II, Theaterstücke 5, Liebelei. Schauspiel in drei Akten, Seite 1354

Liebelei
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auch die ernstere Seite des Charakters, die treuherzige
Sorge um den Freund stark hervorhob. Herr Pindo
hatte als Vater die sanfte Weichheit und bemütige
Resignation des kleinen Mannes, nur in der schönen
Erzählung von der Schwester, die der Bruder zu
sehr von allem Glück bewahrte, fehlte die seinere Poin¬
tierung, die Kunst, durch Pansen die Schlußwirkung
zu steigern. Wie zielvoll die Pause verwertet werden
kann, zeigte gestern Hr. Orell als „Herr“. Er
holte aus der winzigen Rolle durch dieses Kunstmittel
und durch wohlberechnetes stummes Spiel starke Wir¬
kung. Als Frau Binder war Frl. Schweickhardt
wirksam, wenn auch um eine Nüance zu schwieger¬
mütterlich=bissig.
Die Aufführung war (Spiekleitung Orel!) sehr
gut auf einheitlichem Wiener Ton gestimmt, nur die
übermütige Tischszene blieb (trotz Weiser und Olden)
Schauspielhaus.
lahm, resonanzlos und kontrastlos. Hier waren die
Urtur Schnitlg Liebelei und Abschiedssouper.
Pausen nur trennende Löcher, das Gegenteil von
Frau Imles ahristine in der „Liebelei“ wühlt
Wirkungssteigerungen. In dieser Beziehung war das
die Herzen auf und rührt die Hände der Zuschauer.
Abschiedssouper vollendet. Frau Weiser und
Als der Vorhang fiel, gab es im dichtgefüllten Hause
Herr Wehle lachten ansteckend, ihr Übermut war ganz
Premierenbeifall. Aber auch die Szenen, die nicht
untheatralisch, die Schwipsszene von Frau Weiser war
auf lautes Echo gemacht sind, spielt Frau Imle so,
ein Meisterstück und von allen frohen Geisiern des
daß man am liebsten Beifall riefe. In ihrer Stimme ist
Chambre separées gesegnet. Herr Olden gab den
mehr als schmeichelndster Wohllaut, ist Seele. Mit welch
Mann der verletzten Eitelkeit und unaustilgbaren Idrale,
zarter Scheu äußert sie die Eifersucht eines Herzens,
den „leichisinnigen Melancholiker“ Anatol; ver¬
das selbstlos gibt und ebenso zum Leid wie zur Liebe
trefflich und um so komischee, je mehr er sich in ernst¬
geschaffen ist. Wie ist in der Frage beim Entschluß des
hafte Entrüstung tobte. Desto unnötiger wer es, un¬
Geliebten, zu reisen, in ihrem jähen: „Warum denn?“
vermittelt ex tempores in einer Komödie loszalassen,
(im ersten Akt) schon das ahnungsvolle Erschrecken über
für die ein Artur Schnitzler verantwortlich zeichnet,
das nahe Ende kurzen Glückes. Dabei war nicht einen
die Figur des Dichters auf Augenblire aufzugeben und
Augenblick unangebrachte Heroinenschwere in dieser Chri¬
außerhalb des Charakters isolierte Eigenbauwitze ein¬
stine. Herr Kainz stellte einen Fritz neben sie, dem
zuwerfen (per Ruf nach Kamillentee an den Keilrer).
der Ton der Bedrücktheit so vorzüglich gelang, der aber
Bis auf diesen kleinen Ausflug ins allzu überflüssige
gesetlschaftlich etwas zu geringe Distanz von dem
war der Einakter aus einem Guß und die Zahl und
kleinen Vorstadtmädel hatte. Olden und Weiser
die ausgezeichnete Stimmung der Zuschauer bewies, daß“
waren prächtige Typen aus der Stadt, in der der
wir nicht m## in der flauen Vorsaison sind, sondern
Mensch nicht unterzugehen pflegt, wobei Herr Olden
Anerkennung verdient, daß er neben dem Übermut] bereits wieder mitten in der Saisen. Dr. A. M.
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