II, Theaterstücke 11, (Reigen, 0), Reigen. Zehn Dialoge, Seite 244

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Reigen
Theater und Kunst.
Der 1000 Kronen=„Reigen“.
Die Frage, ob die Bühnengestaltung des
„Regen“ aus künstlerischen Sunden ersolgte
oder oo die geschaftliceisonjunt¬
tur für erotische Stuge“ die Wialoge aus
Rampenlicht bringt: für Wien sist die Frage
entschieden. Die Eindeut g.eit, nft der sich die
D.rektion der Kammerspiele zu dem Geschafts¬
stanspllnkt belenlit, muß nuch den Bertiner
Distussionen sehr wundernehmen. Es wird
nicht nur eine öffenlliche Generalprohe mit
enem einheitlichen 1000=Kronen=Einirlits¬
preis, nicht oloß die Premiere zu exorbitanten
Premieren verunstaltet, später soll der „Rei¬
gen“ sowohl allabendlich als normale
Vorstellung als auch als tägliche Nacht¬
Natürlich
vorstellung gespielt werden.
auch zu „besseren“ Pre sen. Es ist geradezu
grotesk, daß außer der Kritik nur noch Schie¬
der bei Generalprobe und Premiere anwesend
sein sollen und durch zweimal tägliche Auf¬
führung das Geschäft in bisher noch nicht
dagewesener Weise über alle anderen Forde¬
rungen triumph ert Was sagt Artur Schnitz¬
ler dazu?
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Thegten und Kunst.
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„Reigen in den Kammerspieten.
Die gestrige Generalprove.
So ist denn „Reigen“ diese viel¬
Artur
die
verlästerte Szenenreihe,
Schnitzler in iungen Jahren in einem
Büche mebergelegt, das sozusagen zu den ver¬
botensten seiner Zeit zählt, auch in Wien im
Rampenlicht einer Bühne erschienen. Und
obgleich dieser Aufführung keine Protestrufe
und sonstige Reklamestöße wider Willen
vorangegangen, hat schon die Generalprobe in
im Zeichen der
den
„Sensation“ sich vollzogen.
Der Höhepunkt der Szene ist immer der¬
selbe. Er kundigt sich dadurch an, daß die Bühne
vollkommen verdunkelt wird und eine Zeitlang
wie ein schwarzer Riesenfleck dem Publikum
entgegenstarrt. Und man fühlt es immer als eine
Erleichterung, daß der Beleuchtungsinspektor
dem Dichter in die Arme fällt. .. Namentlich
die ersten im nächtlichen Prater sich ab¬
spielenden Szenen flößen arges Unbehagen
ein. Später, wenn der „Reigen“ in die Sphare
gebildeter Menschen gerät, spielen sich die
Dinge nicht mehr so brutal ab. Auch lenkt der
Dialog, aus dem der Geist eines dichterischen
Menschen= und Weltenbeschauers zu sprechen
beginnt, die Aufmerksamkeit von Scheußlichem
ab. Wenn es auch — im Boudoir geradest wie
auf der Praterwiese — auf der Bühne kohl¬
rabenschwarz werden muß.
Man hat

Schnitzlers „Reigen“ vielfach als ein seiner
unwürdiges, schamloses Machwerk verschrien.
In der gezähmten Gestaltung der Bühne
treten die Brutalitäten mehr zurück.
Womit aber nicht gesagt werden soll,
daß es ein Bühnenwerk ist. Im Gegenteil! Es
fehlt ihm jede dramatische Seele. Es ist eine
Szenenreihe gegen die Bühne, was schon
daraus sich ergibt, daß die Höhepunkte regel¬
mäßig nur völlig wort= und lichtlos möglich
sind. Jawohl, der „Reigen“, hätte im Buck
bleiben sollen. Aber er wird trosdem viele
Aufführungen erleben, denn die Leute werden
ihm „wegen der Pikanterie“ zuströmen, so wie
sie es getan haben, als Wiens kleinste Bühne
Henry Lavedans ebenso theaterwidrige und
ebenso gewagte Szenenreihe „Das Bett“
brachte.