II, Theaterstücke 11, (Reigen, 0), Reigen. Zehn Dialoge, Seite 644

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Reigen
Der Reigen, arngen S hitsie e lilet sn esilen
Schreiben an Direktor Bernau folgendes:
box 17/7
Ich werde die Wiederaufnahme der „Reigen“=
Vorstellungen an den Kammerspielen — oder
irgend einer anderen Wiener Bühne — nur dann gestatten,
wenn die hier in Betracht kommenden Behörden,
die selbstverständlich nach reiflicher Ueberlegung das Verbot
erlassen und es nun, selbstverständlich nach ebenso reiflicher
Ueberlegung, aufgehoben haben, sich geneigt erklären, die Dar¬
steller und das Publilum sowohl vor Ausbrüchen mehr oder
minder echter sittlicher Entrüstung als auch vor angezettelten
Pöbeleien zu schützen, und wenn diese Behörden überzeugt sind,
solche Schutzmaßnahmen, wie es in anderen zivilisierten
Städten gelungen ist, mit Sicherheit praktisch durchführen zu
können. Ehe nach dieser Richtung hin die mir im Interesse der
Darsteller und des Publikums notwendig erscheinenden
Garantien nicht vorliegen, erhebe ich in aller Form Protest
gegen jeden Versuch einer Wiederaufnahme meiner Szenen¬
reihe „Reigen“ in den Spielplan der Kammerspiele, was ich
Sie, verehrtester Herr Direktor, freundlichst zur Kenntnis zu
nehmen bitle. Mit herzlichem Gruß u. s. w.

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Voreinem beri
des, Reigen
Die Polizei will eventuell weilere Aufführungen verbieten.
Die Störungen, die gestern die Vorstellung
der Privatbeamte Alfred Stachel¬
des „Rezgen“ in“ den Kammerspielen getroffen
berger,

der Postoffiziant Bundi,
haben, dürften, wie wir erfahren Eben, erst
der Optiker Franz Hermanu,
der Begin#einee Phag mäDpen Stö¬
rung' ället Vorstelluhgen dieses
der Schlossergehilfe Anton
[Kramer und
Stückes sein. Die Folge dahon ist, daß die
ein Privatbeamter.
Polizei plant, die
weiteren Aufführungen des eigen zu verbellg
Der Optiker Franz Hermann
äußerte sich zu einem unserer Mitarbeiter sol¬
wenn sich die Rahestörungen wiederholen
gendermaßen:
sollten.
Ein solches Erbot der Polizei hätte natür¬
„Ich kenne das Stück nicht, ich
lich nichts mit der literarischen Wertung des
habe keine Aufführung gesehen und habe
Stückes zu tun und wäre lediglich eine Sicher¬
heitsmaßnahme, zu der die Landesregierung
Kritik habe ich gelesen. Auch die anderen
Wien=Land noch das letzte Wort zu sprechen
fünf Herren, die mit mir verhaftet worden
hätte. Wiederum ohne Ansehung des in Frage
sind und die gleich mir der Orel=Partei ange¬
stehenden Stückes muß doch das Bedenken ge¬
hören, kennen das Stück nicht. Aber
äußert werden, ob die Polizei durch ein solches
ein Kollege, der nicht mit verhaftet worden ist,
Verbot nicht ein gefährliches Präjudiz
hat uns erzählt, was drinnen vorgeht. In
schaffen würde.
unserer Zeit, wo die Moral und alles ganz
herunter ist, wollen wir, daß das Theater eine
Wenn zum Beispiel gegen eine Burgtheater¬
Bildungsstätte ist. Wei wir eine idealistische
aufführung von „König Ottokars Glück
Auffassung vom Theater haben. Und deshalb
und Ende“ die tschechischen Bewohner
lassen wir den „Reigen“ nicht
Wiens oder gegen eine Aufführung von „Ein
spielen. Die gestrige Demonstration kam
Bruderzwist in Habsburg“ irgend¬
folgendermaßen zustande: Wir haben „Urania“=
welche legitimistischen Vereine demon¬
Abend gehabt und haben beschlossen, jetzt gehen
strieren würden, müßte die Polizei folgerichtig
wir hin und demonstrieren gegen den „Reigen“.
den Sicherheitsstandpunkt annehmen und wei¬
Und so haben wir's auch getan. Die gestrige
tere Aufführungen verbieten, wobei ein solches
Kundgebung war noch lange nicht die
Verbot einen höchst merkwürdigen Beigeschmack
letzte. Wir werden weiter demon¬
bekäme.
strieren, auch andere Gruppen wer¬
Ebenso könnte es irgendeinem mißgünstigen
den die Aufführung des Stückes
Theaterdirektor einfallen, die Vorstellung eines
stören. Soviel ich weiß, wird auch die
Kollegen, dessen Theater besser geht, durch
„Reichspost“ etwas veranstalten — wir
irgendwelche gedungenen Leute solange stören
haben mit der „Reichspost“ nichts zu tun,
zu lassen, bis die Polizei aus Sicherheits¬
wir haben selbständig gearbeitet — und
gründen weitere Vorstellungen verbietet.
ich hab' auch gehört, daß eine Massenver¬
Die sechs Verhafteten
sammlung und eine Massenkund¬
gehören durchwegs der deutschen Volks¬
gebung gegen den „Reigen“ geplant ist.
partei [Orel=Partei) an. Es sind dies:
Was sie in München durchgesetzt
Der Privatbeamte Rudolf Stachel¬
haben, werden wir in Wien auch
berger,
treffen.“