Gegend von Wan, wo sie die Ruinen Topratale untersuchten,
durch die ihnen übersandten Mittel dazu in den Stand ge¬
setzt, nach Mosul, dem alten Ninive, zugewendet, das ja seit
der Zeit Layards gut bekannt ist. Die Veranlassung zu dieser
Reise waren beglaubigte Nachrichten, daß sich dort Stelen mit
chaldäischen Inschriften befinden. Da der Zweck der Expe¬
dition ist, den Resten des in Armenien nachgewiesenen Volkes
der Chaldi nachzuforschen so erschien diese der ursprünglichen
Absicht nicht entsprechende Tour gerechtfertigt. Die Herren
hatten eine sehr beschwerliche Reise in Folge großer Kälte und
starker Schneefälle; der Schnee lag 4 bis 5 Meter hoch.
Wenn die türkische Regierung den Reisenden nicht in
so liebenswürdiger Weise entgegengekommen wäre und
ihnen 20 Mann Eskorte beigegeben hätte, wäre es
wohl nicht möglich gewesen, diese Schwierigkeit zu
überwinden. Der Zweck der Tour wurde vollständig erreicht.
Man fand viele noch unbekannte, gut erhaltene Inschriften,
welche die alte Geschichte des chaldäischen Reichs ziemlich voll¬
ständig darlegen. Die Reisenden wanderten auf dem Wege,
den Zenophons Zehntausend vor nunmehr 23 Jahrhunderten
gezogen sind, und haben dieselbe Furt des Tigris durchwatet
wie die Griechen. Außerordentlich interessant waren die aus¬
gedehnten Felsenwohnungen und Städte, welche die
Reisenden am Tigris fanden. Ganz kolossal sind diese An¬
lagen bei Hassankef — in welchem Namen Dr. Lehmann
das Kephenia des Plinius zu erkennen glaubt. Der Ort liegt
am rechten Tigrisufer, 3 Tagereisen unterhalb Diarbekr. Dr.
Lehmann hat in dieser großartigen Felsenstadt nicht weniger
als 3000 Felsenzimmer durchwandert und schätzt die Gesammt¬
zahl auf 5000. Einzelne Wohnungen bestehen aus
12 Zimmern. Man findet großartige Tunnels, Wendel¬
treppen bis 180 Stufen 2c., und eine
große
hydraulische Anlage, die, stufenförmig angelegt, gestattet, durch
einen kleinen Wasserlauf 17 Turbinenmühlen zu betreiben.
Leider sind bisher in den Felsenwohnungen keine archäologi¬
schen Funde gemacht worden, welche Aufschlüsse über diese An¬
lagen geben konnten. Derartige Felsenwohnungen finden sich
auch in Georgien, namentlich an der Kura; die Reisenden sind
geneigt, das Gebiet derselben für chaldäisch zu halten. Nach
dieser Tour gegen Osten beabsichtigen sie gegen Westen zu
ziehen. Ob es möglich sein wird, daß sie auch diesen Theil
des ehemaligen chaldäischen Gebietes durchforschen können,
wozu vier bis sechs Monate erforderlich wären, hängt davon
ab, ob sich die dazu erforderlichen Mittel zusammenbringen
lassen. —2—44
Theater und Musik. ##nch
G. Z. Da die drei Einakter Arthur Schnitzlers, die am
Sonnabend im Deutschen Theater aufgeführt wurden,
bereits aus dem Berichte unseres Wiener Herrn Mit¬
arbeiters (vergl. Beilage Nr. 55) ihrem Inhalte nach bekannt
sind, ist es nicht nöthig, mit ausführlicher Kritik auf sie ein¬
zugehen. „Die Gefährtin“ das erste Stück des Abends, ist
zwar ohne Zweifel in seinen Voraussetzungen etwas erklügelt,
wie fast alle Arbeiten Schnitzlers, aber der sehr fein aufgebaute
Dialog mit seinen gedämpften müden Tönen und der illu¬
sionslosen Betrachtung von Leben und Menschen macht doch
einen unmittelbar ergreifenden Eindruck. Herr Nissen, Frl.
Sarrow und Herr Winterstein trafen den rechten Ton.
Die Aufnahme war herzlich. „Der grüne Kakadu“ schlug
am stärksten ein. Im Grunde giebt Schnitzler trotz der bunten
Mannigfaltigkeit sehr wenig in dieser Revolutionsszene. Die
Schauer jener fürchterlichen Zeit des Bastillesturmes hat er
nicht in dieses Virtuosenstück zu bannen verstanden. Man
merkt überall zu sehr die Absicht: so wenn die Marquise mit
lüsterner Grausamkeit dem Treiben des Pöbels zusieht, und
wenn die Ermordung des Herzogs nur als eine prickelnde
Emotion auf ihre erschlafften Nerven wirkt. Das macht
durchaus keinen erschreckenden Eindruck, sondern erscheint nur
als ein effektvoller Einfall, wie das ganze Gemisch von Ernst
und Spiel und das Treiben in der Verbrecherkneipe. Die zügel¬
lose Wildheit der Revolutionstiger wiederzugeben, dazu reicht
Schnitzlers Kraft nicht, aber bühnenwirksam ist dieses historische
Bild ungemein, zumal bei einer
vortrefflich abge¬
stimmten Aufführung wie im Deutschen Theater Herr
Kginz als Schauspieler Henri verwischte“ in
der
Thäk die Grenze zwischen Spiel und Wirklichkeit
daß nicht nur die Zuschauer auf der Bühne, sondern
1899.
—
auch die im Theater „sich nicht mehr auskannten“
wie der zarte Marquis de Tremouille sagt. Nur in der stark
rhetorischen Färbung seines Pathos hielt er mit feinem künst¬
lerischen Takt die Unterscheidung aufrecht. Neben ihm traten
vor Allem noch die Herren Fischer, als Wirth, Rittner K
als Gauner Grain, jene mit sicherem Bühnensinn erfundene 5
Figur des wirklichen Verbrechers, in einer schauderhaft echten
Maske, Geisendörfer als der junge Marquis aus der
Provinz, Reinhardt als Grasset, Ziener als Scaevola
und Frl. Dumont als Marquise heivor. Nicht mindere
Anerkennung aber verdient das ganze lebensvolle Zu¬
sammenspiel, das an den Regisseur sehr hohe Anforderungen
stellt. Die Zuhörer waren begeistert, und Schnitzler konnte
garnicht oft genug für den Beifall danken. „Paracelsus“,
das unterhaltende, sauber gearbeitete Suggestionsstück mit
seinem geistvoll gewendeten Schluß, gefiel ebenfalls recht gut.
Heri Kainz sprach die feinen Schlußsentenzen über Sein und
Schein, die beinahe wie ein Epilog zu dem vorangegangenen
„Grünen Kakadu“ klingen, mit jener nachdrücklichen und ein¬
drucksvollen Wärme, wie nur ihm sie zu Gebote steht.
Dumont und Frl. Heims, Herr Nissen, Herr Fischer
und Herr Ziener standen ihm mit guten Leistungen zur 7
Seite.
durch die ihnen übersandten Mittel dazu in den Stand ge¬
setzt, nach Mosul, dem alten Ninive, zugewendet, das ja seit
der Zeit Layards gut bekannt ist. Die Veranlassung zu dieser
Reise waren beglaubigte Nachrichten, daß sich dort Stelen mit
chaldäischen Inschriften befinden. Da der Zweck der Expe¬
dition ist, den Resten des in Armenien nachgewiesenen Volkes
der Chaldi nachzuforschen so erschien diese der ursprünglichen
Absicht nicht entsprechende Tour gerechtfertigt. Die Herren
hatten eine sehr beschwerliche Reise in Folge großer Kälte und
starker Schneefälle; der Schnee lag 4 bis 5 Meter hoch.
Wenn die türkische Regierung den Reisenden nicht in
so liebenswürdiger Weise entgegengekommen wäre und
ihnen 20 Mann Eskorte beigegeben hätte, wäre es
wohl nicht möglich gewesen, diese Schwierigkeit zu
überwinden. Der Zweck der Tour wurde vollständig erreicht.
Man fand viele noch unbekannte, gut erhaltene Inschriften,
welche die alte Geschichte des chaldäischen Reichs ziemlich voll¬
ständig darlegen. Die Reisenden wanderten auf dem Wege,
den Zenophons Zehntausend vor nunmehr 23 Jahrhunderten
gezogen sind, und haben dieselbe Furt des Tigris durchwatet
wie die Griechen. Außerordentlich interessant waren die aus¬
gedehnten Felsenwohnungen und Städte, welche die
Reisenden am Tigris fanden. Ganz kolossal sind diese An¬
lagen bei Hassankef — in welchem Namen Dr. Lehmann
das Kephenia des Plinius zu erkennen glaubt. Der Ort liegt
am rechten Tigrisufer, 3 Tagereisen unterhalb Diarbekr. Dr.
Lehmann hat in dieser großartigen Felsenstadt nicht weniger
als 3000 Felsenzimmer durchwandert und schätzt die Gesammt¬
zahl auf 5000. Einzelne Wohnungen bestehen aus
12 Zimmern. Man findet großartige Tunnels, Wendel¬
treppen bis 180 Stufen 2c., und eine
große
hydraulische Anlage, die, stufenförmig angelegt, gestattet, durch
einen kleinen Wasserlauf 17 Turbinenmühlen zu betreiben.
Leider sind bisher in den Felsenwohnungen keine archäologi¬
schen Funde gemacht worden, welche Aufschlüsse über diese An¬
lagen geben konnten. Derartige Felsenwohnungen finden sich
auch in Georgien, namentlich an der Kura; die Reisenden sind
geneigt, das Gebiet derselben für chaldäisch zu halten. Nach
dieser Tour gegen Osten beabsichtigen sie gegen Westen zu
ziehen. Ob es möglich sein wird, daß sie auch diesen Theil
des ehemaligen chaldäischen Gebietes durchforschen können,
wozu vier bis sechs Monate erforderlich wären, hängt davon
ab, ob sich die dazu erforderlichen Mittel zusammenbringen
lassen. —2—44
Theater und Musik. ##nch
G. Z. Da die drei Einakter Arthur Schnitzlers, die am
Sonnabend im Deutschen Theater aufgeführt wurden,
bereits aus dem Berichte unseres Wiener Herrn Mit¬
arbeiters (vergl. Beilage Nr. 55) ihrem Inhalte nach bekannt
sind, ist es nicht nöthig, mit ausführlicher Kritik auf sie ein¬
zugehen. „Die Gefährtin“ das erste Stück des Abends, ist
zwar ohne Zweifel in seinen Voraussetzungen etwas erklügelt,
wie fast alle Arbeiten Schnitzlers, aber der sehr fein aufgebaute
Dialog mit seinen gedämpften müden Tönen und der illu¬
sionslosen Betrachtung von Leben und Menschen macht doch
einen unmittelbar ergreifenden Eindruck. Herr Nissen, Frl.
Sarrow und Herr Winterstein trafen den rechten Ton.
Die Aufnahme war herzlich. „Der grüne Kakadu“ schlug
am stärksten ein. Im Grunde giebt Schnitzler trotz der bunten
Mannigfaltigkeit sehr wenig in dieser Revolutionsszene. Die
Schauer jener fürchterlichen Zeit des Bastillesturmes hat er
nicht in dieses Virtuosenstück zu bannen verstanden. Man
merkt überall zu sehr die Absicht: so wenn die Marquise mit
lüsterner Grausamkeit dem Treiben des Pöbels zusieht, und
wenn die Ermordung des Herzogs nur als eine prickelnde
Emotion auf ihre erschlafften Nerven wirkt. Das macht
durchaus keinen erschreckenden Eindruck, sondern erscheint nur
als ein effektvoller Einfall, wie das ganze Gemisch von Ernst
und Spiel und das Treiben in der Verbrecherkneipe. Die zügel¬
lose Wildheit der Revolutionstiger wiederzugeben, dazu reicht
Schnitzlers Kraft nicht, aber bühnenwirksam ist dieses historische
Bild ungemein, zumal bei einer
vortrefflich abge¬
stimmten Aufführung wie im Deutschen Theater Herr
Kginz als Schauspieler Henri verwischte“ in
der
Thäk die Grenze zwischen Spiel und Wirklichkeit
daß nicht nur die Zuschauer auf der Bühne, sondern
1899.
—
auch die im Theater „sich nicht mehr auskannten“
wie der zarte Marquis de Tremouille sagt. Nur in der stark
rhetorischen Färbung seines Pathos hielt er mit feinem künst¬
lerischen Takt die Unterscheidung aufrecht. Neben ihm traten
vor Allem noch die Herren Fischer, als Wirth, Rittner K
als Gauner Grain, jene mit sicherem Bühnensinn erfundene 5
Figur des wirklichen Verbrechers, in einer schauderhaft echten
Maske, Geisendörfer als der junge Marquis aus der
Provinz, Reinhardt als Grasset, Ziener als Scaevola
und Frl. Dumont als Marquise heivor. Nicht mindere
Anerkennung aber verdient das ganze lebensvolle Zu¬
sammenspiel, das an den Regisseur sehr hohe Anforderungen
stellt. Die Zuhörer waren begeistert, und Schnitzler konnte
garnicht oft genug für den Beifall danken. „Paracelsus“,
das unterhaltende, sauber gearbeitete Suggestionsstück mit
seinem geistvoll gewendeten Schluß, gefiel ebenfalls recht gut.
Heri Kainz sprach die feinen Schlußsentenzen über Sein und
Schein, die beinahe wie ein Epilog zu dem vorangegangenen
„Grünen Kakadu“ klingen, mit jener nachdrücklichen und ein¬
drucksvollen Wärme, wie nur ihm sie zu Gebote steht.
Dumont und Frl. Heims, Herr Nissen, Herr Fischer
und Herr Ziener standen ihm mit guten Leistungen zur 7
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