11.
Reigen
box 18/1
1. Beilage des Berliner Börsen-Courier Nr. 55.
Donnerstag, 3. Februar 1921.
5
wächst für mich die Möglichkeit, unser beider Wünsche
Schnitzler über „Reigen“
Entschiedenheit verwahre, das ist der Versuch, gerade
nach meiner Regie zu erfüllen. Sie dürfen jedoch in
Max. Reinhardt, der als Erster meine eigene Mei¬
jedem Fall versichert sein, daß ich aus den schon
In dem Prozeß der Hochschule für Adar
nung von der Nichtaufführbarkeit des „Reigen“ ins
wiederholten Gründen mein
gegen die Direktion Eysoldt=Sladek hat Maxi¬
volles künstlerisches
Wanken gebracht, meinen eigenen Bedenken gegen¬
milian Harden als Gutachter heftige Augriffe
Interesse Ihrem Werk widmen werde und unbedingt
gegen Schnitzler gerichtet. Im „Neuen Piener
über die Aufführung des „Reigen“ nicht nur für
dafür Sorge trage, daß es auf dem höchsten künst¬
Journal“ hat Schnitzler diese Angriffe irheinem
lerischen Niveau herauskomme.“
„künstlerisch opportun“, sondern für „unbedingt wün¬
Feuilleton unter dem Titel Berichtigung
schenswert“ erklärt hat, als Eidesheifer gegen die
Auf diese Zusicherungen hin schloß ich mit Max
zurückgewiesen, das uns zum Abdruck zur Ver¬
künstlerische und moralische Zulässigkeit eines Experi¬
Reinhardt einen Vertrag, nach welchem der „Reigon“
fügung gestellt wird.
ments anzurufen, als dessen geistiger Initiator er in
bis spätestens 31. Januar 1920 an einer seiner
Niemals hat es mich sonderlich gelockt, auch wo
jedem Falle gelten muß — mögen auch äußere Um¬
Bühnen zur Aufführung kommen sollte. Der Termin
ich einem Urteil, war es gut oder böse, mit Interesse,
slände ihn verhindert haben, zu denen ich nach Rein¬
wurde, wie das im Theaterleben zuweilen vorkommt,
dem Urteilenden, wie es diesmal der Fall ist, ob
hardts Briefen, die ich in ihrer ganzen ausführlichen
versäumt, eine kurze Zeit hindurch schienen die poli¬
Freund oder Feind, mit Respekt gegenüberstehen
und überzeugenden Herzlichkeit hier nicht wiederholen
tischen Verhältnisse für eine Aufführung des „Rei¬
durfte, mich in Diskussionen über Wert oder Unwert
konnte, die Abmahnungen Maximilian Hardens
gen“, worüber ich mit Reinhardt eines Sinnes war,
meiner Arbeiten oder gar über meine ethischen Qua¬
keineswegs zu rechnen vermag —, das Experiment,
nicht sehr günstig zu liegen, und im Frühjahr 1920
lifikationen einzulassen. Aber nicht nur müßig, son¬
so wie er ursprünglich gesonnen war, persönlich und
drang ein Gerücht zu mir, daß Reinhardt mit einer
als erster zu wagen.
dern geradezu unwürdig erschien es mir, mich und
andern Berliner Theatervirektion verhandle, die den
Artur Schnitzler.
mein Werk gegen unfaß= und ungreifbare Anschuldi¬
„Reigen“ in den Kammerspielen zur Aufführung
*
gungen verteidigen zu wollen, wie etwa die, daß ich
bringen solle. Auf mein Ersuchen um Aufklärung
„einer Literatenplejade angehöre, die von der Gunst
wurde mir von Reinhardt am 24. April folgende
einer ihr durch mancherlei Interessensträhne verbün¬
Antwort zuteil: „Bezüglich des „Reigen“ möchte ich
dete Rezensentenzunft mit Lob aufgepäppelt wurde“,
Ihnen mitteilen, daß von mehreren Seiten allerdings
oder daß ich mich „in die Sucht verirre, Wirkung,
an mich herangetreten worden ist, das Werk freizu¬
die meine Kunst nicht zu erlangen vermöge, aus ent¬
geben. Jede Unterhandlung in der Richtung ist von
lehntem, künstlich erhitztem Erotenreiz zu erbrüten“
vornherein von mir abgelehnt worden. Ich habe
und, „diesen Reiz klug nutzend mit Talentaufwand,
niemals daran gedacht, dieses Stück einer anderen
von dem anderer Stoff noch nicht genießbar würde,
Bühne zu überlassen Ich habe immer an der Ab¬
einem großen Publikum den Gaumen kitzeln könne“.
sicht festgehalten, das Werk selbst zu inszenieren.
Hätte Maximilian Harden auch nur einen der Rezen¬
Daran hat sich nichts geändert.“
senten zu nennen gewußt, mit denen ich angeblich
So Max Reinhardt. Maximilian Harden aber
durch Interessensträhne verbunden war oder bin und
weiß in seinem Artikel folgendes zu berichten: „Der
sich über die Art dieser Interessen mit genü¬
mit der Verantwortlichkeit für ein großes Heer An¬
gender Deutlichkeit auszusprechen beliebt; hätte er
gestellter Bebürdete, von der Sorge für den über alles
aus den zahlreichen Sachen, die ich geschrieben eine
Erwarten hinaus verteuerten Riesenbau des Großen
oder die andere herausgegriffen, mit der ich seiner
Schauspielhauses bedrückte Künstler Max Reinhardt
Meinung nach einem großen Publikum den Gaumen
war überredet worden, sich das Aufführungsrecht für
kitzeln wollte, dann wäre es — ich will nicht gerade
seine Kammerspielbühne zu sichern („sonst erwirbt es
sagen, der Mühe wert — aber doch immerhin möglich
morgen ein anderer“), stimmte mir aber sofort zu,
gewesen, ihn im einzelnen zu widerlegen. Wer
als ich seiner Frage, ob die Aufführung mir ratsam
sich
aber ernsthaft in Positur stellt, um einen Lufthieb
scheine, antwortete: „Durch die Ausstellung von
zu
parieren, der wäre in Gefahr, sich genau so lächerlich
Akten, die den Beischlaf vorbereiten, Geld zu ver¬
zu machen wie sein Gegner, dessen Degen, sei es auch
dienen. kann und muß Reinhardt anderen über¬
mit allerkünstem Schwunge, am Ziel vorbei ins Leere
lassen.“ Er hat trotz mancher Schwierigkeit in der
gesaust ist.
Spielplangestaltung aus seinem Recht nicht Zins ge¬
zogen, die Koitusgespräche nicht auf seine Bühne ge¬
Somit habe ich keinerlei Anlaß, mich mit dem
bracht. Und er wäre vielleicht der einzige gewesen,
Gutachten Maximilian Hardens zu beschäftigen, so¬
dessen Theatergenie ihnen ein szenisches Phantasie¬
weit es meine Person betrifft. Was zu berichtigen
gewand von eigenem Kunstwert zu wirken ver¬
nir nötig scheint, ist die Darstellung, die Maximilian
mochte.“
Harden von dem inneren Verhältnis und dem auße¬
Ich bedauere
ren Verhalten Max Reinhardts gegenüber dem „Rei¬
— vielleicht noch aufrichtiger als
gen“ gibt, und die auf unzureichender Kenntnis von
es Maximilian Harden tut —, daß es zu dieser Regie¬
Tatsachen und offenbaren Mißverständnissen beruht.
leistung Max Reinhardts nicht gekommen ist,
be¬
Zur endgültigen Aufklärung muß ich mehr um Max
dauere es um so mehr, als es mir kürzlich vergönnt
Reinhardts als um meinetwillen in aller Kürze mit¬
war, einen Blick in das Regiebuch zu tun, das zu
keilen, wie meine Szenenreihe „Reigen“, die bekannt¬
entwerfen er begonnen hatte. Im Sommer 1920 trat
lich
ursprünglich keineswegs zur Aufführung be¬
Max Reinhardt bekanntlich von der Leitung seiner
stimmt war, mit meiner ausdrücklichen Einwilligung
Theater zurück. Felix Holländer, sein Nachfolger,
auf die Bühne kam.
übernahm mit anderen Verträgen auch den über den
„Reigen“ erbat in mündlicher Unterredung mein
Nachdem im Laufe der Jahre von einzelnen
Einverständnis, mein Lustspiel „Die Schwestern“ in
SSchausvielern und Schauspielerinnen,
später auch
den Kammerspielen und
n
Reigen“
Reigen
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1. Beilage des Berliner Börsen-Courier Nr. 55.
Donnerstag, 3. Februar 1921.
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wächst für mich die Möglichkeit, unser beider Wünsche
Schnitzler über „Reigen“
Entschiedenheit verwahre, das ist der Versuch, gerade
nach meiner Regie zu erfüllen. Sie dürfen jedoch in
Max. Reinhardt, der als Erster meine eigene Mei¬
jedem Fall versichert sein, daß ich aus den schon
In dem Prozeß der Hochschule für Adar
nung von der Nichtaufführbarkeit des „Reigen“ ins
wiederholten Gründen mein
gegen die Direktion Eysoldt=Sladek hat Maxi¬
volles künstlerisches
Wanken gebracht, meinen eigenen Bedenken gegen¬
milian Harden als Gutachter heftige Augriffe
Interesse Ihrem Werk widmen werde und unbedingt
gegen Schnitzler gerichtet. Im „Neuen Piener
über die Aufführung des „Reigen“ nicht nur für
dafür Sorge trage, daß es auf dem höchsten künst¬
Journal“ hat Schnitzler diese Angriffe irheinem
lerischen Niveau herauskomme.“
„künstlerisch opportun“, sondern für „unbedingt wün¬
Feuilleton unter dem Titel Berichtigung
schenswert“ erklärt hat, als Eidesheifer gegen die
Auf diese Zusicherungen hin schloß ich mit Max
zurückgewiesen, das uns zum Abdruck zur Ver¬
künstlerische und moralische Zulässigkeit eines Experi¬
Reinhardt einen Vertrag, nach welchem der „Reigon“
fügung gestellt wird.
ments anzurufen, als dessen geistiger Initiator er in
bis spätestens 31. Januar 1920 an einer seiner
Niemals hat es mich sonderlich gelockt, auch wo
jedem Falle gelten muß — mögen auch äußere Um¬
Bühnen zur Aufführung kommen sollte. Der Termin
ich einem Urteil, war es gut oder böse, mit Interesse,
slände ihn verhindert haben, zu denen ich nach Rein¬
wurde, wie das im Theaterleben zuweilen vorkommt,
dem Urteilenden, wie es diesmal der Fall ist, ob
hardts Briefen, die ich in ihrer ganzen ausführlichen
versäumt, eine kurze Zeit hindurch schienen die poli¬
Freund oder Feind, mit Respekt gegenüberstehen
und überzeugenden Herzlichkeit hier nicht wiederholen
tischen Verhältnisse für eine Aufführung des „Rei¬
durfte, mich in Diskussionen über Wert oder Unwert
konnte, die Abmahnungen Maximilian Hardens
gen“, worüber ich mit Reinhardt eines Sinnes war,
meiner Arbeiten oder gar über meine ethischen Qua¬
keineswegs zu rechnen vermag —, das Experiment,
nicht sehr günstig zu liegen, und im Frühjahr 1920
lifikationen einzulassen. Aber nicht nur müßig, son¬
so wie er ursprünglich gesonnen war, persönlich und
drang ein Gerücht zu mir, daß Reinhardt mit einer
als erster zu wagen.
dern geradezu unwürdig erschien es mir, mich und
andern Berliner Theatervirektion verhandle, die den
Artur Schnitzler.
mein Werk gegen unfaß= und ungreifbare Anschuldi¬
„Reigen“ in den Kammerspielen zur Aufführung
*
gungen verteidigen zu wollen, wie etwa die, daß ich
bringen solle. Auf mein Ersuchen um Aufklärung
„einer Literatenplejade angehöre, die von der Gunst
wurde mir von Reinhardt am 24. April folgende
einer ihr durch mancherlei Interessensträhne verbün¬
Antwort zuteil: „Bezüglich des „Reigen“ möchte ich
dete Rezensentenzunft mit Lob aufgepäppelt wurde“,
Ihnen mitteilen, daß von mehreren Seiten allerdings
oder daß ich mich „in die Sucht verirre, Wirkung,
an mich herangetreten worden ist, das Werk freizu¬
die meine Kunst nicht zu erlangen vermöge, aus ent¬
geben. Jede Unterhandlung in der Richtung ist von
lehntem, künstlich erhitztem Erotenreiz zu erbrüten“
vornherein von mir abgelehnt worden. Ich habe
und, „diesen Reiz klug nutzend mit Talentaufwand,
niemals daran gedacht, dieses Stück einer anderen
von dem anderer Stoff noch nicht genießbar würde,
Bühne zu überlassen Ich habe immer an der Ab¬
einem großen Publikum den Gaumen kitzeln könne“.
sicht festgehalten, das Werk selbst zu inszenieren.
Hätte Maximilian Harden auch nur einen der Rezen¬
Daran hat sich nichts geändert.“
senten zu nennen gewußt, mit denen ich angeblich
So Max Reinhardt. Maximilian Harden aber
durch Interessensträhne verbunden war oder bin und
weiß in seinem Artikel folgendes zu berichten: „Der
sich über die Art dieser Interessen mit genü¬
mit der Verantwortlichkeit für ein großes Heer An¬
gender Deutlichkeit auszusprechen beliebt; hätte er
gestellter Bebürdete, von der Sorge für den über alles
aus den zahlreichen Sachen, die ich geschrieben eine
Erwarten hinaus verteuerten Riesenbau des Großen
oder die andere herausgegriffen, mit der ich seiner
Schauspielhauses bedrückte Künstler Max Reinhardt
Meinung nach einem großen Publikum den Gaumen
war überredet worden, sich das Aufführungsrecht für
kitzeln wollte, dann wäre es — ich will nicht gerade
seine Kammerspielbühne zu sichern („sonst erwirbt es
sagen, der Mühe wert — aber doch immerhin möglich
morgen ein anderer“), stimmte mir aber sofort zu,
gewesen, ihn im einzelnen zu widerlegen. Wer
als ich seiner Frage, ob die Aufführung mir ratsam
sich
aber ernsthaft in Positur stellt, um einen Lufthieb
scheine, antwortete: „Durch die Ausstellung von
zu
parieren, der wäre in Gefahr, sich genau so lächerlich
Akten, die den Beischlaf vorbereiten, Geld zu ver¬
zu machen wie sein Gegner, dessen Degen, sei es auch
dienen. kann und muß Reinhardt anderen über¬
mit allerkünstem Schwunge, am Ziel vorbei ins Leere
lassen.“ Er hat trotz mancher Schwierigkeit in der
gesaust ist.
Spielplangestaltung aus seinem Recht nicht Zins ge¬
zogen, die Koitusgespräche nicht auf seine Bühne ge¬
Somit habe ich keinerlei Anlaß, mich mit dem
bracht. Und er wäre vielleicht der einzige gewesen,
Gutachten Maximilian Hardens zu beschäftigen, so¬
dessen Theatergenie ihnen ein szenisches Phantasie¬
weit es meine Person betrifft. Was zu berichtigen
gewand von eigenem Kunstwert zu wirken ver¬
nir nötig scheint, ist die Darstellung, die Maximilian
mochte.“
Harden von dem inneren Verhältnis und dem auße¬
Ich bedauere
ren Verhalten Max Reinhardts gegenüber dem „Rei¬
— vielleicht noch aufrichtiger als
gen“ gibt, und die auf unzureichender Kenntnis von
es Maximilian Harden tut —, daß es zu dieser Regie¬
Tatsachen und offenbaren Mißverständnissen beruht.
leistung Max Reinhardts nicht gekommen ist,
be¬
Zur endgültigen Aufklärung muß ich mehr um Max
dauere es um so mehr, als es mir kürzlich vergönnt
Reinhardts als um meinetwillen in aller Kürze mit¬
war, einen Blick in das Regiebuch zu tun, das zu
keilen, wie meine Szenenreihe „Reigen“, die bekannt¬
entwerfen er begonnen hatte. Im Sommer 1920 trat
lich
ursprünglich keineswegs zur Aufführung be¬
Max Reinhardt bekanntlich von der Leitung seiner
stimmt war, mit meiner ausdrücklichen Einwilligung
Theater zurück. Felix Holländer, sein Nachfolger,
auf die Bühne kam.
übernahm mit anderen Verträgen auch den über den
„Reigen“ erbat in mündlicher Unterredung mein
Nachdem im Laufe der Jahre von einzelnen
Einverständnis, mein Lustspiel „Die Schwestern“ in
SSchausvielern und Schauspielerinnen,
später auch
den Kammerspielen und
n
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