II, Theaterstücke 5, Liebelei. Schauspiel in drei Akten, Seite 1131

5. Liebelei
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„Pruhines Hotaselan
: plaudern und die Textworte geschickt zu untermalen. Aller¬
dings, wenn Stellen kommen, wo vom Militärschematismus,
vom Konversationslexikon oder vom Besuch des Orpheums
gesprochen wird, versagt selbstverständlich auch das Musi¬
kalische. Dort spürt man auch am deutlichsten das Fehlen
einer gebundenen Rede, die in ihrer sorgfältigen Wortwahl
dem Komponisten in die Hände arbeitet, und dort ze#
es sich beweiskräftig genug, daß sich doch nicht alles om
ponieren läßt. Neumann scheint auch gespürt zu haben,
in das Plaudern einen längeren Ruhepunkt legen zu müssen,
und er fügte für Christine ein Lied mit Klavierbegleitung:
„All mein' Gedanken, die ich hab'“ (aus dem Lochheimer
Liederbuche) ein. Diese schlichten Verslein mit einer vom
Komponisten erfre#lcherweise ebenso schlicht gehaltenen
Melodie wirken prächg und es ist uns, als wollten sie rufen:
Die alte Form ist dich noch immer die beste!
Abgesehen von den Mamenten, wo die Musik zu Nichts¬
sagendem auch nichts zu sagen vermag, und von einigen
bleigewichtigen Deklamationsstellen, hat Neumann es zu¬
wege gebracht, ganz Erstaunliches zu erreichen. Seine druma¬
tische Schulung und ein warmes Empfinden, das der Wiener
Odem ihm eingeflößt haben dürfte, befähigen ihn, allen
Charakteren und allen Situationen die entsprechende tönende
Illustration zu verleihen, wozu er den ganzen modernen
Orchesterapparat verwendet und auch glänzend beherrscht.
Vorzüglich gelungen ist ihm die musikalische Umkleidung
der sanften, liebevollen Christine, deren Freude, deren bange
Zweifel und deren wilden Schmerz er in Tönen überzeugend
jubeln, zagen und klagen läßt. Weniger geglückt ist ihm die
Schlager Mizzi. Wohl hat er ihr ein schnippisches Gesangs¬
geplauder gegeben und ihr einige operettenhaft flatternde
Motivmäntelchen umgehängt, aber das ist zu wenig. Es
fehlt das bezwingend Anmutige, das in diesem süßen Mädel
wohnt. Hier hätte musikalischer Liebreiz aufleuchten sollen
und — die ganze Figur schreit ja nach einem Liede — ein
echter Wiener Walzer aus dem Munde der Kleinen hätte
teschenuude uunt Gewanf.
brillant gewirkt. Musette in der „Boheme“ wärc ein Vorbild
gewesen. Neumann schlägt bei der Souperszene (erster Akt)
sschnitt aus: Deutsches Volksblatt
einen flotten Walzer mit rhythmischem Schwunge an, läßt
Wien
ihn aber dann leider in Tonklügeleien versanden. Das wiene¬
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rische Lokalkolorit bestreiten noch das Zitat des Doppel¬
S

adler=Marsches (J. F. Wagner) und eine sehr hübsche,
melodische Stelle in Strauß=Terzen vor Beginn des zweiten
Theater, Kunst und Literatur.
Aktes. Bald verschwindet sie jedoch wieder und gleichsam,
um sich für diese „Trivialität“ zu entschuldigen, baut der
„Liebelei.“
Komponist eine große Fuge auf, deren sorgfäftige Durch¬
fihrung sehr anerkennenswert ist.
Oper in drei Akten, nach dem gleichnamigem Schauspiele von
Artur
An der Charakteristik der Männerfiguren ist nichts
Musik von Franz Neumann.
auszusetzen. Kraftvoll ist der „Herr“ gezeichnet und mit¬
Zum erstenmal in der Volksover aufgeführt am 14. Ok¬
dramatischer Wucht schildert Neumann sein Auftreten un
tober 1913.
seine Anklage gegen Fritz. Die Wucht nimmt nur wieder,
Seit Richard Strauß die „Salome“ von Oskar
wie heute in Tonwerken üblich, riesige Dimensionen an, und
Wilde nahm, wie sie war, das heißt das Prosadrama ohne
wenn der „Herr“ sagt: „Sie hat den Schlei# vergessen“.
Vezsifizierung vertonte und seit er, wie erzählt wird, gesagt
tritt das Erdbeben von Messina ein.
bet, er könne eine ganze Inseratenseite einer Zeitung
Zu den hervorragendsten Stellen des Werkes ist die
sserunterkomponieren, hat die Neuerung der Prosa¬
Sehnsuchtsschilderung der Christine nach Fritz, der Ku߬
komposition befruchtend auf die moderne Tondichterschaft
moment, die Szene der Liebenden „So mit dir allein“ und
eingewirkt. Ein herkömmliches Opernbuch ist ihrer Ansicht
nach nicht mehr nötig. Rasch ein Schauspiel ergriffen und es das Oeffnen der Briefkassette durch Christine zu zählen.
sofort in Musik setzen, ist das neueste Feldgeschrei und Ueberall blüht da melodischer Zauber im Orchester auf, der
wenn nun einer mit der komponierten „Liebelei“ von sich wonnig zu Gehör schmeichelt, insbesondere in der Brief¬
Schnitzler gekommen ist, können wir voraussichtlich an= kassetteszene. Ein symphonisches Vorspiel zum dritten Akte,
nehmen, daß nächstens ein anderer die vertonten „Ge- welches das Duell und den Tod des Fre; behandelt und einen
spenster“ von Ibsen oder das musikalisch illustrierte Trauermarsch (Esmoll) aufklingen läßt, ist in seiner
prächtigen Steigerung von großer Wirkung.
„Frühlingserwachen“ von Wedekind daherbringt.
Das interessante. Werk Neumanns hat in der Volksover
Der Komponist der „Liebelei“, Franz Neumann,
nicht nur eine liebevolle Inszenierung, sondern auch eine
ist eine interessante Persönlichkeit, deren Werdegang durch
von sorgfältigem Studium Zeugnis gebende vortreffliche
besondere Originalität überrascht. Neumann lernte, bevor
Aufführung gesunden. Kapellmeister Tittel als
er am Wiener und später am Leipziger Konservatorium
musikalischer Führer und Overregissemr Markowsky als
die Lehren der edlen Tonkunft in sich aufnahm, das ehr¬
feinfühlig arbeitender Mann der Szene haben sich beide
und nährsame Gewerbe der — Selcherei. Von seinem Vater,
ausgezeichnet und verdienen volle Anerkennung. Ihrer
einem Wursterzeuger in Prerau, war er nach Wien zum
Leitung ordneten sich die Darsteller unter und bewältigten.
Weißhappel gebracht worden, um dort in die Geheimnisse
ihre schwierigen, an heiklen Einsätzen überreichen Aufgaben
der Würstelfabrikation einzudringen. Während er aber
mit künstlexischem Empfinden. Fräulein Engel war eine
manuell an der Entstehung diverser selcherischer Produkte
mustergültige Christine. Man hätte gar nicht geglaubt, daß
tätig war, schwebte sein Geist in anderen Regionen, wo
diese glutsprühende Carmen oder Nedda so weich, so rührend.
Polnhymnia ihr göttliches Herrscheramt ausübt. Mit eisernem
werden könnte. Selbstverständlich bot die Künstlerin auch
Fleiße bildete sich der begeisterte Musikfreund zum selbst¬
gesanglich Tadelloses. Fräulein Roeder als Schlager
schaffenden Musiker hergn. Als seine Lehrzeit und sein ein¬
Mizzi gewiß sehr lobenswert für ihre Leistung — ist nicht
hriger Militärdienst herum waren, ließ er die Wurst¬
die richtige Vertreterin dieser Partie, denn ihre vornehme
Fritze endgültig zurück und studierte mit Feuereifer an den
frauenhafte Erscheinung nimmt der Figur die Cyarakteristit
idensschon genannten Konservatorien. Bald stand Neu¬
des süßen Mädels. Da gehört eine kleine, zierliche Soubrette
F#aun an der Spitze eines Theaterorchesters und nach einigen
mit einem Schelmengesichterl her. Herr Lußmann schenkte
Wanderjahren ländete er in Frankfurt am Main, wo er
dem Fritz seinen nun klangvollen Tenor und bewährte sich
noch heute als Opernkapellmeister erfolgreich wirkt. Früh¬
im zweiren Akte nach Vorschrift des Kompönisten als geübter
z itig hatte er sich schon der Komposition zugewendet. Wurden
und sicherer Hochtourist des Gesanges. Herr Brand war
ch schon in Wien von Militärkapellen Tänze aufgeführt,
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stimmlich und darbellerisch frischer Theodor