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9•4. Dergruene KakaduZukrus
Telefon 12801.
Unternehmen für Zeitungs-Ausschnitte.
Ausschnitt
„OBSERVER“ Nr. 32
L. österr. behördl. cone. Bureau für Zeitungsberichte u. Personalnachrichten
Wien, IX/1. Türkenstrasse 17.
Flliale in Budapest: „Figyeló“ -
Vertretungen in Berlin, Chicago, London, Newyork, Paris, Stockholm.
Sarenor
Ausschnitt aus:
G
2
vom %
Dramatische Aufführungen.
„Die Gefährtin.“ „Paracelsus.“ „Der grüne Kakadu.“ Drei
Einacter von Arthur Schnitzler. (Deutsches Theater.)
Wie weiland den Webern, so hat jetzt die Cenfur dem Grünen
Nakadu übel mitgespielt, in beiden Fällen mit dem gleichen Erfolge.
Wahrlich, zwischen dem brüllenden Jubel, der Gerhart Hauptmann's
Elendstragödie begrüßte, und dem tollhäuslerischen Radau, der die Gro¬
teske“ des Herrn Schnitzler auf ihrem Zuge in die Unsterblichkeit be¬
gleitete, ist nicht einmal ein gradueller Unterschied. Allerdings fehlte
bei der Première am Sonnabend Herr Singer, dessen Anwesenheit der
Erstaufführung der Weber besondere Weihe verliehen und dessen dicker
Bauch sich so stimmungsvoll von den Jammergestalten der Hundefleisch¬
fresser auf der Bühne abgehoben hatte. Den Singer waren wir los,
doch die um ihn waren geblieben, die Hunnen, die das Theater für eine
Parteidestille halten und Kunstwerke mit dem in verräucherten Ver¬
sammlungslocalen üblichen Begeisterungsgehenl überschütten.
Dabei ist Herrn Schnitzler's Groteske gar nicht so übel. Sie zeigt
uns freilich, daß dieser Autor kein freischaffendes Genie ist, dessen Phantasie
sich aus seinem Herzblut nährt, sondern daß er alle Wirkungen und
Schlager mühsam ergrübelt. Je dröhnendere Essecte Schnitzler anstrebt,
desto deutlicher wird die Mache, die künstliche Ueberhitzung. Doch unser
Dichter ist ein Mann von vielem Geist, und sein mühsames Bestreben
unterhält, seine Tüfteleien und Bosseleien interessieren, so wenig sie auch
erwärmen. Die Idee, auf dem blutigen Untergrund der großen Revo¬
lution eine frech satirische Carricatur im Placatstil zu zeichnen, ist sogar
meisterhaft und einzelne Umrisse, einzelne Schattenstriche sind meister¬
Für
haft ausgeführt. Das Ganze leidet indeß am eigenen Uebermaß. Zu
deutlich zeigt Schnitzler, daß er durchaus den Ossa auf den Pelion
thürmen, Unerhörtes geben will, eine unmögliche Vereinigung grobstoff¬
licher Cirkusscenen und intimer, raffinirt seiner Kunstoffenbarungen.
„ 10 Die Form widerspricht dem Inhalt, und höchstens diese Stillosigkeit das
kann als Groteske gelten. Im Grünen Kakadu spielt eine wilde Komö¬
Abon diantenbande einem Parterre überreizter Aristokraten allerlei blut¬
Abom künstigen Unfug vor. Man renommirt mit Verbrechen, die man nie
begangen hat, klagt sich furchtbarer Unthaten an, deren Genesis und
*Verlauf höchst naturalistische Schilderung findet, und stellt sich in pieantem
*Gegensatz zu dem neben diesen eingebildeten, schwärmenden Missethätern
höchst matt ausschauenden, wirklichen Mörder. Der hochbegabte Mime
Henri erzählt den gespannt lauschenden Zuhörern mit unheimlicher An¬
schaulichkeit, wie er den Herzog Soundso, der seine Frau verführt hat,
in rasender Eisersucht niederstach. Das Publicum steht erschüttert vor
der grandiosen Ausschneiderei. Und plötzlich wird das Geflunker zur
Wahrhent. Heuri erjahrt, daß sein Weid ihn wirklich mit dem Herzoge
betrogen hat, und wie der hohe Herr nun ahnungslos den Grünen
Kakadu betritt, stößt er ihn rasch entschlossen nieder. In die Mordthat
hinein rauscht die wilde Kunde von der Erstürmung der Bastille, und
mit einem gedoppelten Effect schließt das farbige Bühnenbild. Die
große Revolution muß beim Actschluß mitwirken; im übrigen fehlt dem
Stück alle historische Perspective. Ein Drama ist es nicht, auch kein
Trämchen. Dafür hinterläßt es zu sehr den Eindruck des Verworrenen,
Gehäuften, ist allzuwenig naiv und ursprünglich.
Neben dem auf jeden Fall geistreichen Spiel vom Grünen Kakadu
nehmen sich die beiden anderen Einaeter kläglich genug aus. Paracelsus¬
erinnert ausdringlich an desselben Verfassers Frage an das Schicksal,
nur daß die Komödie sich diesmal schwerer, beziehungsvoller giebt. Der
große Wundermann Theophrastus Bombastus, alias Hohenheim, zaubert
seinem lieben alten Bekannten hypnotischen Spuk vor. Die hübsche
junge Frau des Neugierigen bekennt im somnambulen Schlaf einen Ehe¬
bruch, den sie nie begangen hat. Als Theophrast sie dann ermahnt, die
Wahrheit, die volle Wahrheit zu bekennen, gesteht sie in der zweiten
Hypnose ein, daß er selbst dereinst ihr vergötterter Liebling gewesen ist
und daß sie ihm alles gewährt hätte, wenn er nur mutig genug gewesen?
wäre, zu sordern. Mit weisheitsvollen Worten beschließt Pararelsus;
das Getändel:
„Es fließen ineinander Traum und Wachen
9•4. Dergruene KakaduZukrus
Telefon 12801.
Unternehmen für Zeitungs-Ausschnitte.
Ausschnitt
„OBSERVER“ Nr. 32
L. österr. behördl. cone. Bureau für Zeitungsberichte u. Personalnachrichten
Wien, IX/1. Türkenstrasse 17.
Flliale in Budapest: „Figyeló“ -
Vertretungen in Berlin, Chicago, London, Newyork, Paris, Stockholm.
Sarenor
Ausschnitt aus:
G
2
vom %
Dramatische Aufführungen.
„Die Gefährtin.“ „Paracelsus.“ „Der grüne Kakadu.“ Drei
Einacter von Arthur Schnitzler. (Deutsches Theater.)
Wie weiland den Webern, so hat jetzt die Cenfur dem Grünen
Nakadu übel mitgespielt, in beiden Fällen mit dem gleichen Erfolge.
Wahrlich, zwischen dem brüllenden Jubel, der Gerhart Hauptmann's
Elendstragödie begrüßte, und dem tollhäuslerischen Radau, der die Gro¬
teske“ des Herrn Schnitzler auf ihrem Zuge in die Unsterblichkeit be¬
gleitete, ist nicht einmal ein gradueller Unterschied. Allerdings fehlte
bei der Première am Sonnabend Herr Singer, dessen Anwesenheit der
Erstaufführung der Weber besondere Weihe verliehen und dessen dicker
Bauch sich so stimmungsvoll von den Jammergestalten der Hundefleisch¬
fresser auf der Bühne abgehoben hatte. Den Singer waren wir los,
doch die um ihn waren geblieben, die Hunnen, die das Theater für eine
Parteidestille halten und Kunstwerke mit dem in verräucherten Ver¬
sammlungslocalen üblichen Begeisterungsgehenl überschütten.
Dabei ist Herrn Schnitzler's Groteske gar nicht so übel. Sie zeigt
uns freilich, daß dieser Autor kein freischaffendes Genie ist, dessen Phantasie
sich aus seinem Herzblut nährt, sondern daß er alle Wirkungen und
Schlager mühsam ergrübelt. Je dröhnendere Essecte Schnitzler anstrebt,
desto deutlicher wird die Mache, die künstliche Ueberhitzung. Doch unser
Dichter ist ein Mann von vielem Geist, und sein mühsames Bestreben
unterhält, seine Tüfteleien und Bosseleien interessieren, so wenig sie auch
erwärmen. Die Idee, auf dem blutigen Untergrund der großen Revo¬
lution eine frech satirische Carricatur im Placatstil zu zeichnen, ist sogar
meisterhaft und einzelne Umrisse, einzelne Schattenstriche sind meister¬
Für
haft ausgeführt. Das Ganze leidet indeß am eigenen Uebermaß. Zu
deutlich zeigt Schnitzler, daß er durchaus den Ossa auf den Pelion
thürmen, Unerhörtes geben will, eine unmögliche Vereinigung grobstoff¬
licher Cirkusscenen und intimer, raffinirt seiner Kunstoffenbarungen.
„ 10 Die Form widerspricht dem Inhalt, und höchstens diese Stillosigkeit das
kann als Groteske gelten. Im Grünen Kakadu spielt eine wilde Komö¬
Abon diantenbande einem Parterre überreizter Aristokraten allerlei blut¬
Abom künstigen Unfug vor. Man renommirt mit Verbrechen, die man nie
begangen hat, klagt sich furchtbarer Unthaten an, deren Genesis und
*Verlauf höchst naturalistische Schilderung findet, und stellt sich in pieantem
*Gegensatz zu dem neben diesen eingebildeten, schwärmenden Missethätern
höchst matt ausschauenden, wirklichen Mörder. Der hochbegabte Mime
Henri erzählt den gespannt lauschenden Zuhörern mit unheimlicher An¬
schaulichkeit, wie er den Herzog Soundso, der seine Frau verführt hat,
in rasender Eisersucht niederstach. Das Publicum steht erschüttert vor
der grandiosen Ausschneiderei. Und plötzlich wird das Geflunker zur
Wahrhent. Heuri erjahrt, daß sein Weid ihn wirklich mit dem Herzoge
betrogen hat, und wie der hohe Herr nun ahnungslos den Grünen
Kakadu betritt, stößt er ihn rasch entschlossen nieder. In die Mordthat
hinein rauscht die wilde Kunde von der Erstürmung der Bastille, und
mit einem gedoppelten Effect schließt das farbige Bühnenbild. Die
große Revolution muß beim Actschluß mitwirken; im übrigen fehlt dem
Stück alle historische Perspective. Ein Drama ist es nicht, auch kein
Trämchen. Dafür hinterläßt es zu sehr den Eindruck des Verworrenen,
Gehäuften, ist allzuwenig naiv und ursprünglich.
Neben dem auf jeden Fall geistreichen Spiel vom Grünen Kakadu
nehmen sich die beiden anderen Einaeter kläglich genug aus. Paracelsus¬
erinnert ausdringlich an desselben Verfassers Frage an das Schicksal,
nur daß die Komödie sich diesmal schwerer, beziehungsvoller giebt. Der
große Wundermann Theophrastus Bombastus, alias Hohenheim, zaubert
seinem lieben alten Bekannten hypnotischen Spuk vor. Die hübsche
junge Frau des Neugierigen bekennt im somnambulen Schlaf einen Ehe¬
bruch, den sie nie begangen hat. Als Theophrast sie dann ermahnt, die
Wahrheit, die volle Wahrheit zu bekennen, gesteht sie in der zweiten
Hypnose ein, daß er selbst dereinst ihr vergötterter Liebling gewesen ist
und daß sie ihm alles gewährt hätte, wenn er nur mutig genug gewesen?
wäre, zu sordern. Mit weisheitsvollen Worten beschließt Pararelsus;
das Getändel:
„Es fließen ineinander Traum und Wachen