II, Theaterstücke 11, (Reigen, 0), Reigen. Zehn Dialoge, Seite 149

11. Reigen
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Wir und die „Freistalt“.
Da die „Freistatt“ auf unsere offizielle Erklärungs) nichts Stichhältiges
erwidern kann, wirft sie uns ein paar alberne, nicht zur Sache gehörige Bemerkungen
und freche Lügen auf den Weg.
Albern nennen wir die Behauptung, die „Freistatt“ hätte uns „eine kleine
Rüge erteilen müssen“ weiters: unsere Auslassungen seien „recht schlecht stilisiert",
endlich: die Redaktion der „Freistatt“ habe „durchaus nichts mit den Inseraten zu
tun“. Die freistättische Jugend hat entschieden Anlage zum Größenwahn, so sie
ernstlich glaubt, sic wäre berufen, „Rügen zu erteilen“. Ob unsere Erklärung schlecht
oder gut stilisiert war, geht die Herren einen Pfifferling an; wir haben ja auch
nicht nachgeschnüffelt, wie viele stilistische Uebertretungen und Verbrechen Freistatt¬
recht genießen. — Was die Ablehnung jeder Verantwortlichkeit für die Inserate
anbelangt, so wissen wir nunmehr ganz klar, was von der „Freistatt“ zu halten ist.
Die rechte Hand weiß nicht, was die linke tut: der Standpunkt der echten Jour¬
naille. Bequem und rentabel; ins Polnische übersetzt: Nie honorowo, ale zdrowo.
Die Behauptung, daß der eine Herausgeber der „Neuen Bahnen“ Stauf von
der March sich gegen die „Freistatt“ gewendet habe, ist eine fanstdicke Lüge. Die
Erklärung rührt von der gesamten Schriftleitung her und bezog sich vor allem
nicht auf den Inseratenteil der „Freistatt“, wie die Herren glauben machen wollen,
sondern auf die Unterstellung der „Denunziation“. — Daß die „Herren Schriftleiter
der „Neuen Bahnen“ damit beschäftigt sind, mit bombastischen (!) Anzeigen
ihrer eigenen Werke den Umschlag des Blattes auszufüllen“ ist dito eine Luge
und zwar eine der unverschämtesten.
Wir können somit nicht umhin, den (oder die) Schreiber der freistättischen
Notiz für Lügner und Fälscher von Tatsachen zu erklären.
Wien, 7. Juli 1903.
Die Schriftleitung der „Neuen Bahnen“.
Wir bemerken hier, daß Törnsees Artikel „Sehr geehrter Herr Staatsanwalt“
auch den hiesigen Blättern „Don Quixote“ und „Die Wage“ Gelegenheit ge¬
boten hat, einesteils uns eine recht boshaft gemeinte, aber recht harmlos ausgefallene
Schelte anzuhängen, andernteils für den armen Mann aus Anatolien, den Martyr
Schnitzler in die Jerichoposanne zu stoßen. Merkwürdig ist es, daß die Herren
Autoren über die eigentlichen Gründe der Veröffentlichung jenes Artikels sich
behaglich ausschweigen. Wir sind in den Augen des Herrn Ritters von der
traurigen Gestalt „Mucker, Denunzianten, Vernnreiniger deutscher Geistes=Freiheit“
und weiß Teufel was noch. Der gute Don belehrt uns, daß „die Menschen nicht
aus dem Durchblättern von Gebetbüchern entstehen“ (Gott, was vor e Lotzelach!!)
und ruft schließlich in der Pose eines alttestamentarischen Propheten Weh' und Zeter
über uns:
Schmach über jedes nationale Empfinden, das sie (die Kunst) zu besudeln gebietet und
seine Sittlichkeit sich von Herrn Bobies schützen läßt! Das ist nicht deutsch, sondern pfäffisch¬
polizistenhaft=österreichisch!“
*) Seite 374.