II, Theaterstücke 14, Der Schleier der Beatrice. Schauspiel in fünf Akten (Shawl), Seite 535

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14: Der Schleier der Beatrice
nntag
Reichspost
Seite 11
24. Mai 1925
einum
direkt, ahne
Zugriff erfaßt, sondern allzu spielerisch behandelt, wie ja¬
Zwischenhande',
geist¬
daher 30 bis 40%
bei Schnitzler Liebe immer zur Liebelei wird, Sterben
Gummim.-Hänfer
sjahre
Ersparnis.
immer zu einer kapriziösen Komödiantenangelegenheit,
9 Uhr j Preise von K 145.000.
Größte Auswahl.
Trauer immer zu einer süßlichen Melancholie, von der
Industrie für Regenmäntellabrikation, V. Rechte
„Allweller“ wienzelle 93, 1. Stock, Hiallestelle Pigramprücke.
abeth.
auch dieses Stück ganz und gar durchtränkt ist. Den
grie¬
klaren Sien eines Stückes verschleiert er fast allemal mit
beid¬
wichtigtnerischer Philosophie, Einfallsarmut deckt er mit
Ort:
8200
schönrednerischem Wortprunk. In seiner ganzen Anlage.
Mai,
namentlich aber in seinem Schluß verrät dieses Schauspiel
starke Hinneigung zu Shakespeare. Einen eigenen, persön¬
NOLEUIR
ien V.
licheren Stil hat sich Schnitzler erst später geschaffen.
#fessor
Mariaalterstr. 35
Die Aufführung dieses Stückes, an dem man. von
FII. Mariehelierstr. 104
Xiv. Neriaulierstr 191
welcher Seite immer man es betrachten mag, wahrhaftia
I. Körninerstraß 63
.Juli
keine Freude haben kann, hat Direktor Herterich in
Aerr I wonrete 13
iesach,
seine persönliche Obhut genommen. Seine Regiearbeit,
ildigst
Spezial-Ausführung von Linoleum-Belagen
unterstützt von den märchenhaft schönen Bühnenbildern
Remigius Geylings, betont mit Glück vor allem
Silnige Preise
Beste Gualität
Juli
die romantischen Züge der Dichtung und gibt ihnen eine
estern,
fast über Gebühr edle Kraft. In der Rolle der Veatrice
dem
legte Frl. Wagener eine bedeutsame Probe ihres Kön¬
lichen
nens ab. Diese Gestalt scheint ihrem Wesen in seltsamer
en.
Art entgegenzukommen, wenngleich man die Aeußerlichteit
Theater, Kunst und Musik.
woch,
übersehen muß, daß Frl. Wagener in Aussehen und
listen:
Burgtheater.
Sprache allzu deutsch ist, um für eine richtige Italienerin
pern¬
gelten zu können. Interessant ist die Leistung des Herrn
hester.
„Der Schleier der Beatrice.“
Andersen als Philippo, der durch seine schwärmerische
Schauspiel von Arthur Schnitzler. — Erstaufführung am
Melancholie zu ergreifen wußte. In einem schönen, ge¬
ahrts¬
23. Mai 1925.
raben
messenen Gegensatz dazu die zwar gleichfalls schwermütige,
#nsen
aber mit Tatkraft und Entschlossenheit gepaarte Holtung
Dieses Stück dürfte an die fünfundzwanzig Jahre alt
des Herrn Aslan als Herzog. Aus der langen Reihe
sein. Wir gehören nicht zu den genauen und liebevollen
der anderen beteiligten Künstler, die fast durchaus un¬
Kennern der Schnitzlerschen Muse, die um die Entstehungs¬
seres Lobes würdig wären, seien etwa hervorgehoben der
geschichte seiner Werke besser Bescheid wissen als um jene
männlich stolze Andrea des Herrn Hennings, der
der Schillerschen Dramen. Erinnerlich ist uns nur, daß
n.
wunderliche Vater Nardi des Herrn Straßni. der
Herr Brahm am Deutschen Theater in Berlin schon vor
feurige Francesco des Herrn Lohner, der gutmütig
mehr als zwei Jahrzehnten mit diesem Schauspiel ziemlich
bürgerliche Vittorio des Herrn Philipp Zeska.
trübe Erfahrungen machte, weswegen man auch in Wien,
Die Wiener Schnitzlergilde benützte auch diesen nicht
wo man doch sonst diesen Propheten im Vaterlande wahr¬
eben glücklich gewählten Anlaß, um ihrem Dichter Ova¬
haftig zu schätzen wußte, die Hand davon ließ. Aber da
tionen darzubringen. Die Treue, sie ist eben doch kein
das Burgtheater einem ungeschriebenen Gesetz zufolge
leerer Wahn.
Herrn Schnitzler Jahr für Jahr seinen Tribut zollen muß,
so muß in Ermangelung eines neuen Werkes dieses alte
— Konzert der Dresdner Sänger. Der auf seiner
herhalten, das bestimmt nicht sein bestes ist. In mehr als
Sängerfahrt in Wien herzlich begrüßte „Dresdner
einem Belange hat er sich seither mit anderen Dichtungen
Orpheus“, einer der bekanntesten und ältesten (schon
übertroffen, so etwa in der Größe der historischen Vision
1834 gegründet) deutschen Männergesangvereine, veran¬
im „Jungen Medardus“.
staltete am 22. d. im Großen Musikvereinssaal ein großes
Im „Schleier der Beatrice“ soll die historische
Festkonzert mit Orchester, das unter der künstlerischen
Situation als drammatisches Moment mitspielen: Bologna
Leitung Dr. Heinz Knölls stand, eines Wiener
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ist von Feinden umzingelt. Morgen wird die Entscheidung
Musikers, der gegenwärtig als
Kapellmeister an der
fallen. Die Stadt ist in fieberhafter Erregung. Niemand
Dresdner Staatsoper tätig ist.
Sein Verdienst mag es
wagt an Rettung zu glauben. Der gewaltige Borgia steht
auch zum Teile sein, wenn diese sächsischen Sänger mit
vor dem Tore. Der junge Herzog von Bologna will diese Leistungen aufwarteten, die auch für die Stadt eines
letzte Nacht mit der schönsten Tochter der Stadt verbrin¬
Wiener Männergesangvereines und Schubertbundes als
gen. Er sieht die holde Beatrice, die Tochter des armen außerordentlich gute zu bezeichnen sind. Der „Dresdner
Wappenschneiders Nardi, und begehrt sie, doch folgt sie ihm
Orpheus“ verfügt nicht nur über ausgezeichnetes Stim¬
erst, nachdem er sie in rascher Vermählung zur Herzogin
menmaterial, namentlich profunde, tragende Bässe, son¬
gemacht hat. Sie entweicht ihm aber vom Hochzeitsfeste
dern auch über eine bemerkenswerte Chordisziplin, die
und eilt zu ihrem geliebten Dichter Philippo, der sie vor
sich in der Sicherheit der Einsätze, der Klangreinheit der
wenigen Stunden verstoßen hat, da sie ihm erzählte, wie
Stimmführung und der prächtigen Dynamik sowie der
seltsam sie vom Herzog geträumt. Zwischen ihren beiden
hervorragenden Aussprache äußert. Der künstlerische
Abenteuern mit dem Dichter und dem Herzog wäre
1
Gesamteindruck übertraf den, den die Leipziger Sänger
Beatrice beinahe die Gattin eines kleinen Gewerbs¬
und der Neebsche Männerchor in Wien hinterlassen haben.
mannes geworden, dem sie seit langem versprochen ist.
Auch die Vortragsfolge stand auf ansehnlicher Höhe, wenn
curt
Eben wollte sie mit ihm zur Trauung gehen, da trat der auch vielleicht der orchestrale Teil etwas zu stark in den
str. 42
Herzog dazwischen. Nun aber wird sie durch einen ihr
Vordergrund trat. Besonderes Lob gebührt dem Diri¬
selber unerklärlichen Zwang von der Hochzeitstafel weg
genten, der feinfühlig aus Chor und Orchester prächtige
zu dem Dichter zurückgeführt. Von Ekel und Lebensüber¬
Leistungen hervorholte. Er verstand es, jedes einzelne
druß gequält trinkt Philippo den Giftbecher. Beatrice hat Vortragsstück klangplastisch und dynamisch ganz prächtig
nicht genug Kraft, ihm in den Tod zu folgen, sie will
herauszuarbeiten. Der erste Teil des Programms enthielt
leben und eilt zum Herzog zurück, wobei sie den kostbaren
einleitend Regers schwieriges „Requiem“ für acht¬
Schleier vergißt, den sie als Hochzeitsschmuck erhalten.
stimmigen Männerchor a cappelli mit Orgeleinleitung
Ihre lange Abwesenheit wurde bemerkt, ihre Ausreden und Finale, das glänzend gemeistert wurde. Den Orgel¬
werden als Lügen durchschaut und der Herzog zwingt sie part spielte unser Wiener Meister, Herr Domorganist
# Ope:
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