II, Theaterstücke 14, Der Schleier der Beatrice. Schauspiel in fünf Akten (Shawl), Seite 604

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14. Der Schleien der Bestrice
Burgtheater=Première.
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ernster, sagte mir Franz, welcher
Dörmann, filtenberg. Bahr, Ebermann, Schnitzler.
glaubt, daß ihn die engen, manch¬
mal wohl unerquicklichen Verhält¬
nisse Wiens bedrücken.
Franz meint, er möchte um
keinen Preis der Welt ein Wiener

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Dichter sein. Keine Stadt der Welt
benehme sich so unfreundlich und


gehässig gegen ihre Dichter — aber
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ich glaube, Franz übertreibt, und er

geree
möchte doch ganz gern ein Dichter
sein, selbst auf die Gefahr hin, ver¬
kannt und angepöbelt zu werden —
weißt Du, hart ist es doch, daß
das Burgtheater nicht den Mut
besessen hat, Schnitzlers Versstück
Beatrice“ aufzuführen. Franz sagt,
Kainz wäre schuld, dem hätte das
Stück nicht gefallen. Ich ärgere
mich immer, wenn Schauspieler über
ein Stück urteilen und Meinungen
SRR TWENSRVNSNLE
haben dürfen. Schauspieler verstehen
doch am allerwenigsten ein Stück, und
Eine Blattseite aus der secessionistischen Zeitung
der Concordia vom 17. April 1899.
vielleicht Kainz am wenigsten, der seine
Leben in den Gängen des Parketts und Meinungen so rasch wie seine Stimmungen
und Hemden wechselt. Weißt Du noch, wie
zwischen den Logen ist in Wien viel leb¬
hafter entwickelt wie bei uns. Man hat das er sich einmal bei uns für das öde Stück
„Die Könige“ begeisterte, das dann so jäm¬
Gefühl, in einem großen Salon zu sein, in
dem sich alle Leute kennen. Zwei Logen von merlich durchfiel — und mit Recht. Nun,
mir entfernt saß Marie Engenie delle Schnitzler ist ja Gott sei Dank noch jung,
Grazie. Eine mittelgroße, zarte Erscheinung wird noch sehr viel schreiben, und was die
mit einem blassen, beweglichen Gesicht, einer
eleganten, leichtgebogenen Nase und einem
energischen, zusammengepreßten Mund. Ich
mußte unwillkürlich an einen herben Kraben¬
kopf des Trecento denken. Diesem Kopf glaubt
man seine Werke, über diese Lippen konnten
die wilden Versfluten des „Robespierre“ ge¬
rollt sein, und hinter dieser tiefernsten Stirn
wohnte die Energie, die alle Gedankenwelten
durchforscht, um sich ihr aufgehäuftes Gold
eigen zu machen und es in neuer Prägung
weiter zu schenken. Neben ihr ein blasses,
durchgeistigtes bartloses Antlitz: Laurenz
Müllner, Priester und Philosoph, Professor
und ehemaliger Rektor der Universität, der
Mentor, sagt man, und der Lehrer delle Grazies.
Den vielumschwärmten, ach so interes¬
santen Arthur Schnitzler erkannte ich
natürlich, ohne Vetter Franz zu brauchen; er
ist ja in Berlin gerade so oft und gern ge¬
sehen wie in Wien. Er wäre mein Ideal,
wenn er ein bißchen schlanker wäre. Schnitzler
Hugo von Hofmannsthal.
sah sehr ernst aus, er wird überhaupt immer