iebelei.
5 box 12/3
Gen,
Semomm, Or. Pcler
New-Vork, Paiis,
burg, Toronto.
(Quellenangabe ohne Gewähr.)
Ausschnitt aus:
Marburger Zeitung
28 11. 1017
vom:
1
Schaubühne.
hnitzler=Feier. An. 15. Mai 1862
würde Artur Schnitzler geboren, der sich heute zu
einem der bekanntesten Dramatiker aufgeschwungen
hat. Die Mischung von Wiener Humor und Senti¬
mentalität mit modernen Anschauungen hat es bei
ihm zu einem poetischen Ausdruck gebracht, der große
Liebenswürdigkeit mit guten Bühneneffekten ver¬
bindet. Besonders ist es das Thema „Liebe“ das
Schnitzler immer wieder neu vartiert und dem er
eine schönsten und besten Sachen abgewonnen hat.
Auch die beiden Stücke, die wir am Dienstag sahen,
gehören in diese Gattung. „Das Abschiedssouper“
st ein Einakter aus Schnitzlers Erstlingswerk, dem
Zyklus „Anatol“ und der Dreiakter „Liebelei“ jenes
Stück, mit dem der Dichter seinen ersten großen
Erfolg errang. Im letzteren Stück schildert er das
raurige Schicksal eines liebenden Mädchens, das
sem Geliebten alles gegeben. Von seiner Seite aus
bar es nur eine Liebetei, eine Erholung von einer
leidenschaft, um die er dann im Duelle fällt. Das
Bewußtsein, daß sie ihn wahr und tief geliebt und
daß er für eine andere gefallen ist, tretbt sie dann
selbst in den Tod. Packende Lebenswahrheit zeichnet
dieses Stück aus und sie sichert ihm heute noch
seinen Erfolg.
Gespielt wurden diese Stücke tadellos und der
Abend gehört zu denjenigen, die einen ungeteilten
tiefen Eindruck hinterlassen. Frl. Sappé spielte im
„Abschiedssouper“ die Anny und in der „Liebelei“
die Mitzi mit einer entzückenden Flottheit. Jedes
Wort, jede Miene, jede Gebärde war köstliche,
frische Natur, echtes unverfälschtes Wienertum. Wir
beglückwünschen sie aufrichtig zu ihrer Prachtleistung.
Auch Frl. Halmschlager fand für die innige, etwas
sentimentale Christine den zu Herzen gehenden Ton,
nur hätte sie auch im Affekt der Schlußszene bet
der leicht mundartlich angehauchten Sprache bleiben
sollen. Herr Burger gab zuerst den Anatol, dann
den Theodor und schuf aus jeder dieser Rollen die
waschechte Figur eines reichen Bürgersöhnleins der
musik= und liebesseligen Kaiserstadt, einen Genu߬
menschen, der unbekümmert in den Tag hineinlebt
und über den Ernst des Lebens hinwegflattert wie
ein Falter über die Blumen. Neben ihm bestanb
mit allen Ehren Herr Baumgarth erst als Max,
dann als Fritz mit allen Ehren. Die im Verhältnis
zu Theodor tiefere Natur fand in ihm recht an¬
ziehende Verkörperung. Sehr gute Episodenfiguren
schufen Frl. Paulmann (Frau Binder) und Herr
In.
Golda (Musiker Weiring).
burg, Toronto,
(Quellenangabe ohne Gewühr.)
Ausschnitt aus:
vom:
Kigaer Tagblat:
K
T
——
ketzte kokal-Nlachrichten.
Stadttheater.
In Schnitzlers Schauspiel „Liebelei“setzte
Erika vof Waegestern ihr Gastspiel
fort und zwar in der Rolle der Christine. Das
Stück ist hier sehr lange nicht mehr gegeben
worden, obgleich es zu Schnitzlers besten Sa¬
chen gehört. Wie immer in seinen melancholisch¬
satirischen Studien — in dramatischer und an¬
derer Form — zeigt Schnitzler mit unaufdring¬
licher aber doch giftiger Ironie die Wertlosig¬
kejt und Nichtigkeit jener Sorte von Männern,
die im Berliner Jargon als „bessere fidele
Herren“ bezeichnet werden, Leute, die sich als
Lebenskünstler fühlen, wenn sie eine kleine Mo¬
distin verführen oder eine Nähmamsell. Die
hirnlose Roheit, mit der solche Verhältnisse von
dergleichen „Lebemännern“ abgemacht werden,
die stupide Eitelkeit, mit der der „bessere Herr“
sich dabei als Bezwinger des Weibes fühlt und
als durchdringender Kenner des Lebens — die¬
ses hat Schnitzler immer wieder mit feinem
Spott an den Pranger gestellt. Seine Lebens¬
kenntnis (er besitzt wirklich solche!) läßt ihn
freilich sehen, daß es oft genug Mädel trifft,
die nicht allzuviel Bedauern verdienen und diese
mit ihrer verlogenen Leichtfertigkeit stellen sozu¬
sagen die Remesis dar: sie stülpen dem besseren
Herrn die Hörner auf das strohgefüllte Haupt.
Aber wenn es nun einmal an ein tieferes,
innigeres Mädchen kommt? An der Christine
zeigt der Dichter die Tragik des Verhältnisses.
Mit der größten Leichtigkeit aufgebaut, fast nur
skizziert wirkt das Stück doch erschütternd. Frei¬
lich, daß eine Christine sich an dies traurige
Männchen hängt, von einem „besseren Herrn“
in der Seele ergriffen wird, das ist der schwache
Punkt des Schauspiels. Etwas Geist hätte
der Dichter dem Herrn Fritz immerhin gönnen
dürfen.
Erika Wagner war hinreißend im drama¬
tisch bewegten letzten Akt. Diese Schreie einer
im Innersten Verwundeten wirkten erschütternd.
Zu sagen ist aber doch, daß die rührenden
Mädel ihr nicht liegen. Was in der Gretchen¬
rolle schon auffiel, das zeigte sich auch hier:
diese Schauspielerin ist keine Sentimentale. Wird
es in einem Stück kleinbürgerlich und schlicht¬
rührsam, dann scheint sie doch gewissermaßen
über der Situation zu stehen. Setzt ihr eine
Krone auf und laßt einen Purpurmantel von
ihren Schultern wallen ..
Frl. Enzinger als Mizzi war einfach be¬
zaubernd! Noch solche Rollen für sie!
Nach dem ernsten Schauspiel folgte ein
Schwänkchen des „blutigen Oskar“
„Wann wir altern“ verlegt Blumenthal
einen Akt von Marlittmäßiger Tugend ins
Zeitalter Louis XVI. Der Akt ist nett, aber
dazumal waren die Leute nicht so brav. Herr
Nieckhoff trat auf und spielte mit Grandezza
einen verliebten Greis. Von Zeit zu Zeit seh'
ich den Alten gern! Es ist mir also eine ange¬
nehme Pflicht, dem Publiko zu erzählen, daß
er noch mehrmals auftreten und im „Probe¬
pfeil“ den Baron spielen und gewiß ausgezeich¬
net spielen wird. Ausgezeichnet sage ich, nicht
„noch immer“ ausgezeichnet ..
B. Erdmann.
5 box 12/3
Gen,
Semomm, Or. Pcler
New-Vork, Paiis,
burg, Toronto.
(Quellenangabe ohne Gewähr.)
Ausschnitt aus:
Marburger Zeitung
28 11. 1017
vom:
1
Schaubühne.
hnitzler=Feier. An. 15. Mai 1862
würde Artur Schnitzler geboren, der sich heute zu
einem der bekanntesten Dramatiker aufgeschwungen
hat. Die Mischung von Wiener Humor und Senti¬
mentalität mit modernen Anschauungen hat es bei
ihm zu einem poetischen Ausdruck gebracht, der große
Liebenswürdigkeit mit guten Bühneneffekten ver¬
bindet. Besonders ist es das Thema „Liebe“ das
Schnitzler immer wieder neu vartiert und dem er
eine schönsten und besten Sachen abgewonnen hat.
Auch die beiden Stücke, die wir am Dienstag sahen,
gehören in diese Gattung. „Das Abschiedssouper“
st ein Einakter aus Schnitzlers Erstlingswerk, dem
Zyklus „Anatol“ und der Dreiakter „Liebelei“ jenes
Stück, mit dem der Dichter seinen ersten großen
Erfolg errang. Im letzteren Stück schildert er das
raurige Schicksal eines liebenden Mädchens, das
sem Geliebten alles gegeben. Von seiner Seite aus
bar es nur eine Liebetei, eine Erholung von einer
leidenschaft, um die er dann im Duelle fällt. Das
Bewußtsein, daß sie ihn wahr und tief geliebt und
daß er für eine andere gefallen ist, tretbt sie dann
selbst in den Tod. Packende Lebenswahrheit zeichnet
dieses Stück aus und sie sichert ihm heute noch
seinen Erfolg.
Gespielt wurden diese Stücke tadellos und der
Abend gehört zu denjenigen, die einen ungeteilten
tiefen Eindruck hinterlassen. Frl. Sappé spielte im
„Abschiedssouper“ die Anny und in der „Liebelei“
die Mitzi mit einer entzückenden Flottheit. Jedes
Wort, jede Miene, jede Gebärde war köstliche,
frische Natur, echtes unverfälschtes Wienertum. Wir
beglückwünschen sie aufrichtig zu ihrer Prachtleistung.
Auch Frl. Halmschlager fand für die innige, etwas
sentimentale Christine den zu Herzen gehenden Ton,
nur hätte sie auch im Affekt der Schlußszene bet
der leicht mundartlich angehauchten Sprache bleiben
sollen. Herr Burger gab zuerst den Anatol, dann
den Theodor und schuf aus jeder dieser Rollen die
waschechte Figur eines reichen Bürgersöhnleins der
musik= und liebesseligen Kaiserstadt, einen Genu߬
menschen, der unbekümmert in den Tag hineinlebt
und über den Ernst des Lebens hinwegflattert wie
ein Falter über die Blumen. Neben ihm bestanb
mit allen Ehren Herr Baumgarth erst als Max,
dann als Fritz mit allen Ehren. Die im Verhältnis
zu Theodor tiefere Natur fand in ihm recht an¬
ziehende Verkörperung. Sehr gute Episodenfiguren
schufen Frl. Paulmann (Frau Binder) und Herr
In.
Golda (Musiker Weiring).
burg, Toronto,
(Quellenangabe ohne Gewühr.)
Ausschnitt aus:
vom:
Kigaer Tagblat:
K
T
——
ketzte kokal-Nlachrichten.
Stadttheater.
In Schnitzlers Schauspiel „Liebelei“setzte
Erika vof Waegestern ihr Gastspiel
fort und zwar in der Rolle der Christine. Das
Stück ist hier sehr lange nicht mehr gegeben
worden, obgleich es zu Schnitzlers besten Sa¬
chen gehört. Wie immer in seinen melancholisch¬
satirischen Studien — in dramatischer und an¬
derer Form — zeigt Schnitzler mit unaufdring¬
licher aber doch giftiger Ironie die Wertlosig¬
kejt und Nichtigkeit jener Sorte von Männern,
die im Berliner Jargon als „bessere fidele
Herren“ bezeichnet werden, Leute, die sich als
Lebenskünstler fühlen, wenn sie eine kleine Mo¬
distin verführen oder eine Nähmamsell. Die
hirnlose Roheit, mit der solche Verhältnisse von
dergleichen „Lebemännern“ abgemacht werden,
die stupide Eitelkeit, mit der der „bessere Herr“
sich dabei als Bezwinger des Weibes fühlt und
als durchdringender Kenner des Lebens — die¬
ses hat Schnitzler immer wieder mit feinem
Spott an den Pranger gestellt. Seine Lebens¬
kenntnis (er besitzt wirklich solche!) läßt ihn
freilich sehen, daß es oft genug Mädel trifft,
die nicht allzuviel Bedauern verdienen und diese
mit ihrer verlogenen Leichtfertigkeit stellen sozu¬
sagen die Remesis dar: sie stülpen dem besseren
Herrn die Hörner auf das strohgefüllte Haupt.
Aber wenn es nun einmal an ein tieferes,
innigeres Mädchen kommt? An der Christine
zeigt der Dichter die Tragik des Verhältnisses.
Mit der größten Leichtigkeit aufgebaut, fast nur
skizziert wirkt das Stück doch erschütternd. Frei¬
lich, daß eine Christine sich an dies traurige
Männchen hängt, von einem „besseren Herrn“
in der Seele ergriffen wird, das ist der schwache
Punkt des Schauspiels. Etwas Geist hätte
der Dichter dem Herrn Fritz immerhin gönnen
dürfen.
Erika Wagner war hinreißend im drama¬
tisch bewegten letzten Akt. Diese Schreie einer
im Innersten Verwundeten wirkten erschütternd.
Zu sagen ist aber doch, daß die rührenden
Mädel ihr nicht liegen. Was in der Gretchen¬
rolle schon auffiel, das zeigte sich auch hier:
diese Schauspielerin ist keine Sentimentale. Wird
es in einem Stück kleinbürgerlich und schlicht¬
rührsam, dann scheint sie doch gewissermaßen
über der Situation zu stehen. Setzt ihr eine
Krone auf und laßt einen Purpurmantel von
ihren Schultern wallen ..
Frl. Enzinger als Mizzi war einfach be¬
zaubernd! Noch solche Rollen für sie!
Nach dem ernsten Schauspiel folgte ein
Schwänkchen des „blutigen Oskar“
„Wann wir altern“ verlegt Blumenthal
einen Akt von Marlittmäßiger Tugend ins
Zeitalter Louis XVI. Der Akt ist nett, aber
dazumal waren die Leute nicht so brav. Herr
Nieckhoff trat auf und spielte mit Grandezza
einen verliebten Greis. Von Zeit zu Zeit seh'
ich den Alten gern! Es ist mir also eine ange¬
nehme Pflicht, dem Publiko zu erzählen, daß
er noch mehrmals auftreten und im „Probe¬
pfeil“ den Baron spielen und gewiß ausgezeich¬
net spielen wird. Ausgezeichnet sage ich, nicht
„noch immer“ ausgezeichnet ..
B. Erdmann.