II, Theaterstücke 11, (Reigen, 0), Reigen. Zehn Dialoge, Seite 784

11. Reigen
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Zukunft, Berlin. 29 JHfiilAR 132
Erfrorener Frühling
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ner fremder Sünde, vergleicht. Die Preußenwahl bringt nach
Menschenvoraussicht dem Königthum, mindestens aber dem
nach Rachekrieg dürstenden Nationalismus eine unzerrüttbare
Mehrheit. Unsere Geistigen umwölkt solche Sorge nicht. Prä¬
sident oder Minister der Republik: wäre ja schön. Doch die
höheren Klassen des Rothen Adlers haben auch ihre Reize.
Denn: „wie man auch zu Bismarck stehen mag...
Eine sittliche That
In dem von der Staatlichen Hochschule für Musik er¬

betenen, am achten Januar hier veröffentlichten Gutachtenhatt:
ich die Ueberzeugung ausgesprochen, durch die szenische Vor¬
führung der „Reigen“ betitelten Koitusgespräche und durch
diesem ähnlichen „Lustbarkeitbetrieb“ werde die Freude an
edler, freier, froh über alle Ränder von Sitte und Brauch auf¬
schäumender Sinnenregung erwürgt. Der selben Meinung ist
die Sechste Civilkammer des berliner Landgerichtes III. Denn
sie hat, wider den Antrag des Hochschulleiters Professor Franz
Schreker, den Wunsch der Frau Berneis-Eysoldt und des Herrn
Sladek, ihrem Kleinen Schauspielhaus die Vorführung der
Dialoge zu gestatten, mit einer Urtheilsbegründung erfüllt,
deren Logos und Logik nicht in Dunkel verduften darf.
„Die Hochschule für Musik hat den Antragsgegnern ihren
Theatersaal, jetzt Kleines Schauspielhaus genannt, für schau¬
spielerische Zwecke vermiethet. Der Vereinbarung gemäß „dür¬
fen nur solche Stücke aufgeführt werden, die in sittlicher, re¬
ligièser, politischer oder künsilerischer Hinsicht keinen Anstoß
erregen“. Auf Grund dieser Bestimmung ist durch einst¬
weilige Verfügung die Aufführung des Stückes „Reigen“ von
Arthur Schnitzler verboten. Dennoch haben die Antragsgegner
dieses Stück seither täglich oder fast täglich gegeben. Sie be¬
antragen Aufljebung dieser einstweiligen Verfügung.
Schnitzlers Buch besicht aus zeln Bildern. In jedem Bilde
treten nur zwei Personen auf, die je zweimal und jedesmal
mit einer neu auftretenden Person die geschlechtliche Vereini¬
gung vollziehen, außer im letzten Bild, wo diese Vereinigung
unmittelbar zuvor Statt gefunden hat. So tritt jede Person in
zwei aufeinanderfolgenden Bildern auf; nur die Dirne, den
Reigen schließend, steht im ersten und letzten Bild. Das Buch
bietet eine Fülle von Geist und von Feinheit. Kühne, knappe
Sätze zergliedern alle Tiefen der geistigen Verfassung und des