II, Theaterstücke 9, (Der grüne Kakadu. Drei Einakter, 3), Der grüne Kakadu. Groteske in einem Akt, Seite 641

9.4. per gruehe kakaduZykius
Seite 3.
u. z. Boh. Nr. 155.

Paracelsus fühlt sich dadurch und durch die Nähe
„Wir wissen nichts von Andern, nichts von uns,
der Geliebten von ehemals, der Waffenschmiedsgattin
„Wir spielen immer, wer es weiß, ist klug.“
Justine (Frl. Immisch), gereizt, dem Philister, der
licherlich spricht aus diesen individuell geprägten
seines Weibes so sicher wie seiner Habe zu sein glaubt,
die dem, ganzen Einacterabend an die Stirne
seine Uibermacht zu zeigen. Justina hat die Leiden¬
ben werden könnten, eine Zeitstimmung zu
schaft des Junkers Anselm erweckt, der sich ihr ver¬
usere jungen und jüngsten Dichter wehren sich
geblich mit heißen Liebesanträgen nähert. Paracelsus
die erlösende Empfindung, gegen das Erwachen,
nützt diesen Sachverhalt, den er mit sicherem Blicke
s ins Gleichgewicht bringt, sie drängen uns
erspäht hat, versetzt, zu Gaukeleien aufgefordert, das
Albdunkel hinein und lassen uns darin zurück,
Weib des Waffenschmieds in hypnotischen Schlaf und
efreiende Wahrheit im Gefühl, ohne die Mög¬
suggerirt ihr vor dem Erwachen die Vorstellung, daß
jene Identität von Licht und Wärme, die der
sie sich dem Junker hingegeben habe. Der Effect
Grillparzer, lange vor den Forschern der Ge¬
ist ein so vollständiger, daß die im Banne der Sug¬
Ft verkündete, zu erfüllen. Die drei Schnitzler¬
gestion stehende Frau ausführliche Geständnisse ablegt
Dramolets sind ungemein charakteristisch in dieser
und Paracelsus selbst zu zweifeln beginnt, ob Wahn¬
ng. Sorgfältig g gliedert in den Voraus¬
vorstellung oder Erinnerung aus ihr reden. Nicht, um
en, streben sie keinem Abschlusse zu, fein in die
den verzweifelten Gatten zu beruhigen, sondern um
Der Träume, Triebe und Zwangsvorstellungen
sich selbst Klarheit zu schaffen, macht der Wunderarzt
deutend, sagen sie uns nichts vom Erwachen
der einen Suggestion ein Ende, um eine andere her¬
n der Selbstbeherrschung, äußerlich zu einer
vorzurufen; er nöthigt Justine, die Wahrheit aus
ig hingeleitend, sind sie, innerlich gefaßt, doch
dem Grunde ihrer Seele hervorzuholen und in Worten
kohne eine Antwort. Sie bescheiden sich, uns
zu verkünden. Nun erklärt sie, daß sie zwar rein ge¬
rstellung zu geben, daß wir, nachtwandelnd am
blieben, aber Gedankensünden begangen, und daß
tlichen Tag, mit trügerischer Sicherheit hart
es die höchste Zeit für sie sei, den Junker aus
grunde durchs Leben schreiten, und daß ein
den Augen zu verlieren. In ihrem Wahrheitsdrange
farer Weckruf aus unbekannten Tiefen den
gesteht sie ihre alte Liebe zu Paracelsus, der einst
jeden Moment herbeiführen kann. Gewiß liegt
gleich jenem Junker von heute, durch Resignation und
iz in diesen Enthüllungen, die uns wieder nur
Abschied ihre Unschuld begnadete, verräth sie zuletzt
r zeigen, und fraglos liegt mehr Geist in dieser
auch die Neigung ihrer Schwester Cäcilie (Frl. Urfus)
fidung als in jener breitmäuligen Allerwelt¬
zu dem gefährlichen Anselmus und weist dem Ver¬
kit, die uns im Strom der Redensarten über
führer einen willkommenen Ausweg aus seinen Her¬
füfte des Daseins hinwegtragen möchte. Aber es
zenswirren. Cyprian ist gewarnt, und Paracelsus zieht
was Höheres als diese skeptische Bescheidung,
als stolzer Sieger von dannen. Die mit Feinheit ge¬
je Großen der Kunst und der Menschheit haben
führte Satire deutet ins Unbestimmte hinaus. Der
krlangen darnach in uns erweckt, das sich nie¬
allzu zuversichtliche Cyprian glaubt jetzt durch Er¬
und nirgends, am allerwenigsten aber auf der
fahrung klug geworden zu sein, aber nus will be¬
shöhe der dramatischen Kunst, die das Licht¬
dünken, der Arzt gab ihm wohl die Diagnose, aber
kniß so hoch gesteigert hat, zurückdrängen läßt.
keine Heilmittel in die Hand.=
lt uns nicht ein, dem Dichter mit der Schul¬
In der modernen Welt, in der das zweite Stück¬
it zu kommen, die alles zwischen Himmel und
chen „Die Gefährtin“ spielt, bedarf es keines
usgerechnet haben will, und wir stellen uns
Paracelsus, um die Seelenthore zu öffnen. Sie thun
nicht an die Seite des selbstzufriedenen Phi¬
sich allgemach von selbst der Erkenntniß eines weisen
den die dämonische Kraft seines Paracelsus
Mannes, des Professors Pilgram (Herr Freiburg) auf,
nt. Aber der Anspruch auf Erlösung aus
der zu edel ist, um klug zu sein. Pilgram kehrt von
bender Pein“ wird im Bereiche der Kunst nie¬
dem Begräbnisse seiner Frau, die vor zwei Tagen
berstummen, und jenes moderne epigramma¬
einem Herzschlage erlag, in seine Wohnung zurück
Dramolet, das sich mit einer tiefgreifenden oder
und leidet unter dem conventionellen Mitleid der
gespitzten Frage begnügt, kann die Menschen
Menschen. Nicht deshalb aber, weil dieses Mitleid
timmen, aber nicht befriedigen. Das Publicum
nicht an die Größe seines Schmerzes heranreicht,
urch Nacht zum Lichte geführt sein; es will hell
sondern weil er mit dem Geheimniß seines wahren
über die Hellseherei hinaus, es soll tagen, gleich¬
Schmerzes allein ist. Nicht die Trauer, sondern das
b dem Untergange oder dem Aufgange, ob in
Gefühl, nicht trauern zu können, erfüllt ihn mit
ten Erkenntniß die Schwere des Menschen¬
eigenthümlichem Schauer. Die Frau, die er heute
s empfunden und überwunden wird, oder ob
begrub, hat er längst verloren. Das bischen Duft, das
achtgeister vor der Heiterkeit des Morgens zurück¬
sie in sein Leben brachte, verflüchtigte sich rasch.
n. Die dramatischen Skizzen Schnitzlers, die
Nach einem Jahre der Tändelei wandte sie sich von
hinen heraus in die fragmentarische Form ge¬
dem bei weitem älteren Manne, mit dem sie kein
st werden, leben sich in der Dämmerung aus.
geistiges und kein gemüthliches Interesse theilte, völlig
Publicum nahm Antheil an diesen feingestimmten
ab, und Pilgram gewährte ihr die Freiheit. Er
blättern, aus denen soviel intimes Schaffen an¬
wußte sie in sträflichem Einverständniß mit seinem
t; aber es fühlte sich nicht durchwärmt und
Assistenten Doctor Hausmann (Herr von Wymetal)
n. Man dachte mit, man folgte mit Aufmerk¬
und wartete nur ein Geständniß ab, um auf das,
t, man war gefesselt, ohne daß eine Be¬
was er nicht mehr besaß, zu verzichten und den beiden
6 folgte; man bewunderte manchen Zug, aber
die Vereinigung möglich zu machen. Eine Freundin
Banze hinterließ Verwunderung.
des Hauses Olga Merholm (Fräulein Baumgart),
Das hier zuerst gegebene, schon durch den Vers
Lie ein fein angedenteter Zug tiefer Neigung an den
die nackte Wirklichkeitsmalerei herausgehobene
vereinsamten Mann fesselt, hält diesen für den her¬
chen „Paracelsus“ ist ein physiologisches
kömmlichen betregenen Gatten und will ihm die Ent¬
hen in dem Sinne, in dem Jules Verne physi¬
deckung, daß er nichts zu betrauern hat, ersparen.
e geschrieben hat. Die zur Kunst ausgebildeten
Unter dem Vorwande, ein eigenes Geheimniß zu be¬
nen Versuche mit Hypnose uns Suggestion
wahren, versucht sie compromittirende Briefe der Ver¬
In da ins Fabelhafte gesteigert, um die Thore
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6. Juni 1899.
. T
nun, daß sein Weib für den Freund nicht ein Gegen
stand tiefer ernster Neigung, sondern ein verächtliches
Spielzeug gewesen, und in wild ausbrechendem
Zorne weist er den Elenden, der sein Haus be¬
schmutzte, hinaus. Aber diese Enthüllung ist nicht
die letzte, nicht die furchtbarste. Um den lebenden
Freund zu rechtfertigen, gibt Olga Merholm die
Todte, an der nichts zu halten ist, preis. Das pflicht¬
vergessene Weib des Professors wußte, daß ihr Ge¬
liebter verlobt sei; es war ihr gleichgültig, wie Alles,
was außerhalb der Sphäre ihrer Leichtfertigkeit und
Sinnlichkeit lag. Selbst das untrene Weib, das
Dilgram hochherzig duldete, war eine Wahnvorstellung
eine Verlorene hatte ein Jahrzehnt neben dem
fremden Mann gelebt. Dem Schluße des interes¬
santen Seelengemäldes fehlt eine kräftige Symbolik.
Auf Monologe ist bekanntlich ein Verdict gelegt, das
vorgezeichnete Geberdenspiel sagt uns zu wenig —
ein Nachtstück ist an uns vorbeigegangen.
„Der grüne Kakadu“ ist der Name einer
Pariser Spelunke, in der in den Tagen des Aus¬
bruchs der französischen Revolution Komödianten und
Aristokraten verkehren. Der Wirth Prospère (Herr
Zeisler), ein ehemalige: Director einer herumziehenden
Truppe, veranstaltet hier eigenthümliche Komödien,
die den Geschmack der Uibersättigten und Blasirten
reizen. Seine Schauspieler geberden sich als Ver¬
brecher, erzählen die furchtbarsten Schaudthaten und
bereiten dadurch den aristokratischen Zuhörern ein
prickelndes Vergnügen. Zugleich fühlen sich die vor¬
nehmen Spelunkenbesucher dadurch gekitzelt, daß man
ihnen Cynismen an den Kopf wirft und sie en
canaille behandelt. Hinter den überreizten Scherzen
lauert die Wahrheit, unter die Komödianten, die
Verbrecher darstellen, mischt sich ein Verbrecher, dessen
wahrhaftige Geständnisse den Eindruck einer matten
Komödie machen und die Grafen und Herzoge, die
1 mit der Canaille zu spielen meinen, fühlen eine un¬
heimliche Sehnsucht nach der Brutalität, die sie mit
Basiliskenblicken anzieht. Unter den Aristokraten ist
einer, der Herzog von Cadignan (Herr Tauber), dem
angeblich kein Weib widersteht, unter den Schau¬
spielern ein Virtnose Henri (Herr Freiburg), der
keinet Art von Weiblichkeit widerstehen kann. Heuri
macht die Geliebte des Herzogs, die Schauspielerin
Leocadie (Frl. Dienstl), zu seiner Frau, und träumt
sich in eine rechtschaffene Idylle mit der Verlorenen
hinein. Für seine Spelunkenkomödie aber wählt er
sich das Motiv, daß er seine Frau im sträflichen Zu¬
sammensein mit dem Herzog betroffen und den letzteren
getödtet habe Vielleicht sind unter der Schwelle des
Bewußtseins Ahnung und Zwangsvorstellung in ihm
mächtig — aber er spielt die Komödie in der festen
Meinung, daß er glücklich liebe und Leocadie ihm
treu sei. Zu seinem Entsetzen gewahrt er, daß man
desmal die Komödie für Wirklichkeit nimmt, ver¬
nimmt er, daß Leocadie ihn erst gestern mit dem
Herzog betrogen habe, hört er die Worte der Zu¬
stimmung, die den Bericht über seine Rachethat be¬
gleiten. Die Komödie, die für Wirklichkeit genommen
würde, geht in die Wirklichkeit über. Der Herzog
etscheint gerade recht, um dem Wüthenden zum Opfer
zu:fallen; der Dolch, das Spielzeug des Komödianten,
durchbohrt seine Brust. Während der Mord geschieht,
verkündet eine hereindringende Volksmenge, daß die
Bastille genommen sei — und inmitten all' dieser
Schrecknisse und Wirren weidet sich eine aristokratische
Lebefrau (Frau Buska) an Mord und Wildheit und
gibt in ihrer Erregung dem Liebhaber (Herr von
Wymetal) ein Stelldichein. Eine geistvolle Colorit¬
studie, ein Stück Pathologie des Uiberreizes, der die