II, Theaterstücke 5, Liebelei. Schauspiel in drei Akten, Seite 371

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5. Liebelei
„Prage Zertg 7//096 71 220.
Böhmisches Landestheater.
(„Liebelei“ (Milkovánf“). Schauspiel in drei Acten von
Arthur Schnitzler. Jas Böhmische übertragen von
Jos. Fr. Javürek.)
Artbur Schnitzler, dessen neuestes Schauspiel „Lie¬
belei“ gestern hier zur ersten Aufführung gelangte, ist ein
Glückskind unter unseren modernen Bühnen=Autoren;
er darf getrost nach rechts oder links ein Hiebchen austbeilen,
da er eine liebenswürdige Art hat, die Wahrheit zu sagen,
und ihr geschickt ein Mäntelchen umzahängen versteht. Er
besitzt ein bedeutendes formales Talent und er weiß, daß in
unserer Zeit dessen richtige Verwerthung Erfolge verspricht;
er ist auch ein literarisch wohlgeschulter Mann, der in den
Meisterwerken deutscher und außerdeutscher, insbesondere
französischer Literatur gut Bescheid weiß und durch ihr Stu¬
dium seinen Geschmack geläutert hat. Er tritt in die Bewe¬
gungen des Tages ein und sucht die Gegensätze unserer Zeit
in seinen Bühnenwerken zum Ausdruc zu bringen. Wohl¬
ausgerüstet begibt er sich so in den Dichterkampf und nicht
allzu schwer erringt er in ihm seine Siege; er ist einer der
erfolgreichsten Wiener Autoren und einer von denen, deren
neue Werke mit Spannung erwartet ,werden.
Anläßlich der Erstaufführung des deutschen Originals
„Liebelei“ im deutschen Landestheater am 20. Feber d. J.
hat unser Schauspiel=Reserent für dieses Theater im Feuil¬
leion der „Prager Zeitung“ vom 21. Feber d. J. Nr. 43
die Handlung des Stückes ausführlich wiedergegeben. Um
das Sujet des Stückes im Gedächtnisse unserer Leser aufzu¬
frischen, lassen wir hier eine kurze Skizze desselben folgen.
Um was es sich handelt? Sehr viel handelt sich's über¬
haupt nicht. Fritz Lobheimer und Theodor Kaiser sind aus
so weit es sich um die Vermögensverhältnisse handelt —
gutem Hause. Das benutzten auch Beide, indem sie sich in
dem schönen lustigen Wien als Lebemänner qualificiren.
Dazu gehören aber natürlich auch Liebenschaften. Die Mo¬
distin Mizi Schlager ist Theodors Geliebte, eines Menschen,
der, obwohl erst vor den Rigorosen stehend, Lebensanschau¬
ungen entwickelt, die einem alten gichtischen Roué allenfalls
Ehie machen würden. Lieben, aber ja nicht warm empfinden,
kalter Genußmensch, dem nur der Moment etwas gilt, der
aber beileibe nicht von einem tieferen Empfinden sich be¬
berrschen lassen würde, ein absolut unsympathischer Patron.
Fritz Lobheimer, sein Freund, ist ein Schwächling, der gleich¬
ttalls keine Sympathie einzuflößen vermag. Durch freundliche
Vermittlung der grisettenhaften Modistin Mizi Schlager ist
er mit Christine Weiring, Tochter des Violinspielers am
Josefstädter Theater, Hans Weiring, bekannt geworden.
Das Mädchen war bisher brav und faßt, einmal verführt,
für Fritz eine innige ernste Zuneigung, der aber seinerseits
nebenbei noch ein Verhältniß mit einer verheiratheten Frau
unterhält. Er hätte seiner Gemüthsveranlagung nach wohl
das Zeug zu einem anständigen Menschen, wenn er nur
eben nicht ein solcher moralischer S# wächling wäre. Und
ein Angstmeier ist er auch noch; denn die Besorgniß, daß
der betrogene Gatte seiner Geliebten Nr. 1 etwas erfahren
könnte, ist keine Gewissensregung, sondern einfach Furcht vor
den rächenden Consequenzen. Seine Furcht ist begründet.
Der Betrogene fordert ihn und schießt ihn nieder. Christine
läuft, als sie es erfährt davon, nachdem sie noch kurz vorher
ihrem Vater ihren Fehltritt gebeichtet bat, der aber gar
nichts Besonderes darin finden kann, daß seine Tochter sich
einen Liebhaber angeschafft hat, von dem sie weiß, daß er sie
nie heirathen wird. Warum denn auch? Soll sich das
Mädel amüsiren; man ist nur einal jung. Die echte
„Weaner Verkaufts mei G'wand“=Moral; Christine läuft
also davon und ihr Vater äußert die Ueberzeugung, „Sie
kommt nicht wieder, sie kommt nicht wieder!“ Anstatt ihr
nachzueilen, sinkt er aber vor dem Fenster laut schluchzend
zu Boden und läßt dem Verhängniß seinen Lauf. Die
hondelnden Personen sind Typen à la fin de siècle. Die
Charakterzeichnungen sind entschieden gut, das Ganze ist
wirklich ein Sück Leben.
Das Schanspiel „Liebelei“, dessen treffliche Ueber¬
tragung ins Böhmische, wie bereits Eingangs erwäbnt, von
Jos. Fr. Javürek herrührt, fand gestern seitens des vollen
Hauses eine sehr freundliche Aufnahme. Die Darsteller waren
den hohen Anforderungen, welche dieses vortreffliche und
außerordentlich spannende Stück an dieselben stellt, vollkom¬
men gewachsen und ernteten reichlichen Beifall. Den aus¬
führlichen Bericht über die Aufführung bringen wir im heu¬
tigen „Prager Abendblatt“.
Jtahnen Deue 76 76 (keLig.
* 2 Narodniho divadla. Vbereiti novinka
pfiväbila valné mnozstvi premiérowého obecenstva.
Bylf provozován opét plod Moderny, jei éim däle
tim vice ziskává si püdy, budajic na troskách
starycn tradio novy paläc uméni, a predvädéjie
misto smyslenky pravdu, misto idedla ekuteönh
zivot. V einohre, Arthura Schnitslere „Milko¬
äni“, prelokené velice sprävné od Jos. Fr. Ja¬
vürka, vystupujf tyto vyznaöné ryey svlästé püso¬
bivon mérou. Hlavnf tézisko osudu hry spodivá na
hereich, jimz nutno zrici se dablonovitého pathoen
achräti zcela prirozené, aby esoby, jes predstavaji,
byly jako v Zivoté z masa a kosti a ne jako zjevy
zgmych sfer. V ohledu tom tuäf'se nabi umölel,
sec eily jich stadi. Zvlasté mledél pochopuji svüy
nesbadny ukol uspokojivé. Dekäsalyf toho vöera
pfedevéim pi. Kvapilová v ülose Krietiny a sl.
Velsová v uloze modistky Mici; k nim druzili
se öestné pan Sedläcek i pan Vojan. Celkové
soulra prece väak nebyla taková, jak bychom si
ji präl; na nékterych mistech nutno bräti
ziwssim tempem, k demusoriemeb¬
dobie ulohy napamét. Dé) „Milkovani“ jest velice
jednoduchy. Dva mladi svibéci, student: Bedrich
Lobheimer (p. Vojan) a Theodor Kaiser (p. Sed¬
lädek) stykaji se düvérné s divkami Kristinon (pf.
Kvapilová) a Mici (el. Velsovä). Kdesto Miei po¬
vazuje väe jen zà pouhon zäbavu, samilnje se
Kristina läskou väsnivon do Bodriche, netußic, ze
milenec jeji mä pomèr s ienon vdanon. Klamany
manzel dovi se väak vöe a uemrti Bedrichav
souboji. Kristina v zoufalstvi opowätt domov, aby s
miläckem rozloudila se na jeho hrobé. Osud geji
ponechán diváku k rozlusténi. Obecenstvo prijalo
novinku vrele, s patrnou zälibon. Druhé predeta¬
veni bude zajisté jeêté zdarilejéf pryniho.
ager Venta4
10 %0
** Vom böhmischen Landestheater. Der
morgige Abend bringt uns wieder eine Novität: Ar¬
thur Schnitzler's dreiactiges Schauspiel „Lie¬
belei“ (Milkováni). Das Stück ist eine Talentprobe.
die nichts gemein hat mit den unzäbligen Jamben¬
tragödien, in denen „die verlassene Ariadne“ und ver¬
wandte Motive mit eingelegten Arien entstellt werden.
Jeder dramtische Stoff, den sich ein Bühnendichter zur
Behandlung zurechtlegt, biegt in sich eine geheime
Logik, die einer Vergewaltigung widerstrebt. Der
Grundton bei den Voraussetzungen und den ersten
Elementen der Handlung muß auch das ganze Büh¬
nenwerk beherrichen. Wo dies nicht der Fall, offenbart