II, Theaterstücke 5, Liebelei. Schauspiel in drei Akten, Seite 997

5. Liebelei
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Ausschnitt aust
vom
Krteerarcher Aunsseche Saerireslak.
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Kunst und Aissenschaft.
Die Komische Oper brachte gestern — wie
angekündigt — als leuzte „Tat“ des scheidenden
Direktors Gregor das Werk eines hier noch völlig
unbekannten Komponisten heraus, der sich die
schwierige Aufgabe gestellt hat, Arthur Schnitzlers
bekanntes Schauspiel „Liebelei“ wortgetren, sozu¬
sagen mit Haut und Haur, in Musik zu setzen.
Der kühne Mann heißt Franz Neumann und wirkt
als Kapellmeister an der Oper in Frankfurt a. M.
Zum Glück ist, was er in seiner „Liebelei“
geschaffen hat, keine Kapellmeister=Oper, ja, man
darf sagen, daß ihm der gewagte Versuch,
ein Mußikstück modernsten Gepräges mit seinem ganzen
Dialog in musikalische Form zu gießen, ganz vor¬
züglich gelungen ist. Franz Neumann gibt sich in
diese. Oper nicht nur als kenntnisreicher Musiker,
der einen flütsigen musikalischen Satz zu schreiben
versteht, er zeigt auch, daß ei zu den Wenigen,
Allzuwenigen gehört, denen etwas einfällt. Er hat
Erfindung und weiß nicht nur, wo es (wie im ersten¬
Situation erfordert, den Ton sein¬
Akt) die
humoristischer Causerie enzuschlagen, sondern s###er
auch die tragische Geundstimmung des Stückes überall
durchklingen zu lassen.
Freilich berührt es zunächst etwas seltsam, alle
die Alltagsausdrücke solch' eines modernen Dialogs
gesungen zu hören. Aucb liegt bei der Ver¬
tonung eines Wortdramas immer die Gefahr
vor, daß dem Zuhörer manches zu gedehnt, als
änge erscheint, da die Musik nun einmal ein lang¬
sameres Fortschreiten der Hundlung bedingt. Auch
Neumann ist dieser Gefahr nicht ganz entgangen, aber
die melodische Triebkraft seiner Musik ist so stark und
seine Orchestersprache ist so reizvoll, daß diese Längen
nicht allzuschwer ins Gewicht fallen. Im übrigen
gibt sich Neumanns Musik, namentlich in den lyrischen
Partien, als das Produkt einer schöpferischen, jeder
trockenen Reflexion baren Phantasie, sie klingt vor¬
trefflich und gibt der jeweiligen Sitnation eine stels
treffende musikalische Untermalung, ohne dabei, wie
es sonst wohl bei unsern Opern=Komponisten der
Brauch, das einzelne Wort ausdringlich zu unter¬
streichen. Kurz und gut, die Oper „Liebelei“ darf
zu den erfreulicheren Erscheinungen der neuesten
deutschen Opernproduktion gerechnet werden, und von
ihrem noch im besten Alter stehenden Komponisten ist zu
erwarten, daß ihn dieser erste wohlgelungene Bühnen¬
zu neuen
versuch zu weiterem löblichen Tun —
Taten, kühner Helde — auspornen wird. Einen be¬
sonderen Antrieb dazu wird ihm auch der starke Er¬
folg geben, den die „Liebelei“ gestern abend in der
Komischen Oper erzielte, ein Ersol,, der in dröhnenden
Beifallssalven und zahtreichen Hervorrufen seinen ent¬
sprechenden Ausdruck fand.
Die Aufführung war, wenigstens in ihrem gesang¬
lichen und instrumentalen Teile, durchaus zu koben.
Frl. Labia wußte das sanfte, schwerblütige Wesen der
Christine in Ton und Haitung gut zu kennzeichnen, auch
fand sie für die tragische Wucht der Schlußszene ergrei¬
fende Töne. Herr Nadolovitch, der als Fritz in der Dar¬
stellung fast ganz versagte, hielt sich dafür in seinem
dramatisch bewegten Vortrage auf respektabler Höhe.
Dagegen erwies sich Heir Wissiak — die Rolle
hat musikalisch nicht viel zu bedeuten — als
ein recht gewandter Darsteller, er stellte in seinem
Theodor einen echten, leichtlebigen Wiener Elegant
auf die Bühne, und Frl. Bachrich (Mizzi) war ihm
als süßes Wiener Mädel eine flotte, liebenswürdige
Partnerin. Herr Zador als Vater Weiring,
Frau Seebold als Klatschbase Binder und
Herr Armster als „fremder Herr“ fügten sich
dem Eusemble wirksam ein. Auch das Orchester hielt
sich unter Kapellmeister Rezuiceks Leitung sehr gut,
und Direktor Gregors Inszeuierungskunst bewährte
sich gestern ganz besonders in der stilvollen Aus¬
stattung der eleganten Garconwohnung des ersten
Aktes.