Liebe
box 10/4
5. Liesslei
Seite 3.
Mephisto
Nr. 4.
wandten Schauspielers) auf's Haar einem Berliner Dandy noch nicht durch den Goldklang der Tantièmen um
seine Unschuld gebracht war, auf die Hofbühne zu
glich. Den Wiener Dialekt haben nur Fräulein
bringen.
Reinier, Fräulein Ida Timling (deren „Mizi
Dem Stammpublikum des Residenztheaters
Schlager“ ein echtes Wiener Frücht'l voll Verve und
ist also Felix Philippi kein Unbekannter; im Gegen¬
theil, man kennt ihn sehr gut, man weiß ganz genau,
„Hamur“, nur ein bischen gar zu „resch“ angepackt war)
worauf man sich bei ihm gefaßt machen und was man
und Herr Krein=Rhoden (als Fritz Lobheimer) be¬
nicht von ihm erwarten darf. Man geht zu seinen
herrscht. Das war zweifellos ein den Gesammteindruck
Premièren wie in eine Gesellschaft, in der man sich
empfindlich störender Mangel, welcher aber keineswegs be¬
schon öfters sehr gut amüsirt hat, in der einem die
weist, daß es dem von Direktor Meßthaler gebildeten En¬
Stunden in der Unterhaltung mit klugen, erfahrenen
und beredsam plaudernden Leuten schon mehrmals
semble an tüchtigen, leistungsfähigen Kräften fehlt, sondern
ungemein rasch und angenehm entflogen sind, gleich¬
nur, daß es noch einige Lücken darin gibt, die aus¬
viel, ob man am nächsten Morgen noch eine Ahnung
zufüllen man zweifellos bestrebt sein wird. Freilich darf
davon hatte, wovon eigentlich die Rede gewesen war
dabei auch nicht vergessen werden, daß die Stücke, welche
und warum man dem Gespräch so theilnahmsvoll ge¬
das Programm Direktor Meßthaler's bilden, im Hinblick
lauscht hatte. Man weiß, oder man erwartet wenigstens
mit Bestimmtheit, daß der Abend „bei Philippi“ wieder
auf die Verschiedenartigkeit und Komplizirtheit ihrer
„ganz reizend“ wieder sehr unterhaltend und anregend
Milieus der Darstellung ganz andere Schwierigkeiten
sein wird. Wovor man sich aber hütet, das ist die
bereiten, als das beliebte Salon=Repertoir unserer Tages¬
Illusion, in „Stimmung“ versetzt zu werden, bei einem
größen, welche die Rollen ihrer Stücke nach gewissen
Dichter geladen zu sein, dessen Worten man im
Schablonen den verschiedenen „Fächern“ auf den Leib zu
Innersten bewegt lauschen könnte, dessen Gestalten uns
Mitgefühl einflößen würden. Davor hütet man sich, denn
schreiben pflegen.
man würde sich mit solchen naiven Erwartungen nur
Ein hiesiger Kritiker, dessen Urtheil stets hochachtbar
den Abend verderben.
erscheint, weil es der lauteren Quelle einer vornehmen
Das Publikum, das „seinen Philippi“ kennt und,
Gesinnung entspringt, hat bedauert, daß die „Liebelei“
in diesem Sinne vorbereitet, seiner letzten Soirée im
nicht im Hoftheater aufgeführt wurde. Er ist jedoch
Residenztheater beiwohnte, wird auch diesmal keine
Enttäuschung erlebt haben. Man hat sich insgesammt
den Beweis dafür schuldig geblieben, daß sie dort in
wieder vortrefflich amüsirt, man wurde wieder in
der Hauptsache eine bessere Darstellung gefunden hätte,
virtuoser Weise unterhalten, sogar in angenehm kitzelnde
als im Deutschen Theater; er hat vergessen zu ver¬
Spannung versetzt; man hat anfangs ziemlich viel ge¬
rathen, wer denn wohl auf der Hofbühne die „Christine“
lacht und schließlich wäre es beinahe rührend geworden;
mit einem Worte: man war vollkommen befriedigt;
besser oder nur ebenso gut gespielt hätte, wie Fräulein
man applaudirte herzhaft, rief den Autor schon nach
Reinier; er hat uns nicht davon überzeugt, daß im
dem zweiten Akte wiederholt, nach dem Schlußakte, um
Hoftheater der Wiener Lokalton besser und einheitlicher
ihn sich ganz genau anzusehen, fünfmal und ging dann
getroffen worden wäre, als im Deutschen Theater: er hat
in bester Stimmung nach Hause. Viele werden sich
nicht bedacht, daß man wohl überhaupt nicht berechtigt
das Stück nochmals ansehen, Alle werden es all' ihren
ist, von einem jungen, erst am Beginn seiner Ent¬
Verwandten und Bekannten empfehlen, die Kassen¬
rapporte werden wieder glänzend ausfallen und das
wicklung stehenden Kunstinstitute, das sich im Laufe der Zeit
nächste Opus Felix Philippi's wird Herr Possart bereits
noch zu vervollkommnen haben wird, zu fordern, daß es
im Keime erwerben.
schon heute in jeder Beziehung den Vergleich mit einem
Wir sind weit davon entfernt, Herrn Felix Philippi
jahrhundertalten, in jedmöglicher Weise begünstigten
diesen Erfolg zu mißgönnen oder gar zu behaupten,
Hoftheater aushalten könne. Er scheint aber auch
er habe ihn nicht verdient. Wer das Publikum so
trefflich zu unterhalten versteht und zwar mit der Miene
übersehen zu haben, worin das Deutsche Theater dem
und im Tone eines Gentleman, mit den Mitteln eines
Hostheäter schonl heute überlegen ist. Ich muß mich
klugen, weltkundigen Mannes, der verdient zweifellos,
für heute damit begnügen, dies wohl verständlich genug
daß man sich bei ihm bedankt. Daß Herr Felix Philippi
angedeutet zu haben. Bei nächster Gelegenheit vielleicht
kein Dichter ist, sondern ein ungewöhnlich begabter
J. Sch.
ein Mehreres darüber!
Theaterschriftsteller, der sein Metier aus dem ff kennt,
das ist kein Fehler, für den er verantwortlich zu machen
*
wäre. Denn man macht sich nicht selbst zum Dichter.
„
„Wer war's?“
Zu tadeln wäre blos, wenn in seiner Arbeit die
Prätension läge, sie sei das Werk eines Dichters. Ich
Schauspiel in drei Akten von Felix Philippi.
habe sie jedoch nicht darin entdecken können. Es ist
(Erstaufführung im königl. Residenztheater am 10. Oktober 1896.)
ehrliche und anspruchslose Arbeit.
Felix Philippi gehört schon beinahe zu den
Ob es auch sonst tadellose Arbeit ist? Nicht
Hausdichtern des königlichen Residenztheaters. Die Kassen¬
so ganz. Philippi hat, will mir scheinen, diesmal sein
rapporte über seine „Wohlthäter der Menschheit“, seinen
Metier nicht mit der Umsicht ausgeübt, wie in den
„Dornenweg“ mögen im Intendanzbureau mit ver¬
früheren hier bekannt gewordenen Fällen. Es hätte
gnüglichem Schmunzeln aufgenommen worden sein und
ihm sonst nicht entgehen können, daß schon die Fabel
so brachte man seinem jüngsten Opus solches Vertrauen
des neuen Stückes in ihrem Kern nicht ganz gesund
entgegen, daß man sich sogar zu der kühnen Leistung
ist. Eine junge Frau aus der besten Gesellschaft, eine
entschloß, ein Stück, das noch nirgends seine Zugkraft
bewährt hatte, das noch vollkommen jungfräulich und junge Dame, welche für gebildet, ja sogar für besonders
box 10/4
5. Liesslei
Seite 3.
Mephisto
Nr. 4.
wandten Schauspielers) auf's Haar einem Berliner Dandy noch nicht durch den Goldklang der Tantièmen um
seine Unschuld gebracht war, auf die Hofbühne zu
glich. Den Wiener Dialekt haben nur Fräulein
bringen.
Reinier, Fräulein Ida Timling (deren „Mizi
Dem Stammpublikum des Residenztheaters
Schlager“ ein echtes Wiener Frücht'l voll Verve und
ist also Felix Philippi kein Unbekannter; im Gegen¬
theil, man kennt ihn sehr gut, man weiß ganz genau,
„Hamur“, nur ein bischen gar zu „resch“ angepackt war)
worauf man sich bei ihm gefaßt machen und was man
und Herr Krein=Rhoden (als Fritz Lobheimer) be¬
nicht von ihm erwarten darf. Man geht zu seinen
herrscht. Das war zweifellos ein den Gesammteindruck
Premièren wie in eine Gesellschaft, in der man sich
empfindlich störender Mangel, welcher aber keineswegs be¬
schon öfters sehr gut amüsirt hat, in der einem die
weist, daß es dem von Direktor Meßthaler gebildeten En¬
Stunden in der Unterhaltung mit klugen, erfahrenen
und beredsam plaudernden Leuten schon mehrmals
semble an tüchtigen, leistungsfähigen Kräften fehlt, sondern
ungemein rasch und angenehm entflogen sind, gleich¬
nur, daß es noch einige Lücken darin gibt, die aus¬
viel, ob man am nächsten Morgen noch eine Ahnung
zufüllen man zweifellos bestrebt sein wird. Freilich darf
davon hatte, wovon eigentlich die Rede gewesen war
dabei auch nicht vergessen werden, daß die Stücke, welche
und warum man dem Gespräch so theilnahmsvoll ge¬
das Programm Direktor Meßthaler's bilden, im Hinblick
lauscht hatte. Man weiß, oder man erwartet wenigstens
mit Bestimmtheit, daß der Abend „bei Philippi“ wieder
auf die Verschiedenartigkeit und Komplizirtheit ihrer
„ganz reizend“ wieder sehr unterhaltend und anregend
Milieus der Darstellung ganz andere Schwierigkeiten
sein wird. Wovor man sich aber hütet, das ist die
bereiten, als das beliebte Salon=Repertoir unserer Tages¬
Illusion, in „Stimmung“ versetzt zu werden, bei einem
größen, welche die Rollen ihrer Stücke nach gewissen
Dichter geladen zu sein, dessen Worten man im
Schablonen den verschiedenen „Fächern“ auf den Leib zu
Innersten bewegt lauschen könnte, dessen Gestalten uns
Mitgefühl einflößen würden. Davor hütet man sich, denn
schreiben pflegen.
man würde sich mit solchen naiven Erwartungen nur
Ein hiesiger Kritiker, dessen Urtheil stets hochachtbar
den Abend verderben.
erscheint, weil es der lauteren Quelle einer vornehmen
Das Publikum, das „seinen Philippi“ kennt und,
Gesinnung entspringt, hat bedauert, daß die „Liebelei“
in diesem Sinne vorbereitet, seiner letzten Soirée im
nicht im Hoftheater aufgeführt wurde. Er ist jedoch
Residenztheater beiwohnte, wird auch diesmal keine
Enttäuschung erlebt haben. Man hat sich insgesammt
den Beweis dafür schuldig geblieben, daß sie dort in
wieder vortrefflich amüsirt, man wurde wieder in
der Hauptsache eine bessere Darstellung gefunden hätte,
virtuoser Weise unterhalten, sogar in angenehm kitzelnde
als im Deutschen Theater; er hat vergessen zu ver¬
Spannung versetzt; man hat anfangs ziemlich viel ge¬
rathen, wer denn wohl auf der Hofbühne die „Christine“
lacht und schließlich wäre es beinahe rührend geworden;
mit einem Worte: man war vollkommen befriedigt;
besser oder nur ebenso gut gespielt hätte, wie Fräulein
man applaudirte herzhaft, rief den Autor schon nach
Reinier; er hat uns nicht davon überzeugt, daß im
dem zweiten Akte wiederholt, nach dem Schlußakte, um
Hoftheater der Wiener Lokalton besser und einheitlicher
ihn sich ganz genau anzusehen, fünfmal und ging dann
getroffen worden wäre, als im Deutschen Theater: er hat
in bester Stimmung nach Hause. Viele werden sich
nicht bedacht, daß man wohl überhaupt nicht berechtigt
das Stück nochmals ansehen, Alle werden es all' ihren
ist, von einem jungen, erst am Beginn seiner Ent¬
Verwandten und Bekannten empfehlen, die Kassen¬
rapporte werden wieder glänzend ausfallen und das
wicklung stehenden Kunstinstitute, das sich im Laufe der Zeit
nächste Opus Felix Philippi's wird Herr Possart bereits
noch zu vervollkommnen haben wird, zu fordern, daß es
im Keime erwerben.
schon heute in jeder Beziehung den Vergleich mit einem
Wir sind weit davon entfernt, Herrn Felix Philippi
jahrhundertalten, in jedmöglicher Weise begünstigten
diesen Erfolg zu mißgönnen oder gar zu behaupten,
Hoftheater aushalten könne. Er scheint aber auch
er habe ihn nicht verdient. Wer das Publikum so
trefflich zu unterhalten versteht und zwar mit der Miene
übersehen zu haben, worin das Deutsche Theater dem
und im Tone eines Gentleman, mit den Mitteln eines
Hostheäter schonl heute überlegen ist. Ich muß mich
klugen, weltkundigen Mannes, der verdient zweifellos,
für heute damit begnügen, dies wohl verständlich genug
daß man sich bei ihm bedankt. Daß Herr Felix Philippi
angedeutet zu haben. Bei nächster Gelegenheit vielleicht
kein Dichter ist, sondern ein ungewöhnlich begabter
J. Sch.
ein Mehreres darüber!
Theaterschriftsteller, der sein Metier aus dem ff kennt,
das ist kein Fehler, für den er verantwortlich zu machen
*
wäre. Denn man macht sich nicht selbst zum Dichter.
„
„Wer war's?“
Zu tadeln wäre blos, wenn in seiner Arbeit die
Prätension läge, sie sei das Werk eines Dichters. Ich
Schauspiel in drei Akten von Felix Philippi.
habe sie jedoch nicht darin entdecken können. Es ist
(Erstaufführung im königl. Residenztheater am 10. Oktober 1896.)
ehrliche und anspruchslose Arbeit.
Felix Philippi gehört schon beinahe zu den
Ob es auch sonst tadellose Arbeit ist? Nicht
Hausdichtern des königlichen Residenztheaters. Die Kassen¬
so ganz. Philippi hat, will mir scheinen, diesmal sein
rapporte über seine „Wohlthäter der Menschheit“, seinen
Metier nicht mit der Umsicht ausgeübt, wie in den
„Dornenweg“ mögen im Intendanzbureau mit ver¬
früheren hier bekannt gewordenen Fällen. Es hätte
gnüglichem Schmunzeln aufgenommen worden sein und
ihm sonst nicht entgehen können, daß schon die Fabel
so brachte man seinem jüngsten Opus solches Vertrauen
des neuen Stückes in ihrem Kern nicht ganz gesund
entgegen, daß man sich sogar zu der kühnen Leistung
ist. Eine junge Frau aus der besten Gesellschaft, eine
entschloß, ein Stück, das noch nirgends seine Zugkraft
bewährt hatte, das noch vollkommen jungfräulich und junge Dame, welche für gebildet, ja sogar für besonders