11.
Zeigen
box 18/2
Seidel
igsausschnitte
enkirchplatz 21
i-Anzeiger
erlin
IR MON 102
Der Kampf um den „Reigen
Nach eiphägiger Unterbrechung wurde heute vor
Dinge mußte Anstoß und Argernis erregen. Wenn
ich das sage. so muß ich darauf hinweisen, daß
der 6. Stfallammer des Landgerichts III die Ver¬
wir uns in einem Zustande sittlicher
handlung degen Frau Gertrud Eysoldt. Direktor
Sladek ## die elf Bühnenmitglieder fortgesehzt.
Verrohung des Volksempfindens
Lange vor Beginn ist der verhältnismäßig kleine
befinden, und durch solche Stücke wird die
Atmosphäte noch mehr vergiftet und eine Ver¬
Zuhörerraum gefüllt. Unter den Anwesenden be¬
tärkung der sittlichen Deladenz unserer Zeit
finden sich verschiedene bekannte Bühnenkünstler
herbeigeführt. Ich habe mich gefragt, ob die
und =künstlerinnen.
künstkerische Darstellung einen gewissen Gegen¬
Landgerichtsdirektor Brennhausen eröffnet die
wert darstelle. Ich gebe offen zu, daß die kunst¬
Sitzung mit einiger Verspätung, da der Ange¬
lerische Darstellung sich durchaus im Nahmen des
klagte, Rerisseur Reusch, nicht zur Terminstunde
Inhalts des Stücks hielt und man sehr wohl
erschienen ist. Rechtsanwalt Wolfgang Heine
einzelne Sjenen viel gröber hätte wiedergeben
können.
teilt mit, daß der Rechtsanwalt Neumond aus der
Verteidigung ausgeschieden ist. Von dem Vorsitzen¬
Vors.: Haben Sie einen Unterschied in der Auf¬
den werden mehrere Schreiben, u. a. der Frau
führung, die Sie zuerst gesehen und der am
Sonntag bemerkt?
Triesch, M. d. R. zur Verlesung gebracht, in denan
die Zeugen mitteilen, daß sie nicht zum Termin
Zeuge: Nein. Ich habe nur au mir solbst ge¬
merkt, daß die Wiederholung in mir ein noch
erscheinen können. Der Zeuge Rudolf Lebius hat
größeres inneres Widerstreben hervorrief. Die
das Gericht einen Brief gerichtet, worin er
künstlerische Darstellung schaffte allerdings einige
sagt, daß er der Geparetvorstellung des „Reigen
Milderung. Aber Gift ist Gift, ob es aus dem.
am Sonntag nicht beigewohnt habe, da er es nicht
Kristallbecher des Künstiers oder aus dem Blech¬
über sich habe bringen können, sich etwas der¬
becher des Klempners kommt. Mir ist es auch
artiges noch einmal anzusehen. Als Sachverstän¬
heute noch unverständlich, wie man ein ethisch so
diger ist ferner noch der Präsident des Bühnen¬
indifferentes Werk moralisch zu drapieren ver¬
vereins. Edler von Putlitz geladen und erschienen.
uchen kann bzw. es mit einer moralischen Ten¬
Hierauf wird die
denz zu umkleiden versucht. Ich verstehe auch
Zeugenvernehmung
nicht, wie man das Stück allgemein als ab¬
ferkgesetzt.
schreckend bezeichnen kann, insbesondere bei sitt¬
Sanitätsrat Dr. Peiser hat die
lich unreifen Menschen.
„Reigen“=Aufführung am Sonntag zum ersten
Maie gesehen. Er hat das Buch Schnitzlers seiner
Vors.: Welche Handlungen halten
Sie für besonders unzüchtig?
Zeit gelesen und as nicht für möglich gehalten
Zeuge: Die ziemlich unverbüllte Darstellung
daß das Stück aufgeführt werden könnte. Er sei
des Geschlechtsaltes, der sich in sämtlichen Szenen
aber durch die Aufführung angenehm über¬
rascht durch das feine künstlerische Her¬
findet. Ich halte deshalb alle Szenen für un¬
züchtig.
Es ist ein großer Unterschied, ob ge¬
ausarbeiten der
einzelnen Handlungen.
wisse
Vorgänge, die
Alö. Arzt und Vater sei er bestrebt, sexuelle Dinge
sich sonst zwischen
zwei Menschen im Alleinsein abspielen, im Kreise
mit größter Offenheit zu behandeln, um aufklärend
ernster Menschen erörtert werden, oder, wie
und warnend zu wirken. Nur auf den könne die
Aufführung unsittlich wirken, der etwas hineinlege
es hier der Fall ist, in ziemlicher Offenheit und
Realistik ganz allgemein auf der Bühne dargestellt
oder heraussuche, genau so wie es Menschen gebe.
werden. Gerade diese niedrige Form des Ge¬
die aus der Bibel einzelne Stellen heraussuchen.
schlechtsverkehrs, wie sie im „Reigen“ eine Rolle
Der praktische Arzt Dr. Kröner=Charlotten¬
pielt, diese gemeine Art des Vertehrs ohne jede
burg bekundet als Zeuge, daß er den =Reigen“
sittliche Tiese ist es, welche ich, insbesondere vor
für ein reines Kunstwerk halte und daß er kein
einem zum Teil aus unreifen Menschen bestehen¬
sittliches Aorgernis genammen habe. Das Stück
den Publikum, als unsittlich bezeichnen muß.
hält sich weder auf der Ebene des Kitsches noch auf
Ssaatsanwast von Bradtke: Haben Sie an
der der Pornographig.
einzelnen Stellen des Stückes nicht ein, wie Sie
Vors.: Sind auf der Bühne nach Ihrer Mei¬
es nennen,
nung unzüchtige Handlungen vorgekommen?
Zeuge: Nein. Ich halte den Tert für dezent
lüsternes Bachen und Kichern
und auch die Schauspieler haben im Rahmen die
gebört? — Zeuge: Jawohl.
ses Textes durchaus dezent gespielt.
Staatsanwalt: Haben Sie nicht die Emp¬
Zeuge Dieekte Steinweg. Direktor des
findung gehabt, daß die Betreffenden aus Freude
Zentral=Ausschusses für innere Mission, bekundet:
an niedrigen Instinkten kicherten, daß man auf
Wir haben s. Zt. von der Staatsanwaltschaft eine
der Bühne auch niedrige Dinge zu sehen bekommt?
Anfrage erhalten, ob der „Reigen“ noch nach dem
Zeuge: Jawohl, das war mein Empfinden.
22. Juli aufgeführt worden sei und welche Stel¬
Rechtsanwalt Wolfgang Heine: Es scheint
lung wir dazu einnehmen. Ich hatte bis dahin
mir schwer. in einem dunken Theaterraum er¬
den „Reigen“ nicht gesehen und bin deshalb mit
kennen zu können, ov jemand „lüstern“ lacht oder
dem Regierungsrat Biermann in die Vorstellung
aus Freude an dem im Stück ständig zutage
gegangen. Ich habe im Theater sofort den Ein
tretenden Humor. Sie sagen, daß das Stück in
ruck gehabt, daß etwas Anstößiges, Aergernis ar¬
keiner Weise abschreckend gewirkt habe. Ist Ihnen
regendes vorgeführt werde. Ich kann sagen, daß
vielleicht klar geworden, daß der ethische Gebanke,
ich an jeder Szene Anstoß genommen haoe; ins¬
der in dem Stück liegt, auch etwas anderes sein
besondere wurde durch die fünfte Szene das Ge¬
kann als bloß die abschreckende Wirkung? Haben
fühl vieler Kreise auf das tiefste verletzt. Diese
Sie sich schon gefragt, weshalb das Stüa „Reigen“
r ethisch völlig indifferense Behandlung gewisser
heißt?
Zeuge: Weil ein gewisser erorescher Rhhihmus
burch das ganze Stück geht.
Rechtsanwalt Heine: Haben Sie nicht das
Empfinden gehabt, daß sich durch das ganze Stück
W
gelegi. Leon Sklarz habe wider Tieu und Glau
gegen sie gehandelt. u. a. eigenmächtig nich
das Geschäft gehörende Buchungen bei der Fir
veranlaßt, ferner auch ein viele Millionen
W
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enkirchplatz 21
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erlin
IR MON 102
Der Kampf um den „Reigen
Nach eiphägiger Unterbrechung wurde heute vor
Dinge mußte Anstoß und Argernis erregen. Wenn
ich das sage. so muß ich darauf hinweisen, daß
der 6. Stfallammer des Landgerichts III die Ver¬
wir uns in einem Zustande sittlicher
handlung degen Frau Gertrud Eysoldt. Direktor
Sladek ## die elf Bühnenmitglieder fortgesehzt.
Verrohung des Volksempfindens
Lange vor Beginn ist der verhältnismäßig kleine
befinden, und durch solche Stücke wird die
Atmosphäte noch mehr vergiftet und eine Ver¬
Zuhörerraum gefüllt. Unter den Anwesenden be¬
tärkung der sittlichen Deladenz unserer Zeit
finden sich verschiedene bekannte Bühnenkünstler
herbeigeführt. Ich habe mich gefragt, ob die
und =künstlerinnen.
künstkerische Darstellung einen gewissen Gegen¬
Landgerichtsdirektor Brennhausen eröffnet die
wert darstelle. Ich gebe offen zu, daß die kunst¬
Sitzung mit einiger Verspätung, da der Ange¬
lerische Darstellung sich durchaus im Nahmen des
klagte, Rerisseur Reusch, nicht zur Terminstunde
Inhalts des Stücks hielt und man sehr wohl
erschienen ist. Rechtsanwalt Wolfgang Heine
einzelne Sjenen viel gröber hätte wiedergeben
können.
teilt mit, daß der Rechtsanwalt Neumond aus der
Verteidigung ausgeschieden ist. Von dem Vorsitzen¬
Vors.: Haben Sie einen Unterschied in der Auf¬
den werden mehrere Schreiben, u. a. der Frau
führung, die Sie zuerst gesehen und der am
Sonntag bemerkt?
Triesch, M. d. R. zur Verlesung gebracht, in denan
die Zeugen mitteilen, daß sie nicht zum Termin
Zeuge: Nein. Ich habe nur au mir solbst ge¬
merkt, daß die Wiederholung in mir ein noch
erscheinen können. Der Zeuge Rudolf Lebius hat
größeres inneres Widerstreben hervorrief. Die
das Gericht einen Brief gerichtet, worin er
künstlerische Darstellung schaffte allerdings einige
sagt, daß er der Geparetvorstellung des „Reigen
Milderung. Aber Gift ist Gift, ob es aus dem.
am Sonntag nicht beigewohnt habe, da er es nicht
Kristallbecher des Künstiers oder aus dem Blech¬
über sich habe bringen können, sich etwas der¬
becher des Klempners kommt. Mir ist es auch
artiges noch einmal anzusehen. Als Sachverstän¬
heute noch unverständlich, wie man ein ethisch so
diger ist ferner noch der Präsident des Bühnen¬
indifferentes Werk moralisch zu drapieren ver¬
vereins. Edler von Putlitz geladen und erschienen.
uchen kann bzw. es mit einer moralischen Ten¬
Hierauf wird die
denz zu umkleiden versucht. Ich verstehe auch
Zeugenvernehmung
nicht, wie man das Stück allgemein als ab¬
ferkgesetzt.
schreckend bezeichnen kann, insbesondere bei sitt¬
Sanitätsrat Dr. Peiser hat die
lich unreifen Menschen.
„Reigen“=Aufführung am Sonntag zum ersten
Maie gesehen. Er hat das Buch Schnitzlers seiner
Vors.: Welche Handlungen halten
Sie für besonders unzüchtig?
Zeit gelesen und as nicht für möglich gehalten
Zeuge: Die ziemlich unverbüllte Darstellung
daß das Stück aufgeführt werden könnte. Er sei
des Geschlechtsaltes, der sich in sämtlichen Szenen
aber durch die Aufführung angenehm über¬
rascht durch das feine künstlerische Her¬
findet. Ich halte deshalb alle Szenen für un¬
züchtig.
Es ist ein großer Unterschied, ob ge¬
ausarbeiten der
einzelnen Handlungen.
wisse
Vorgänge, die
Alö. Arzt und Vater sei er bestrebt, sexuelle Dinge
sich sonst zwischen
zwei Menschen im Alleinsein abspielen, im Kreise
mit größter Offenheit zu behandeln, um aufklärend
ernster Menschen erörtert werden, oder, wie
und warnend zu wirken. Nur auf den könne die
Aufführung unsittlich wirken, der etwas hineinlege
es hier der Fall ist, in ziemlicher Offenheit und
Realistik ganz allgemein auf der Bühne dargestellt
oder heraussuche, genau so wie es Menschen gebe.
werden. Gerade diese niedrige Form des Ge¬
die aus der Bibel einzelne Stellen heraussuchen.
schlechtsverkehrs, wie sie im „Reigen“ eine Rolle
Der praktische Arzt Dr. Kröner=Charlotten¬
pielt, diese gemeine Art des Vertehrs ohne jede
burg bekundet als Zeuge, daß er den =Reigen“
sittliche Tiese ist es, welche ich, insbesondere vor
für ein reines Kunstwerk halte und daß er kein
einem zum Teil aus unreifen Menschen bestehen¬
sittliches Aorgernis genammen habe. Das Stück
den Publikum, als unsittlich bezeichnen muß.
hält sich weder auf der Ebene des Kitsches noch auf
Ssaatsanwast von Bradtke: Haben Sie an
der der Pornographig.
einzelnen Stellen des Stückes nicht ein, wie Sie
Vors.: Sind auf der Bühne nach Ihrer Mei¬
es nennen,
nung unzüchtige Handlungen vorgekommen?
Zeuge: Nein. Ich halte den Tert für dezent
lüsternes Bachen und Kichern
und auch die Schauspieler haben im Rahmen die
gebört? — Zeuge: Jawohl.
ses Textes durchaus dezent gespielt.
Staatsanwalt: Haben Sie nicht die Emp¬
Zeuge Dieekte Steinweg. Direktor des
findung gehabt, daß die Betreffenden aus Freude
Zentral=Ausschusses für innere Mission, bekundet:
an niedrigen Instinkten kicherten, daß man auf
Wir haben s. Zt. von der Staatsanwaltschaft eine
der Bühne auch niedrige Dinge zu sehen bekommt?
Anfrage erhalten, ob der „Reigen“ noch nach dem
Zeuge: Jawohl, das war mein Empfinden.
22. Juli aufgeführt worden sei und welche Stel¬
Rechtsanwalt Wolfgang Heine: Es scheint
lung wir dazu einnehmen. Ich hatte bis dahin
mir schwer. in einem dunken Theaterraum er¬
den „Reigen“ nicht gesehen und bin deshalb mit
kennen zu können, ov jemand „lüstern“ lacht oder
dem Regierungsrat Biermann in die Vorstellung
aus Freude an dem im Stück ständig zutage
gegangen. Ich habe im Theater sofort den Ein
tretenden Humor. Sie sagen, daß das Stück in
ruck gehabt, daß etwas Anstößiges, Aergernis ar¬
keiner Weise abschreckend gewirkt habe. Ist Ihnen
regendes vorgeführt werde. Ich kann sagen, daß
vielleicht klar geworden, daß der ethische Gebanke,
ich an jeder Szene Anstoß genommen haoe; ins¬
der in dem Stück liegt, auch etwas anderes sein
besondere wurde durch die fünfte Szene das Ge¬
kann als bloß die abschreckende Wirkung? Haben
fühl vieler Kreise auf das tiefste verletzt. Diese
Sie sich schon gefragt, weshalb das Stüa „Reigen“
r ethisch völlig indifferense Behandlung gewisser
heißt?
Zeuge: Weil ein gewisser erorescher Rhhihmus
burch das ganze Stück geht.
Rechtsanwalt Heine: Haben Sie nicht das
Empfinden gehabt, daß sich durch das ganze Stück
W
gelegi. Leon Sklarz habe wider Tieu und Glau
gegen sie gehandelt. u. a. eigenmächtig nich
das Geschäft gehörende Buchungen bei der Fir
veranlaßt, ferner auch ein viele Millionen
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