II, Theaterstücke 9, (Der grüne Kakadu. Drei Einakter, 3), Der grüne Kakadu. Groteske in einem Akt, Seite 401

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9.4. Der-Ernene KakaduZuking
er wie lebendig wird sie herunter in die kleine Schenke und das Geheul
man
ebenen. Ihr Gatte hat sie des entfesselten Pöbels. Hier unten fälscht
noch die Ereignisse, die droben schon in bluttriefender Echt¬
chte sie einem Anderen in
heit sich erheben. Und morgen, in der nächsten Stunde schon
e er neben ihr gelebt, ohne
wird auch da, im „grünen Kakadu“ der Spaß zum Ernst.
reue, die er, der alternde
Diese Leute werden auseinandergesprengt, die Einen, die vor¬
er wird rasch belehrt. Und
geblichen Mörder und Brandstifter, werden hinausziehen und
das Leben dieser gestorbenen
ihre Hand an erlauchte Häupter legen, und die Anderen, die
eine hübsche, gedankenlose
jetzt noch ironisch, belustigt Beifall klatschen, wenn
ohne eigentliches Gewissen,
ist, ihnen wird
von Brand und Todtschlag die Rede
dacht, weil derlei Abenteuer
dieses vornehm amüsirte Lächeln noch verzerrt um die
scheinen. So hat sie in
bleichen Lippen schweben, wenn ihre abgeschlagenen Köpfe
te eines stark empfindenden,
Und
auf den Piken der Sansculotten grinsen.
in kleine Liebeshändel ein¬
dann kommt der Schluß des Stückes. Da, wo
Was dann übrig bleibt,
das Meer der Revolution hereinbrandet in die kleine
anne, wie naiv doch ein
Schenke, wo der Komödiant den Herzog wirklich ersticht,
Verdachte noch ist, wie er
weil er wirklich der Liebhaber seiner Frau gewesen. Er
aufgelegt fühlt. Mit großer
ermordet ihn genau in dem Moment, in welchem es allge¬
isende Lebensbild in einen
mein beliebt wird, Herzoge umzubringen. Mit diesem
meisterhaften Klarheit wird
Dolchstoß wird die gespielte Revolution im „Grünen Kakadu“
hieht, knapp enthüllt, und
zur wirklichen Revolution, das Morden wird proclamirt
der Abschluß; wie der
auf der Straße droben, wo man die Bastille erstürmt hat,
klärte nun auch an dem
und in der Schenke unten, wo man die verhaßten
Hinrichtung vollzieht, wie
aristokratischen Zuseher und Nebenbuhler erschlägt. Und
den Schreibtisch legt und
ehe noch die Dämchen dieser im Augenblick ent¬
perrt, für lange, für immer
thronten Gesellschaft ihre Lust genießen können an ider
Gemeinheit.
neuen Sensation eines Herzogsmordes, wäscht eine Welle
mit dem „Grünen Kakadu“
von draußen herein und schwemmt sie Alle hinweg, die
ig groteske und tiefsinnig
Marquisen und die Dirnen, die Gaukler und die Grafen;
anden worden wäre. Die
die Einen auf's Schaffot, die Anderen in den Convent. Von
cien régime“ unterhält sich
einem halb fröhlichen, halb wehmüthigen Spott ist dieses
ihren Henkern von morgen.
geistreiche Stückchen erfüllt, von einem frischen, gestaltungs¬
vernehmen ahnungslos die
kräftigen Temperament durchdrungen. Mit einer famosen
#uches. Sie hören, wie der
Sicherheit hingesetzt auf den mächtig belebten Grund der
kracht, und begreifen nicht,
großen Revolution, wirkt es, wie eine aufregende Strophe
enke „zum grünen Kakadu“,
der Marseillaise oder wie ein lebendig gewordenes, figuren¬
an pikanten Perversitäten
reiches Capitel aus Taine. Es gehört zu den ergreifendsten
komödiantische Verbrechen
und sonderbarsten Theaterstücken seit dem „Hannele“ und ist,
das Volk draußen die
wie dieses, gleichsam aus einer unbegreiflich arbeitenden
der Kanonen dröhnt
Phantasie entsprungen.
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Um den „Grünen,Kaladu“ zu unverwirrbarer Verstäns¬
lichkeit und somit auch zu der höchst möglichen Wirkung zu
bringen, hätte es einer sorgältigen Inscenirung bedurft. So
aber zeigten sich nur seine äußersten Umrisse. Die Anläufe
der Regie waren gut, alles Weitere Schleuderarbeit bedauer¬
lichster Sorte. In diesen Massen lebte keine Gewalt, was
vorging, verlor sich in rashen Gewaltsamkeiten. Alle die
zahllosen Pointen wurden eidrückt, sie zerstießen sich an¬
einander, fielen in einem wüsten, undeutlichen Getümmel
zu Boden. Dabei waren die Einzelleistungen gut, oft
vortrefflich. Vor Allem Fiau Mitterwurzer welche
und Lüsternheit gab, dann Herr Hartmann, der den
Rollin mit einer herrlich in's Faunhafte gerückten Komik
spielte. Fräulein Witt, pelche für die gedankenlose Dirne
charakteristische Töne hatte, besonders noch Herr Moser,
der an einem kleinen Schneiderlein den Revolutionsrausch
geradezu glänzend demonfrirte. Herr Sonnenthal
war für Henri zu alt urd nicht temperamentvoll genug.
Dafür gab er den Professor in der „Gefährtin“
der den
mit großer Wirkung. Herr Zeska,
Grain im „Kakadu“ sehr lustig spielte, versagte
der „Gefährtin“ und machte sich einen lächerlich ungeschickten
Abgang. Am schlechtesten war das Zusammenspiel im
„Paracelsus“. Hier stockte der Dialog oft, und man
merkte, wie Einer auf den Anderen wartete, daß er be¬
ginne. Es war geradezu peinlich. Herr Krastel gab
den Schwertfeger mit dem richtigen großthuerischen Be¬
fragen. Frau Schratt war eine liebliche Justine,
nur machte sie keinen Unterschied zwischen der hypnotisirten
und der bewußten Rede. Herr Robert faßte den Paracelsus
als eine Art tödtlichen Pausanias auf und verharrte in
einem höhnischen Gespensterton. Vielleicht machen die Auf¬
führungen wieder gut, was ein lässiges Arbeiten an diesen
Stücken verbrochen. Sie könnten es, wenn die Schauspieler
den Willen hätten, sich zu verbessern und sich verbessern zu
lassen.
Felix Salten.