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14. Der schleier der Reatrice
——
Wreis ano su•3
Acht oder neun Personen wurden zum Teil schwer verletzt.
ramtm.
Frau nicht bloß wie an einem Werkzeug der Lust, sondern an
vorgegangen ist. Die Ergebnisse der Rechnung können bei
le und heute so stark ver¬
einem schönen prachtvollen Spiel ergötzen, mit jener Nachsicht,
seiner Eigenart nicht überraschen; es kann nicht überraschen,
n Regungen der Menschen¬
die dem vollen Verstehen entspringt; ohne Eifersucht, ohne
daß sie mehr gewollt, als logisch sind. Werther liegt dem
Frund in jenem geheimnis¬
gereizte Eigenliebe, ohne falsche Beteuerungen, mit der Zu¬
Anatolschöpfer mehr am Herzen, als Don Juan. Sein Wer¬
s das ewige Lebensmotiv,
versicht dessen, der am Weibe auch dessen Rätsel und trügerische
ther ist ein melancholischer Dichter, der in seinem Hause zu
Daseins umhüllt und um¬
Wesenshülle liebt, aber sie nicht fürchtet, weil er sie durch¬
Bologna wie in einem Käfig der Reflexion gefangen sitzt.
soll im Dunkel bleiben,“
schaut. Denn diese sinnbildliche Bedeutung soll doch wohl der
Egoistisch, charakterschwach, ohne jede selbstentäußernde Seelen¬
eniew, einst warnend aus¬
wunderbare Schleier haben, den der Herzog seiner jungen
kraft und selbst untreu, bringt ihn ein Traum seiner jüngsten
ren des modernen Psycho¬
Braut verehrt. Aber seinem Willen gebricht es an Kraft und
Geliebten, eines noch halb kindhaften Mädels aus dem Volk
hhatte. Ein außerordentlich
Beatrice ihrerseits enthüllt ihr Wesen allzu unbedenklich,
von wunderbarer Schönheit, so außer sich, das seine Gefühle
Natur erkennt und respek¬
indem sie den Schleier sorglos bei ihrem Werther vergißt,
für sie plötzlich erlöschen und er sie von seiner Schwelle weist.
Ar besitzen die Instinktsicher¬
der ihretwegen in den Tod gegangen ist. Das entwertet
Das junge Ding hat nämlich geträumt, daß sie die Gemahlin
rechtigung dieser Warnung
sie auch in den Augen Don Juans, der sie nun ebenfalls ver¬
des Herzogs von Bentivoglio geworden sei, der eben in Bo¬
— selbst jene, die man Hu¬
lassen will. Jetzt geht sie in den Tod. „Denn wir (die
logna eingezogen ist, um die Stadt gegen den herannahenden
ist in gewisser Weise die
Männer) sind allzu streng — so nannten wir dein Tun Be¬
Borgia zu verteidigen. Untreu also, wenn auch nur im
umors. Wenn es zutrifft,
trug und Frevel. Und du warst ein Kind!“
Traum! Das leichtherzige, gutartige, flatterhafte Ding ver¬
die höchste Form der Ent¬
Aber auch dies Kind ist mehr ein Geschöpf der Reflexion
läßt den Dichter sehr erstaunt, aber ohne große Gemüts¬
sie Ausgeburt seelischer und
als der Intuition. Und Geschöpf eines Reflektierenden, der
bewegung. Und ihr Traum erfüllt sich; der Herzog — ein
Abnahme der Lebenskräfte
stark verwässerter Don Juan=Typ — erscheint auf dem Plan,
als Reflektant einst mannigfache Erfahrungen gesammelt
uch der Humor Schnitzlers
verliebt sich in die junge Beatrice und erhebt sie, da sie es
haben mag, die er nun in dieser Gestalt summiert. Kind
Ihm fehlen freilich die ge¬
nicht anders will, zu seiner Gemahlin (sehr unwahrscheinlicher
und Weib zugleich, bewußt und unbewußt, keusch und un¬
as Vorhandensein der auf¬
Weise freilich). Ebenso unwahrscheinlicher Weise verläßt das
keusch, treu in der Untreue, untreu in der Treue, ist Beatrice
an ihm schließlich die Trieb¬
junge Ding sofort nach der Trauung den Gemahl, um zu dem
voll Zärtlichkeit und Gleichgültigkeit zugleich, voll von Gegen¬
n, denen seine Werke ent¬
6n
sätzen und Widersprüchen, in allem Tun völlig triebhaft, denn
Geliebten zurückzukehren und mit ihm — zu sterben. Als
aß sie einen so großen Ein¬
Filippo jedoch die Probe aufs Exempel macht, erwacht ihre
die Zwiespältigkeit ihres Wesens verbirgt sich ihr selber
Publikum gewonnen haben,
durchaus. Und so wartet das schillernde, schöne, schmiegsam¬
Lebenslust sehr energisch und sie will wieder zu ihrem Ge¬
der Richtung des Verfalls,
mahl. Nun ja, Schnitzler will beweisen und beweist es des¬
Wesen, das man lieber moralfrei als unmoralisch nennen
sung.
halb kurzerhand: jedes Weib ist polyandrisch veranlagt. Dieser
mag, voll Einfalt und Grazie des Eroberers. Der Poet ist
ten Werk des elegisch=pessi¬
Erkenntnis, die Filippo mit einem Male aufdämmert, ist
es nicht, aber auch der Herzog enttäuscht ihre Erwartungen.
es an spezifischem Gewicht.
sein stets an Empfindsamkeit krankendes Herz nicht gewachsen
Auch ihm vergiftet Schnitzlersche Reflexion das Blut und
ick. Größe der Auffassung
und mit plötzlichem Entschluß begeht er — nicht etwa einen
macht ihm jene Eroberung unmöglich, die Beatrice, wie —
allzu seinen Gespinst ganz
Mord, was man ihm als heißblütigen und eifersüchtigen Ita¬
nach Schnitzler — jedes Weib erwartet, weil es gebändigt
heit sind die Grundzüge der
liener zutrauen würde — sondern vielmehr Selbstmord. Fi¬
werden, von seiner Zwiespältigkeit erlöst sein will. Drum
e Finsternis, die die unsicher
lippo ist nämlich gar kein Italiener, sondern eine neue In¬
eben läßt Schnitzler in seiner allegorischen Tiefsinnigkeit
rvösen Autors aufhellen will,
karnation Anatols; der kultivierte Alltagsmensch ist zum
Beatrice ebenso wählerisch=unschlüssig wie unablässig zwischen
die blenden statt beleuchten,
Poeten avanciert, dessen Handlungen ihm nicht nachgerechnet
Werther und Don Juan hin- und herwandern, selbst als es
heit. Das Milieu und die
werden dürfen, weil er nur die Ernüchterung versinnbildlichen
für die Wahl im moralischen Sinne schon zu spät ist. Schlie߬
an, aber das Motiv und die
soll, die den müßigen Kulturmenschen überkommen kann,
lich bleibt bei allen dreien nur der erotische Überdruß zurück..
modern, wie die modernen
wenn er derartige Enttäuschungen erlebt und nun den spie¬
Man erkennt: in seinem erotisch eingeengten Schaffensgebiet
ftschiff, ein Gleitboot. Auch
lerischen Unwert der eigenen Existenz nicht mehr ertragen
steht Schnitzler bewußt oder unbewußt unter dem Einfluß
ung nicht so genau und zu¬
mag.
einer bestimmten Zusammenfassung von Ideen und Emp¬
nwägbarkeiten handelt. Mo¬
findungen, die sich weit von der gesunden und einfachen Be¬
Diese Wendung entfärbt jetzt auch die übrigen Personen
die Zeit der Borgia und der
trachtung dieser Dinge entfernt haben. Darum sind seine
des Stücks zu Allegorien. Der Herzog, mehr Held, ist nicht so
Männer Schwächlinge, selbst wenn sie die Herzogskrone tragen,
raffiniert und vielseitig in seinen Empfindungen, als der
ück das Verhalten der beiden
und beim Weibe ist ihm jene naturwissenschaftliche Behaup¬
Dichter; er klügelt nicht, sondern möchte in Einfalt und Harm¬
charakterisierten Typen des
tung zum Verhängnis geworden, nach der es aller moralischen.
losigkeit genießen, was er an Glück erraffen kann, aber auch
gegenüber zeigen, das für
Erwägungen und Empfindungen bar ist, weil es sich einzig
er kann der lähmenden Wirkung der Reflexion nicht entgehen.
aber beides in kindlicher Un¬
sluna zeigt, wie schematisch er! Als er beschließt, Beatrice zu ehelichen, will er sich an derdurch die immanenten und ewigen Bedürfnisse der Gattung
14. Der schleier der Reatrice
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Acht oder neun Personen wurden zum Teil schwer verletzt.
ramtm.
Frau nicht bloß wie an einem Werkzeug der Lust, sondern an
vorgegangen ist. Die Ergebnisse der Rechnung können bei
le und heute so stark ver¬
einem schönen prachtvollen Spiel ergötzen, mit jener Nachsicht,
seiner Eigenart nicht überraschen; es kann nicht überraschen,
n Regungen der Menschen¬
die dem vollen Verstehen entspringt; ohne Eifersucht, ohne
daß sie mehr gewollt, als logisch sind. Werther liegt dem
Frund in jenem geheimnis¬
gereizte Eigenliebe, ohne falsche Beteuerungen, mit der Zu¬
Anatolschöpfer mehr am Herzen, als Don Juan. Sein Wer¬
s das ewige Lebensmotiv,
versicht dessen, der am Weibe auch dessen Rätsel und trügerische
ther ist ein melancholischer Dichter, der in seinem Hause zu
Daseins umhüllt und um¬
Wesenshülle liebt, aber sie nicht fürchtet, weil er sie durch¬
Bologna wie in einem Käfig der Reflexion gefangen sitzt.
soll im Dunkel bleiben,“
schaut. Denn diese sinnbildliche Bedeutung soll doch wohl der
Egoistisch, charakterschwach, ohne jede selbstentäußernde Seelen¬
eniew, einst warnend aus¬
wunderbare Schleier haben, den der Herzog seiner jungen
kraft und selbst untreu, bringt ihn ein Traum seiner jüngsten
ren des modernen Psycho¬
Braut verehrt. Aber seinem Willen gebricht es an Kraft und
Geliebten, eines noch halb kindhaften Mädels aus dem Volk
hhatte. Ein außerordentlich
Beatrice ihrerseits enthüllt ihr Wesen allzu unbedenklich,
von wunderbarer Schönheit, so außer sich, das seine Gefühle
Natur erkennt und respek¬
indem sie den Schleier sorglos bei ihrem Werther vergißt,
für sie plötzlich erlöschen und er sie von seiner Schwelle weist.
Ar besitzen die Instinktsicher¬
der ihretwegen in den Tod gegangen ist. Das entwertet
Das junge Ding hat nämlich geträumt, daß sie die Gemahlin
rechtigung dieser Warnung
sie auch in den Augen Don Juans, der sie nun ebenfalls ver¬
des Herzogs von Bentivoglio geworden sei, der eben in Bo¬
— selbst jene, die man Hu¬
lassen will. Jetzt geht sie in den Tod. „Denn wir (die
logna eingezogen ist, um die Stadt gegen den herannahenden
ist in gewisser Weise die
Männer) sind allzu streng — so nannten wir dein Tun Be¬
Borgia zu verteidigen. Untreu also, wenn auch nur im
umors. Wenn es zutrifft,
trug und Frevel. Und du warst ein Kind!“
Traum! Das leichtherzige, gutartige, flatterhafte Ding ver¬
die höchste Form der Ent¬
Aber auch dies Kind ist mehr ein Geschöpf der Reflexion
läßt den Dichter sehr erstaunt, aber ohne große Gemüts¬
sie Ausgeburt seelischer und
als der Intuition. Und Geschöpf eines Reflektierenden, der
bewegung. Und ihr Traum erfüllt sich; der Herzog — ein
Abnahme der Lebenskräfte
stark verwässerter Don Juan=Typ — erscheint auf dem Plan,
als Reflektant einst mannigfache Erfahrungen gesammelt
uch der Humor Schnitzlers
verliebt sich in die junge Beatrice und erhebt sie, da sie es
haben mag, die er nun in dieser Gestalt summiert. Kind
Ihm fehlen freilich die ge¬
nicht anders will, zu seiner Gemahlin (sehr unwahrscheinlicher
und Weib zugleich, bewußt und unbewußt, keusch und un¬
as Vorhandensein der auf¬
Weise freilich). Ebenso unwahrscheinlicher Weise verläßt das
keusch, treu in der Untreue, untreu in der Treue, ist Beatrice
an ihm schließlich die Trieb¬
junge Ding sofort nach der Trauung den Gemahl, um zu dem
voll Zärtlichkeit und Gleichgültigkeit zugleich, voll von Gegen¬
n, denen seine Werke ent¬
6n
sätzen und Widersprüchen, in allem Tun völlig triebhaft, denn
Geliebten zurückzukehren und mit ihm — zu sterben. Als
aß sie einen so großen Ein¬
Filippo jedoch die Probe aufs Exempel macht, erwacht ihre
die Zwiespältigkeit ihres Wesens verbirgt sich ihr selber
Publikum gewonnen haben,
durchaus. Und so wartet das schillernde, schöne, schmiegsam¬
Lebenslust sehr energisch und sie will wieder zu ihrem Ge¬
der Richtung des Verfalls,
mahl. Nun ja, Schnitzler will beweisen und beweist es des¬
Wesen, das man lieber moralfrei als unmoralisch nennen
sung.
halb kurzerhand: jedes Weib ist polyandrisch veranlagt. Dieser
mag, voll Einfalt und Grazie des Eroberers. Der Poet ist
ten Werk des elegisch=pessi¬
Erkenntnis, die Filippo mit einem Male aufdämmert, ist
es nicht, aber auch der Herzog enttäuscht ihre Erwartungen.
es an spezifischem Gewicht.
sein stets an Empfindsamkeit krankendes Herz nicht gewachsen
Auch ihm vergiftet Schnitzlersche Reflexion das Blut und
ick. Größe der Auffassung
und mit plötzlichem Entschluß begeht er — nicht etwa einen
macht ihm jene Eroberung unmöglich, die Beatrice, wie —
allzu seinen Gespinst ganz
Mord, was man ihm als heißblütigen und eifersüchtigen Ita¬
nach Schnitzler — jedes Weib erwartet, weil es gebändigt
heit sind die Grundzüge der
liener zutrauen würde — sondern vielmehr Selbstmord. Fi¬
werden, von seiner Zwiespältigkeit erlöst sein will. Drum
e Finsternis, die die unsicher
lippo ist nämlich gar kein Italiener, sondern eine neue In¬
eben läßt Schnitzler in seiner allegorischen Tiefsinnigkeit
rvösen Autors aufhellen will,
karnation Anatols; der kultivierte Alltagsmensch ist zum
Beatrice ebenso wählerisch=unschlüssig wie unablässig zwischen
die blenden statt beleuchten,
Poeten avanciert, dessen Handlungen ihm nicht nachgerechnet
Werther und Don Juan hin- und herwandern, selbst als es
heit. Das Milieu und die
werden dürfen, weil er nur die Ernüchterung versinnbildlichen
für die Wahl im moralischen Sinne schon zu spät ist. Schlie߬
an, aber das Motiv und die
soll, die den müßigen Kulturmenschen überkommen kann,
lich bleibt bei allen dreien nur der erotische Überdruß zurück..
modern, wie die modernen
wenn er derartige Enttäuschungen erlebt und nun den spie¬
Man erkennt: in seinem erotisch eingeengten Schaffensgebiet
ftschiff, ein Gleitboot. Auch
lerischen Unwert der eigenen Existenz nicht mehr ertragen
steht Schnitzler bewußt oder unbewußt unter dem Einfluß
ung nicht so genau und zu¬
mag.
einer bestimmten Zusammenfassung von Ideen und Emp¬
nwägbarkeiten handelt. Mo¬
findungen, die sich weit von der gesunden und einfachen Be¬
Diese Wendung entfärbt jetzt auch die übrigen Personen
die Zeit der Borgia und der
trachtung dieser Dinge entfernt haben. Darum sind seine
des Stücks zu Allegorien. Der Herzog, mehr Held, ist nicht so
Männer Schwächlinge, selbst wenn sie die Herzogskrone tragen,
raffiniert und vielseitig in seinen Empfindungen, als der
ück das Verhalten der beiden
und beim Weibe ist ihm jene naturwissenschaftliche Behaup¬
Dichter; er klügelt nicht, sondern möchte in Einfalt und Harm¬
charakterisierten Typen des
tung zum Verhängnis geworden, nach der es aller moralischen.
losigkeit genießen, was er an Glück erraffen kann, aber auch
gegenüber zeigen, das für
Erwägungen und Empfindungen bar ist, weil es sich einzig
er kann der lähmenden Wirkung der Reflexion nicht entgehen.
aber beides in kindlicher Un¬
sluna zeigt, wie schematisch er! Als er beschließt, Beatrice zu ehelichen, will er sich an derdurch die immanenten und ewigen Bedürfnisse der Gattung