Liebele
5. „1 box 10//7
Telefon 12801.
Unternehmen für Zeitungs-Ausschnitte.
Ausschalf
N 105
Nr. 38
„OBSERVER“
1 österr. behördl. conc. Bureau für Zeitungsberichte u. Personalnachrichten
Wien, IX/1. Türkenstrasse 17.
Filiale in Budapest: „Figyeló“
Vertretungen in Berlin, Chic go, London, Newyork, Paris, Stockholm.
Ausschnitt aus: 27eee, Gecgergez
von3
Residenztheater.
Gastspie des Fräulein Irene Triesch.
—
Auch Arthur Schnitzlers Schauspiel Liebelei, in dem Fräu¬
lein Triesch all Sonntabells Zü eisten Male die Christine spielte,
hatte kein regeres Interesse in den Kreisen hiesige Kunst= und
Theaterfreunde zu erwecken vermocht, das Haus blieh erschreckend leer.
Möglich, daß nicht nur die langersehnten Sommerabende die Theil¬
nahmlosigkeit des Publikums verschuldet haben, daß vielmehr aich
der unkluge Anfang des Gastspiels mit dem abstoßenden Zolaschen
Trauerspiel abschreckend gewirkt hat. Einen erfreulichen Gegensatz
zu dieser frostigen Oede im Zuschauerraum bildete die ###olle
Aufführung auf der Bühne. Das Stück fesselt an sich, fordert
onausgesetzt unser Mitfühlen, Mitdenken und Mitempfinden und
läßt selbst manche Schwächen in der Darstellung übersehen. Im¬
allgemeinen kann sich die Aufführung der Liebelei in unserem
Residenztheater sehen lassen, sie zeichnet sich durch ein lebens¬
volles, abgerundetes und natürliches Zusammenspiel vortheilhaft
aus. Am Sonnabend nahm man zwar das Tempo sehr oft zu
rasch, so daß durch unheimliches Hasten mancher Eindruck ver¬
wischt wurde und an die Stelle allmählichen Austönens der
Stimmugen der Charakter der Unruhe und Sprunghaftigkeit
trat, aber in den Einzelleistungen wurde viel Anerkennenswerthes
geboten. Das Hauptinteresse nahm natürlich Fräulein Triesch
in Anspruch, die ihr großes schauspielerisches Talent in der Dar¬
stellung dieses unglücklichen Menschenkindes voll entfalten konnte.
Sie hat sich von Anfang an als eine verständnißvolle Künstlerin zire
Für
verwiesen, die anfangs das liebende, von vornherein mit trüben 6.
z Ahnungen erfüllte Mädchen bis zu einem gewissen Grade mit har
beschlichter Innigkeit und rührender Einfalt, mit Betonung des gaus.
tocträumerisch sinnigen Zuges in Christine zu spielen verstand
und später auch in der Wiedergabe der mehr und mehr ist
### anwächsenden Verzweiflung der Unglücklichen eine reich aus¬ #es den
Abon gebildete Darstellungskunst verrieth. Allerdings sprach aus der
Leistung immer mehr das schauspielerische, auf vielem Lernen
beruhende Können zu uns, von dem bestrickenden Zauber
mädchenhafter Reine und von dem poetischen Hauch ersten
Liebesglückes, Dinge, die um Christinens Haupt einen Heiligen¬
Schein weben, von der Anmuth und Tiefe der reinen Natür
tieß Fräulein Triesch recht wenig spüren; freilich sind auch ihr
ganzes Aeußere, ihre Wesenheit, ihre stark markirten Züge, ihr
Lachen und Weinen kaum geeignet, uns ein Mädchen wie
Schnitzlers Christine mit ihrer unendlichen Seelentiefe und
wundersamen Liebesinnigkeit, mit ihrer namenlosen Verzweiflung
und ihrem nur durch den Tod auslöschbaren Schmerz mit voller
Ueberzeugungskraft hinzustellen. Wir konnten uns vieler sinniger
Züge und großer Momente in der Darstellung freuen, blieben
aber in innerster Seele meist unberührt und mußten unwillkür¬
lich der letzten Darstellung der Christine durch Frau Sorma
denken, die jene Kunst besaß, uns ganz und gar in ihren Bann¬
kreis zu zwingen. Diese Größe in der Menschendarstellung ver¬
mochte Fräulein Triesch nicht zu erreichen, sie gab uns eine
große schauspielerische Leistung, die Achtung verdient, aber
ihre Leistung wollte sich nicht zum vollendeten Bilde
reiner Menschlichkeit, das über dem dargestellten Charakter
uns die Darstellerin vergessen macht, verdichten. Herr Siebert
spielte den Fritz gewandt und mit feindurchdachten Zügen.
Fräulein Nordegg konnte als Mizzi Fräulein Gersa nicht ver¬
gessen machen, ihr fehlte jeder liebenswürdige Zug und warme
Ton, der dieses Wiener Mädel in ihrem Lustigkeitsdrang, ihrer
Genußfreudigkeit und ihrer Ungeschminktheit im Thun und
Sprechen uns sympathisch macht. Feste ernste Züge verlieh Herr
Lewent dem Gegner des Fritz. Ausgezeichnet waren wieder
Herr Witt und Herr Janda, sowie Frau Kronthal, deren
Leistungen wiederholt an dieser Stelle rühmend hervorgehoben
worden sind.
G. J.
5. „1 box 10//7
Telefon 12801.
Unternehmen für Zeitungs-Ausschnitte.
Ausschalf
N 105
Nr. 38
„OBSERVER“
1 österr. behördl. conc. Bureau für Zeitungsberichte u. Personalnachrichten
Wien, IX/1. Türkenstrasse 17.
Filiale in Budapest: „Figyeló“
Vertretungen in Berlin, Chic go, London, Newyork, Paris, Stockholm.
Ausschnitt aus: 27eee, Gecgergez
von3
Residenztheater.
Gastspie des Fräulein Irene Triesch.
—
Auch Arthur Schnitzlers Schauspiel Liebelei, in dem Fräu¬
lein Triesch all Sonntabells Zü eisten Male die Christine spielte,
hatte kein regeres Interesse in den Kreisen hiesige Kunst= und
Theaterfreunde zu erwecken vermocht, das Haus blieh erschreckend leer.
Möglich, daß nicht nur die langersehnten Sommerabende die Theil¬
nahmlosigkeit des Publikums verschuldet haben, daß vielmehr aich
der unkluge Anfang des Gastspiels mit dem abstoßenden Zolaschen
Trauerspiel abschreckend gewirkt hat. Einen erfreulichen Gegensatz
zu dieser frostigen Oede im Zuschauerraum bildete die ###olle
Aufführung auf der Bühne. Das Stück fesselt an sich, fordert
onausgesetzt unser Mitfühlen, Mitdenken und Mitempfinden und
läßt selbst manche Schwächen in der Darstellung übersehen. Im¬
allgemeinen kann sich die Aufführung der Liebelei in unserem
Residenztheater sehen lassen, sie zeichnet sich durch ein lebens¬
volles, abgerundetes und natürliches Zusammenspiel vortheilhaft
aus. Am Sonnabend nahm man zwar das Tempo sehr oft zu
rasch, so daß durch unheimliches Hasten mancher Eindruck ver¬
wischt wurde und an die Stelle allmählichen Austönens der
Stimmugen der Charakter der Unruhe und Sprunghaftigkeit
trat, aber in den Einzelleistungen wurde viel Anerkennenswerthes
geboten. Das Hauptinteresse nahm natürlich Fräulein Triesch
in Anspruch, die ihr großes schauspielerisches Talent in der Dar¬
stellung dieses unglücklichen Menschenkindes voll entfalten konnte.
Sie hat sich von Anfang an als eine verständnißvolle Künstlerin zire
Für
verwiesen, die anfangs das liebende, von vornherein mit trüben 6.
z Ahnungen erfüllte Mädchen bis zu einem gewissen Grade mit har
beschlichter Innigkeit und rührender Einfalt, mit Betonung des gaus.
tocträumerisch sinnigen Zuges in Christine zu spielen verstand
und später auch in der Wiedergabe der mehr und mehr ist
### anwächsenden Verzweiflung der Unglücklichen eine reich aus¬ #es den
Abon gebildete Darstellungskunst verrieth. Allerdings sprach aus der
Leistung immer mehr das schauspielerische, auf vielem Lernen
beruhende Können zu uns, von dem bestrickenden Zauber
mädchenhafter Reine und von dem poetischen Hauch ersten
Liebesglückes, Dinge, die um Christinens Haupt einen Heiligen¬
Schein weben, von der Anmuth und Tiefe der reinen Natür
tieß Fräulein Triesch recht wenig spüren; freilich sind auch ihr
ganzes Aeußere, ihre Wesenheit, ihre stark markirten Züge, ihr
Lachen und Weinen kaum geeignet, uns ein Mädchen wie
Schnitzlers Christine mit ihrer unendlichen Seelentiefe und
wundersamen Liebesinnigkeit, mit ihrer namenlosen Verzweiflung
und ihrem nur durch den Tod auslöschbaren Schmerz mit voller
Ueberzeugungskraft hinzustellen. Wir konnten uns vieler sinniger
Züge und großer Momente in der Darstellung freuen, blieben
aber in innerster Seele meist unberührt und mußten unwillkür¬
lich der letzten Darstellung der Christine durch Frau Sorma
denken, die jene Kunst besaß, uns ganz und gar in ihren Bann¬
kreis zu zwingen. Diese Größe in der Menschendarstellung ver¬
mochte Fräulein Triesch nicht zu erreichen, sie gab uns eine
große schauspielerische Leistung, die Achtung verdient, aber
ihre Leistung wollte sich nicht zum vollendeten Bilde
reiner Menschlichkeit, das über dem dargestellten Charakter
uns die Darstellerin vergessen macht, verdichten. Herr Siebert
spielte den Fritz gewandt und mit feindurchdachten Zügen.
Fräulein Nordegg konnte als Mizzi Fräulein Gersa nicht ver¬
gessen machen, ihr fehlte jeder liebenswürdige Zug und warme
Ton, der dieses Wiener Mädel in ihrem Lustigkeitsdrang, ihrer
Genußfreudigkeit und ihrer Ungeschminktheit im Thun und
Sprechen uns sympathisch macht. Feste ernste Züge verlieh Herr
Lewent dem Gegner des Fritz. Ausgezeichnet waren wieder
Herr Witt und Herr Janda, sowie Frau Kronthal, deren
Leistungen wiederholt an dieser Stelle rühmend hervorgehoben
worden sind.
G. J.