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drei Einalter beirift, eine es murenwen
und man kann nicht einmal sagen, daß sich zuletzt — wie
doch die Absicht war — wenigstens die Heiterkeit gehoben
hätte. Denn die Lachstürme blieben bei der „Partie Piquet“
so ziemlich aus. Nach den kleinen Einaktern von Schnitzler
und Hartleben sah das Publikum mit einiger Betroffenheit
diese verstaubte und kindische Posse mit an, die jetzt noch
älter, noch schwächer und noch unlebendiger scheint, als
irgend ein Schwank von Kotzebue. Ein wenig verstaubt
mutet ja auch Otto Erich Hartlebens Satire „Die sittliche
Forderung“ an. Salopp und skizzenhaft hingewischt sind
die beiden Gestalten, das aus kleinstädtischer Beschränktheit
ins freie Künstlertum entsprungene Mädchen, das es bis
zum Varietéstern gebracht hat, und der treuherzig morali¬
sche Jugendgeliebte, der nun kommt, die Verlorene wieder
in die legitime Ordnung heimzuholen, der aber auf seiner
sittlichen Forderung nicht weiter besteht, da er merkt, daß
man auch auf andere Weise zu einem vergnüglichen Er¬
gebnis gelangen kann. Das gleiche Motiv, das Suder¬
manns „Heimat“ bringt, ist auch hier angeschlagen, wird
hier aber bloß in beiläufiger, gutgelaunter Bummeligkeit
mehr improvisierend als gestaltend, mehr in Späßen
rednerisch als dramauisch behandelt, während Sudermann
mit der starken Faust eines Theatralikers zugreift. Gemein¬
sam ist beiden Stücken, dem Schauspiel von Sudermann
wie dem Schwänkchen von Hartleben, daß in der Verspot¬
tung des Spießbürgers und in der verwogenen Kampf¬
stellung gegen die Moralphilister ein gut Teil Spießbürger¬
tum zu spüren bleibt, das sich über die eigene Kühnheit
ebenso wundert wie entzückt.
Am stärksten wirkt der erste der drei Einakter, Artur
Schnitziers „Gefährtin“, wie denn an den meisten Werken
Schnitzlers mit den Jahren mehr und mehr die edle Geistig¬
keit, die ihnen innewohnt, hervortritt, so daß diese Stücke,
wenn man, sie nach langer Zeit wiedersieht, von einem
merkwürdig ergreifenden Schimmer überbreitet sind. Ein
Glanz, der langsam tiefer und milder geworden ist. Mit
leiser, aber eindringlicher Kraft sind die Gestalten gezeich¬
net. Auch die Gestalt der toten Frau tritt, unsichtbar, doch
in voller Lebendigkeit hervor. Leife, aber mit unwider¬
stehlicher, innerer Notwendigkeit wird die Vorgeschichte auf¬
treff¬
gerollt in einem Dialog, dessen hohe Kultur, des
r
sichere Meisterschaft unendlich wohltut. Daß ein
Mann, der von seiner um vieles jüngeren
wird, seine Würde in dem Glauben re
Frau und der treulose Freund seien
Leidenschaft einander verbunden, stöhnt
qualen und würden nächstens vielleich
Bekenntnis abzulegen und um ihre
diesem Mann nach dem plötzlichen
auch dieser schützende Irrtum genot
fahren muß, er sei gar nicht um ei
willen, sondern einfach durch das
zweier ganz banaler, in ihrer B
Menschen gefoppt worden, gehört zu
die man gewöhnlich „geistvoll“ nennt
riff des
weil die Alltagskritik über den sehr tr
nenschlich
„Geistvollen“ zu der wahrhaft dichter
kompri¬
weisen und beziehungsreichen Gestalt sol
mierten Dramas gar nicht hinlangt, sich auch nicht die
Mühe nimmt, hinzulangen.
Bassermann spielt in der „Gefährtin“ den doppelt
Betrogenen und er ist niemals feiner, niemals schauspiele¬
risch größer, ist in munteren Rollen gewiß nicht einleuch¬
tend und ergötzlicher, aber niemals liebenswerter als in
dieser seiner ganz besonderen Kunst, die verwundete Liebe,
den ins Herz getroffenen Stolz eines vornehmen Menschen
zu zeigen. Den Provinzkaufmann in Hartlebens „Sittlicher:
Forderung“ gibt er mit hinreißendem Humor, wobei aber
der großstädtische Weltmann, der aus eigenem, leutseligen
Witz an der Gestalt des Kleinbürgers mitarbeitet, unter
der Maske des Provinzlers überall zum Vorschein kommt.
Sein Virtuosenstück leistet er freilich mit dem Chevalier im
zten Einakter. Aber das spielt er doch mehr zu eigenem
rgnügen. Neben ihm trat (in der „Gefährtin“) der junge
ildkraut hervor, der den Dr. Hausmann in einer un¬
glückseligen Perücke, aber mit einem überraschend großen
und starken Talent spielte, was immerhin angenehmer ist,
als wenn er, umgekehrt, mit einem unglückseligen Talent,
aber mit einer guten Perücke gespielt hätte.
Felix Salten.
Ellassnhnn Maittt ssch Ans Aunamansan
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drei Einalter beirift, eine es murenwen
und man kann nicht einmal sagen, daß sich zuletzt — wie
doch die Absicht war — wenigstens die Heiterkeit gehoben
hätte. Denn die Lachstürme blieben bei der „Partie Piquet“
so ziemlich aus. Nach den kleinen Einaktern von Schnitzler
und Hartleben sah das Publikum mit einiger Betroffenheit
diese verstaubte und kindische Posse mit an, die jetzt noch
älter, noch schwächer und noch unlebendiger scheint, als
irgend ein Schwank von Kotzebue. Ein wenig verstaubt
mutet ja auch Otto Erich Hartlebens Satire „Die sittliche
Forderung“ an. Salopp und skizzenhaft hingewischt sind
die beiden Gestalten, das aus kleinstädtischer Beschränktheit
ins freie Künstlertum entsprungene Mädchen, das es bis
zum Varietéstern gebracht hat, und der treuherzig morali¬
sche Jugendgeliebte, der nun kommt, die Verlorene wieder
in die legitime Ordnung heimzuholen, der aber auf seiner
sittlichen Forderung nicht weiter besteht, da er merkt, daß
man auch auf andere Weise zu einem vergnüglichen Er¬
gebnis gelangen kann. Das gleiche Motiv, das Suder¬
manns „Heimat“ bringt, ist auch hier angeschlagen, wird
hier aber bloß in beiläufiger, gutgelaunter Bummeligkeit
mehr improvisierend als gestaltend, mehr in Späßen
rednerisch als dramauisch behandelt, während Sudermann
mit der starken Faust eines Theatralikers zugreift. Gemein¬
sam ist beiden Stücken, dem Schauspiel von Sudermann
wie dem Schwänkchen von Hartleben, daß in der Verspot¬
tung des Spießbürgers und in der verwogenen Kampf¬
stellung gegen die Moralphilister ein gut Teil Spießbürger¬
tum zu spüren bleibt, das sich über die eigene Kühnheit
ebenso wundert wie entzückt.
Am stärksten wirkt der erste der drei Einakter, Artur
Schnitziers „Gefährtin“, wie denn an den meisten Werken
Schnitzlers mit den Jahren mehr und mehr die edle Geistig¬
keit, die ihnen innewohnt, hervortritt, so daß diese Stücke,
wenn man, sie nach langer Zeit wiedersieht, von einem
merkwürdig ergreifenden Schimmer überbreitet sind. Ein
Glanz, der langsam tiefer und milder geworden ist. Mit
leiser, aber eindringlicher Kraft sind die Gestalten gezeich¬
net. Auch die Gestalt der toten Frau tritt, unsichtbar, doch
in voller Lebendigkeit hervor. Leife, aber mit unwider¬
stehlicher, innerer Notwendigkeit wird die Vorgeschichte auf¬
treff¬
gerollt in einem Dialog, dessen hohe Kultur, des
r
sichere Meisterschaft unendlich wohltut. Daß ein
Mann, der von seiner um vieles jüngeren
wird, seine Würde in dem Glauben re
Frau und der treulose Freund seien
Leidenschaft einander verbunden, stöhnt
qualen und würden nächstens vielleich
Bekenntnis abzulegen und um ihre
diesem Mann nach dem plötzlichen
auch dieser schützende Irrtum genot
fahren muß, er sei gar nicht um ei
willen, sondern einfach durch das
zweier ganz banaler, in ihrer B
Menschen gefoppt worden, gehört zu
die man gewöhnlich „geistvoll“ nennt
riff des
weil die Alltagskritik über den sehr tr
nenschlich
„Geistvollen“ zu der wahrhaft dichter
kompri¬
weisen und beziehungsreichen Gestalt sol
mierten Dramas gar nicht hinlangt, sich auch nicht die
Mühe nimmt, hinzulangen.
Bassermann spielt in der „Gefährtin“ den doppelt
Betrogenen und er ist niemals feiner, niemals schauspiele¬
risch größer, ist in munteren Rollen gewiß nicht einleuch¬
tend und ergötzlicher, aber niemals liebenswerter als in
dieser seiner ganz besonderen Kunst, die verwundete Liebe,
den ins Herz getroffenen Stolz eines vornehmen Menschen
zu zeigen. Den Provinzkaufmann in Hartlebens „Sittlicher:
Forderung“ gibt er mit hinreißendem Humor, wobei aber
der großstädtische Weltmann, der aus eigenem, leutseligen
Witz an der Gestalt des Kleinbürgers mitarbeitet, unter
der Maske des Provinzlers überall zum Vorschein kommt.
Sein Virtuosenstück leistet er freilich mit dem Chevalier im
zten Einakter. Aber das spielt er doch mehr zu eigenem
rgnügen. Neben ihm trat (in der „Gefährtin“) der junge
ildkraut hervor, der den Dr. Hausmann in einer un¬
glückseligen Perücke, aber mit einem überraschend großen
und starken Talent spielte, was immerhin angenehmer ist,
als wenn er, umgekehrt, mit einem unglückseligen Talent,
aber mit einer guten Perücke gespielt hätte.
Felix Salten.
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