II, Theaterstücke 5, Liebelei. Schauspiel in drei Akten, Seite 735

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(Quellenangabe ohne Gé7fhr.)
9. 1907
& Ausschnitt aus: Freie Deutsche Presse
820
Freisinnige Zeitung, Berlin
E vom:
Kunst und Wissenschaft
In den Kammerspielen des Deutschen Theaters ging am
Donnerstag Arthur Schnitzlers dreiaktiges Schauspiel
„Liebelei“ zum erstenmal in Szene. Diese schlichte, lebens¬
wahre bürgerliche Tragödie verlangt — das bewies dieser Abend
— keineswegs den intimen Rahmen, den die Kammerspiele bieten.
Die Wirkung war freilich auch diesmal eine tiefe, aber nicht tiefer,
als sie bei guter Darstellung sonst stets zu sein pflegt. Die Regie
hatte keine Gelegenheit, die Eigenart des Raumes zur Geltung zu
bringen, und so waren es die Schauspieler und ihre Leistungen
allein, auf die sich die Aufmerksamkeit der Zuschauer konzentrierte.
Die Christine wurde von Lucie Höflich sehr zutreffend
die
eine Figur auf
sie es,
gegeben. Klug vermied
Bühne zu stellen, auf der von Anfang an schon eine
Ahnung des drohenden Unheils lastet. Im ersten Akt war
sie ganz das herzige „süße Mädel“ ohne doch die Charakterzüge
zu verleugnen, die sie von ihrer leichtfertigen Freundin Mizi fühl¬
bar unterscheiden, und die den Ausbruch trostloser Verzweiflung am
Schlusse erklärlich erscheinen lassen. Ergreifend wußte sie im zweiten!
Akt zur Erscheinung zu bringen, wie sie gegen den von einer
finsteren Zukunft vorausgeworfenen Schatten ankämpft und wie sie sich
ihm zu entziehen sucht, und ganz auf der Höhe reifer Kunst befand
sie sich im letzten Aufzuge, als es ihr zum Bewußtsein kam, daß
sie für den immer noch geliebten Fritz nur ein Spielzeug unbe¬
schäftigter Augenblicke gewesen war. Von den übrigen Darstellern
kamen ihr nur noch Hans Pagay (Hans Weiring) und
Sophie Pagay (Strumpfwirkersfrau) gleich. Grete
Berger war als Mizi zwar ein frisches, munteres Mädchen,
aber eine individuelle Ausgestaltung dieser Rolle vollbrachte sie
nicht. Auch Eugen Dumont (Fritz) und Alexander Elert
(Theodor) erhoben sich nicht sonderlich über das gewöhnliche Niveau;
der Erstgenannte besonders versäumte es mehrfach, charakteristischen
Feinheiten des Dialogs durch das Spiel zu ihrem Rechte zu ver¬
helfen. Den Herrn, der das frohe Beisammensein der vier jungen
Leute so jäh unterbricht, gab Albert Steinrück mit guter
Haltung und warmem Ton.
Sersburg.
W Oteihr
eschnitt aus:
Die Welt am Kontag, Berim
23 9.4907
E vom:
Theater und Musik.
(Fortsetzung aus dem Hauptblatt.)
Kammerspiele.
(Liebelei.)
Die vornehmen Räume der Kammerspiele, diese Sehenswürdig¬
keit Berlins, nahmen zum ersten Mal in diesem Winter Premieren¬
gäste auf. Die Arbeit Schnitzlers hatte ein gutes Renommee und
so sah man den komgen mit Behagen entgegeut¬
Mancher freute sich wohl auch auf ein Wiedersehen — auf ein
Wiedersehen mit dem Stück, das bereits vor zwölf Jahren in Berlin
gegeben wurde und ihn damals stark in seinen Bannzu ziehen ver¬
mochte. Derartige Wiedersehen haben ihren Reiz — und ihre Ge¬
fahr. Man it selber älter geworden und auch die Stücke bleiben
nicht immer jung. Ich war vor zwölf Jahren anddiesem Abend
nicht rabei, aber ich glaube kaum, daß die „Liebelei“theute so stark
wirkte, wie sie es damals getan haben mag. Wir sind älter ge¬
worden und das Stück ist es auch. Man wird kaum Widerspruch
begegnen, wenn man heute im „grünen Kakadu“ die beste und
geistreichste Arbeit Schnitzlers sieht. Nichtsdestoweniger ist die
„Liebelei“ des vornehmen Raumes würdig, in dem sie gegeben
wurde. Sie ist eine Arbeit, in der sich feiner Kunstverstand und
menschenverständiger Sinn betätigen. Der letztere kommt vor allen
Dingen in dem alten Musikanten zu Wort, bei dem man an den
Musikanten Miller und seine Tochter freilich nicht denken darf.
Mir gefällt am besten der erste Akt, vor allem die Szenen zwischen
den beiden jungen Leuten, in denen man einen klugen und etwas
müden Weltmann reden hört. Der letzte Akt stellt besonders an die
Darstellerin der Christine sehr starke Ansprüche und da traf es
sich so günstig, daß Frl. Höflich diese Ansprüche in wahrhaft
überschwenglicher Weise zu erfüllen wußte. Die Christine ist dem
Dichter nicht ganz geraten. Es fehlt ihr eines Dosis Liebens¬
würdigkeit und auch eine Dosis von der unerschrockenen Sinnlichkeit,
die schließlich doch dazu gehört, wenn ein derartiges Mädel die
Maitresse eines reichen Jungen werden soll. Frl. Höflich gab zu¬
nächst dem Dichter allzu willig nach und bildete die Gestalt allzu
sehr nur aus Gefühl und Treue. In der Schlußszene aber warf
sie alle Bedenken über den Haufen und wuchs so stark empor, daß
jeder Einwand verstummen muß. Die beiden jungen Leute wurden
von Dumont und Ekert intelligent und fein gespielt. In
der Rolle einer leichtfertigen Modistin war Grete Berger lustig
und fesch. Pagay blieb etwas hinter dem Möglichen zurück,
während Sophic Pagay eine Charge zu guter Wirkung brachte.
Die Regie Bernauers gefiel mir vor allem im ersten Akt.
G. S.
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