II, Theaterstücke 5, Liebelei. Schauspiel in drei Akten, Seite 623

Tebe
5. Lamnssei
K
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sympathischeste Erscheinung uns hier bereits der Tppus des „lieben, süßen
Wiener Mädels“ entgegentritt, dem wir in Schnitzlers dramatischen und
novellistischen Arbeiten so oft begegnen und den er in so liebenswürdiger
Weise zu zeichnen versteht.
Arthur Schnitzler ist am 15. Mai 1862 zu Wien geboren. Während
der ersten Jahre seiner schriftstellerischen Thätigkeit vereinigte er damit die
praktische Ausübung des ärztlichen Berufes, für den er sich zunächst aus¬
gebildet hatte. Seit einigen Jahren lebt er in Wien ausschließlich seinem
dichterischen Schaffen.
Dem ernsten Schauspiel „Tiebelei“ lassen wir das Lustspiel
Literatur
folgen, das ebenfalls Arthur Schnitzler zum Verfasser hat.
„Titeratur“ spielt, wie „Tiebelei“, in Wien, jedoch in einer ganz
anderen Sphäre. Es berühren sich darin zwei sonst getrennte Welten, die
der literarischen Bohême und die aristokratische Sportswelt, die der Dichter
in witziger und erheiternder Form in Beziehung zu einander bringt.
e
Splvesternacht.
Ein Dialog von Arthur Schnitzler.
Das geräumige Speisezimmer der Familie, in dem eben ein Souper
zu vierundzwanzig Gedecken stattgefunden hat. Gläser mit Champagner,
andere mit rothem und weißem Wein, halbgefüllt, stehen noch auf dem
Tisch. Die Sessel in Unordnung. Zwei Kellner, die für den heutigen
Abend gemiethet worden sins, verschwinden durch die Ausgangsthür. Eine
andere Thür, die in den Salon führt, ist angelehnt. Gewirr von Stimmen
dringt herein. Zwei Fenster sind geschlossen, das dritte steht weit offen.
Frau Agathe, die ganz allein ist, blickt hinaus; der Schnee fällt dicht und
lau; zahlreiche erleuchtete Fenster gegenüber. Unten fährt ein Wagen vorbei
wie über einen Teppich. Stimmen tönen gedämpft herauf. Der Sohn des
Hauses, jung und blond, kommt aus dem Salon und will das Speise¬
zimmer passiren; da erblickt er Agathe und wendet sich zu ihr.
Emil: Haben Sie nicht Angst, sich zu verkühlen, gnädige Frau?
Agathe: 0 nein; es ist ganz mild.
Emil: seine Hand zum Fenster hinaushaltend): Merkwürdig — der
Schnee ist beinahe warm. Der Frühling muß schon in der Nähe sein.
Im übrigen, glückliches neues Jahr.
Agathe: Danke, gleichfalls. Sagen Sie mir, was wird denn jetzt
eigentlich geschehen?