II, Theaterstücke 5, Liebelei. Schauspiel in drei Akten, Seite 1089

Liebelei
5 box 12/3
Ausschnitt aus: Berliner Allgemeine- Zeitung
16 5. 131
Berlin
vom:
mmmeneane Wee
Neues Volks-Theater.
Schnitzler=Abend: „Literatur“ und
Anbetenter
Man hätte den Wiener Dichter, dessen Leben
gestern ein halbes Jahrhundert vollendete, nicht
besser feiern und würdigen können als durch die
Aufführung dieser beiden Werke, die einen Höhe¬
punkt seines Schaffens bedeuten, und ein klares
und unzweidentiges Spiegelbild seines dichte¬
rischen Schaffens bergen. In keiner seiner ande¬
ren Arbeiten zeigt sich Schnitzler von einer so
persönlichen Seite wie in dem dreiaktigen Schau¬
spiel: „Liebelei“ das vor zwanzig Jahren
entstand und den Beginn seiner schriftstellerischen
Tätigkeit bedeutet. Hier pulsiert jene gradlinie,
von einer gesunden Erotik durchsetzte Weltan¬
schauung, die für den Charakter des genu߬
frohen Wien typisch ist, und die das Leben
nimmt, wie das Leben eben ist. Alle die Men¬
schen, denen wir begegnen, die „g'spaßige“ Mizi
und der schneidige Theodor, der nichts
und nichts weiter sein will
weiter ist
als ein „liebar, gutar Kerl“, die sentimentale
Christine mit der ehrlichen Sehnsucht und der
junge Fritz Lobheimer mit dem ehrlichen und
guten Willen sind von jenem unverdorbenen,
lachenden Optimismus, der bei Schnitzler so
überaus versöhnend und ausgleichend wirkt.
Und dann kommt das Schicksat herbei, das alle
diese, im Grunde genommen so verschiedenarti¬
gen Gestalten, die nur den Willen zum Glück¬
gemeinsam haben, auseinanderreißt. Aus der
Liebelei, an der man sich berauscht, wird eine
Liebe, an der man zugrunde geht. Das Lachen
der Mädchen, die Scherze der Männer verstum¬
men, und in Tränen, die zerstörte Hoffnungen
zu Grabe tragen, klingt diese alltägliche Ge¬
schichte aus, die ein Künstler zur Dichtung
machte.
Die Aufführung war hervorragend.
Die Regie hatte Interieurs von einer selte¬
nen, frischfarbigen Eindrucksfähigkeit geschaffen,
die jeder Stimmung gerecht wurde, ohne durch
ollzu große Betonung der naturalistischen Mo¬
mente aufdringlich zu erscheinen. Die Darstel¬
lung schien echte und rechte „Weaner Luft“ zu
atmen, und war in ihren Aufgaben durchweg
am Platze. Johannes Riemann, der sich
als ein überaus befähigter Schauspieler zeigte,
und Martha Angerstein seien besonders erwähnt.
Poran ging das Lustspiel „Literatur“, das
wie ein dramatisiertes Feuilleton anmutet, und
wiederum durch die Schlagfertigkeit und Grazie
der Dialogführung entzückte. Hier bildeten die
hübsche Yella Wagner, Aurel Ro¬
wotny, der in sehr guter Maske einen adels¬
wütigen, beschränkt=gutmütigen „Nazi“ gab, und
der wandlungsreiche Robert Müller als
Kafferhausliterat ein ganz vorzügliches Klee¬
blatt, das die dem Stücke innewohnende Charme
E. A. Ipt.
zur besten Geltung brachte.