil der trostlose Bräutigam. Beatrice
noch über strahlende Reize, wie sie keine andere deutsche
Ist Schönheit Sünde und das Gück ein Gift,
rüstet sich zur Hochzeitsfeier. Ganz Bologna ist ein¬
So tückisch wie kein andres.“
Schauspielerin hat; und ihre Anmut siegt immer
geladen. Auf den Straßen flutet die frohe Menge.
Die Stelle mag zugleich Schnitzlers feine Sprach¬
wieder über alle Bedenken. Als Timandra überraschte
Beatrice ader stiehlt sich vom Mahle fort und eilt zu
behandlung illustrieren, der nur noch größere Fülle
sie durch neue Töne, die zwar ihre Kehle nicht willig
Filippo. Der, von ihrer Untreue angewidert, fordert
des Ausdrucks zu wünschen wäre. So mannigfachen
ergab, denen aber ungeahnte Ueberzeugungskraft inne¬
sie auf, gemeinsam mit ihm zu sterben. Und da sie,
Vorzügen stehen freilich auch schwerwiegende Mängel
wohnte. Keine Heroine vermöchte den momentanen
die Priesterin des Lebens, das weigert, trinkt er allein
gegenüber. Das Hauptgebrechen dieser interessanten
Umschlag vom liebenden Weib zur Löwin echter zu ver¬
den Giftbecher. Im Angesicht des Todes empfindet
Arbeit liegt in dem Mißverhältnis zwischen Vorsatz
körpern. Diese Wandlung wirkte so hinreißend, daß
Beatrice aber nur Ekel, wie König Alphonso in Grill¬
und Ausführung. Die Intentionen des Dichters sind
die Künstlerin das schwache Werk emportrug. Man
parzers „Jüdin von Toledo“. Sie stürzt davon, zurück
nicht völlig in die Erscheinung getreten. Viel Beiwerk
kann es nicht genug bedauern, daß Agnes Sorma die
in den Palast. Dort wird sie schon vermißt. Der
will zur Seite geschoben sein und überwuchert die
Selbstsucht des Stars nicht abschüttelt, um in strenzer
Herzog entdeckt sogleich, daß sie ihren Schleier, sein! Handlung. Diese büßt wiederum an Glaubwürdigkeit
Selbstzucht an einem Ensemble zu genesen.
Hochzeitsgeschenk, vergessen habe. Wo hat sie ihn ge= ein, dadurch daß ein Uebermaß von Geschehnissen in
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und Niedrig zur Parole. Renaissance=Stimmung! In lassen? In der Kirche, lügt sie. Nein, das ist nicht] eine einzige Nacht zusammengedrängt wird. Alles in
diesen durchaus gelungenen Rahmen fügt sich ein
möglich. Sie soll ihn, ihn ganz allein an die Stätte, allem bleibt dieser „Schleier der Beatrice“ ein sehr
Menschenschicksal nicht sonderlich ein. Beatrice Nardi
führen. Und Beatrice geleitet ihn in Filippo Loschis
redlicher Versuch, das Kostümstück, das uns in der
vervollständigt Schnitzlers Galerie der „lieben süßen
Gemächer. Tot findet der Herzog den verehrten Dichter
einförmigen Grau in grau=Malerei des Naturalismus
Mädel“. Die junge Bologneserin hat ihre wahre
am Boden. Beatricens Bruder aber, ein grimmiger
abhanden gekommen ist, mit modernen Mitteln neu zu
Heimat wohl in der Leopoldstadt. Sie ist ganz naiv
Soldat, ersticht in einer Vakentin=Wallung das
beleben.
treulos. Schmetterlingshaft flattert sie vom einen zum
„Luderchen“ wie Goethe sagen würde.
Wie alljährlich kehrte Frau Agnes Sorma zu
andern, kindlich, skrupellos. Den guten Vittorino, den
Man erkennt mühelos, daß diese Fabel aus ver¬
vorübergehendem Gastspiel ein, diesmal (sie hat bald¬
Gesellen in der Werkstatt ihres Vaters, soll sie heiraten,
schiedenen Reminiszenzen zusammengebraut ist. Das
sämtliche reichshauptstävtischen Bühnen abgegrast) im
damit sie in der Not der schweren Zeit versorgt sei.
Hauptmotiv des Schleiers hat natürlich Shakespeares
Berliner Theater. Es muß leider gesagt werden: die
Ihre Liebe gehört jedoch dem Dichter Filippo Loschi.
Desdemona hergeliehen. Was tuts? Beatrice selbst ist
Künstlerin hat eine gefährliche Nebenbuhlerin erhalten
Das hindert sie nicht, in ihren Träumen schon wollüstig
Schnitzlers geistiges Eigentum. Sie wird uns zu einer
in der Virtuosin. Wer sich jeden Abend sein Publikum
nach dem Herzog zu verlangen. Darob jagt sie Filippo
schönen Vertreterin der tragischen Unschuld, die Shake¬
erst erobern muß, neigt zu Uebertreibungen, die durch
aus seinem Hause. Als sie eben ihrem Standesgenossen
speare als erster gleichwertig neben die tragische Schuld
innigen Kontakt mit Hörern und Mitspielern einer
die Hand zum Bunde reichen will, tritt der Herzog
gestellt hat. Und durch den Mund Filippo Loschis er¬
Bühne gemildert werden. Ihre Kunst ist allzu bewußt
daher auf der Suche nach einem Liebchen, das ihm
hält der Begriff eine prachtvolle Verteidigung:
geworden. Die köstliche Naivität, die ihr eignete, mußte
die letzte Nacht (Borgia ante portas!) kürzen soll.
Es sei, daß Schuldigsein bedeutet: ew'gen
einer selbstherrlichen Willkür weichen. So scheute sie
Gesetzen unterworfen sein. Ists so,
Sein Blick fällt auf Beatrice. Nicht doch, Herzog, das
nicht davor zurück, als Beatrice in „Viel Lärm um
Dann wartet Schuld von Kindheit auf in uns,
wäre Schande: nur wenn sie sein rechtmäßig ange¬
Nichts“ Meister Shakespeare durch kleine Soloeinlagen
Wie unser Tod in unserm Busen harrt,
trautes Weib wird, soll er sie besitzen. Auf zur Kirche!
zu Hilfe zu kommen, die kein energischer Regisseur
So lang wir atmen. Wenn ich schuldig bin,
Laßt die Glocken läuten! Drinnen in der Werkstatt
dulden dürfte. Allerdings, diese Frau verfügt heute
So ist die Jugend ein Geschenk der Hölle,
erdolcht sich derweil der trostlose Bräutigam. Beatrice
noch über strahlende Reize, wie sie keine andere deutsche
Ist Schönheit Sünde und das Gück ein Gift,
rüstet sich zur Hochzeitsfeier. Ganz Bologna ist ein¬
So tückisch wie kein andres.“
Schauspielerin hat; und ihre Anmut siegt immer
geladen. Auf den Straßen flutet die frohe Menge.
Die Stelle mag zugleich Schnitzlers feine Sprach¬
wieder über alle Bedenken. Als Timandra überraschte
Beatrice ader stiehlt sich vom Mahle fort und eilt zu
behandlung illustrieren, der nur noch größere Fülle
sie durch neue Töne, die zwar ihre Kehle nicht willig
Filippo. Der, von ihrer Untreue angewidert, fordert
des Ausdrucks zu wünschen wäre. So mannigfachen
ergab, denen aber ungeahnte Ueberzeugungskraft inne¬
sie auf, gemeinsam mit ihm zu sterben. Und da sie,
Vorzügen stehen freilich auch schwerwiegende Mängel
wohnte. Keine Heroine vermöchte den momentanen
die Priesterin des Lebens, das weigert, trinkt er allein
gegenüber. Das Hauptgebrechen dieser interessanten
Umschlag vom liebenden Weib zur Löwin echter zu ver¬
den Giftbecher. Im Angesicht des Todes empfindet
Arbeit liegt in dem Mißverhältnis zwischen Vorsatz
körpern. Diese Wandlung wirkte so hinreißend, daß
Beatrice aber nur Ekel, wie König Alphonso in Grill¬
und Ausführung. Die Intentionen des Dichters sind
die Künstlerin das schwache Werk emportrug. Man
parzers „Jüdin von Toledo“. Sie stürzt davon, zurück
nicht völlig in die Erscheinung getreten. Viel Beiwerk
kann es nicht genug bedauern, daß Agnes Sorma die
in den Palast. Dort wird sie schon vermißt. Der
will zur Seite geschoben sein und überwuchert die
Selbstsucht des Stars nicht abschüttelt, um in strenzer
Herzog entdeckt sogleich, daß sie ihren Schleier, sein! Handlung. Diese büßt wiederum an Glaubwürdigkeit
Selbstzucht an einem Ensemble zu genesen.
Hochzeitsgeschenk, vergessen habe. Wo hat sie ihn ge= ein, dadurch daß ein Uebermaß von Geschehnissen in
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