box 13/3
Liebelei
—
90
„UBSERVEN
Wien, I., #ollzeile Nr. 11
Telofen R.92-0-43
##. Allgemeine Zeitung. Wien
5 fE3.1933
WINNAWE
„Lichelel- als- Miltärtlm
Fritz-und Theodor stecken in Dragoner¬
uniform. Und Luise Ullrich als Schlager¬
mizzi erscheint sekundenlang und süßen, na¬
türlich Tokayerweines trunken, in der Offi¬
zierskappe als leibhaftiges Lilian=Harvey¬
Gespenst. Das mußte wohl sein aus Grün¬
den des Verkaufes und der unverwüstlichen
Deutschen=Reichs=Uniformseligkeit. Immer¬
hin: die Gefechtsübung im tiefen Schnee ist
eine der besten und diskretesten filmischen
Winterstimmungen. Auch die Schlittenfahrt,
die Fritz und Christine frei nach dem Anna¬
Karenina=Film machen, in romantischen
Schneepelzen, schlittenklingelnd und mit
einem Liebesdialog, den freilich kein
Schnitzler gedichtet hat.
Gleichwohl zeigt der Filmregisseur
Max Ophuels seinen gewohnten Geschmack
in einer Menge zwar nicht unbedingt milieu¬
treuer, aber menschlich zarter und be¬
hutsam vom Kinoeffekt weginszenierter
Details. Er zeigt auch Gemüt, sehr vor¬
sichtig freilich und mit jener ein wenig
krassen Beherrschtheit, die in deutschen
Filmlanden auch geschäftliche Voraus¬
setzung ist. So spielt den Fritz bei ihm der
im Profil und im innig starken Tonfall
sehr begabte junge, aber ganz und gar nicht
österreichische Schauspieler Liebeneiner.
Wohl damit der k. k. Melancholie nicht zu
viel geschehe. Er spielt ihn mit einer sehr
leisen und mitunter wirklich rührenden
Strafsheit.
Legitime Wiener Rasse vertritt in
diesem Film eigentlich nur die Schlager¬
Mizzi der Luise Ullrich. Mit einer Süße,
die ihren persönlichen Reiz und Schmiß
hat, ein wenig derber freilich scheint, als
es der für uns gewohnte Ullrich=Typ bis¬
her war und auch ein wenig des¬
illusionierter. Uebrigens hätte man die
Ullrich nicht ungern als Christine gesehen.
denn auf dem Hintergrund ihres so ver¬
zweifelt flotten Lächeins schimmert es oft
wie scheuer tragischer Abglanz.
Die Christine des Films ist Magda
Schneider. Auf ihrem präzise geschnittenen
Puppengesichtchen schimmern allerlei feinere
Menschlichkeiten. Den hellen, wilden, wehen
Aufschrei der Enttäuschung hat sie nicht,
ja es wurde gar nicht einmal der Versuch
gemacht, sie und ihn entsprechend zu in¬
szenieren. Diese Christine verhaucht in
menschlich sehr sympathischer, schau¬
spielerisch nur flüchtig haftender Wehmut.
Magda Schneider scheint außerdem von
ckhaftem Filmkitsch ara rampo¬
Gegengewicht ist der Theodor Willy Eich¬
feinen Ironien und hie und da gewüczt
bergers, freilich beinahe mehr ein Leutnant
mit ein bißchen aber schon sehr diplomati¬
Gustl, denn Ophuels bereichert die Schnitzler¬
schem Sarkasmus.
Liebelei um einen zweifellos ebenso popu¬
Schönster Einfall, wenn über den Tod
lären wie filmwirksamen Privatprotest des
der Liebenden hinaus schließlich die Winter¬
jungen Offiziers gegen den Duellwahnsinn.
tannen stumm und einsam wieder erschei¬
Ein literarischer Maßstab schaltet übrigens
nen, die der vermeintlichen und voreilig
natürlich ganz aus. Ebenso der irgend
Glücklichen Liebesworte gehört haben. Man
eines Vergleichs mit gerade jetzt aktueller
hört auch selbst diese Liebesworte wieder
grandioser Bühnenwirkung. Bei Ophuels
und zum erstenmal scheint Tonfilmklang
—
fehlt wohlweislich auch die unauffällig
gespenstisch unpersönlich, wie eine Mah¬
soziale Note, die Arthur Schnitzler ebenso
nung über Zeit und Raum hinaus.
graziös wie gleichwohl hellsichtig und un¬
Das ist das schönste an diesem betrieb¬
bestechlich anklingen läßt. Bei Ophuels ist
sam geschmackvollen Film, daß er mitunter
die „Liebelei“ eine Filmnovelle, zart um¬
nur Schatten wirft, trauervoll beredsame
rändert, sanft beleuchtet, historisch melan¬
und uns noch immer sehr vertraute
Schatten
cholisch, eine kleine bittersüße romantische
Alltäglichkeit, durchblitzt von leichten und
Ludwig Ullmann
au Msenn
Liebelei
—
90
„UBSERVEN
Wien, I., #ollzeile Nr. 11
Telofen R.92-0-43
##. Allgemeine Zeitung. Wien
5 fE3.1933
WINNAWE
„Lichelel- als- Miltärtlm
Fritz-und Theodor stecken in Dragoner¬
uniform. Und Luise Ullrich als Schlager¬
mizzi erscheint sekundenlang und süßen, na¬
türlich Tokayerweines trunken, in der Offi¬
zierskappe als leibhaftiges Lilian=Harvey¬
Gespenst. Das mußte wohl sein aus Grün¬
den des Verkaufes und der unverwüstlichen
Deutschen=Reichs=Uniformseligkeit. Immer¬
hin: die Gefechtsübung im tiefen Schnee ist
eine der besten und diskretesten filmischen
Winterstimmungen. Auch die Schlittenfahrt,
die Fritz und Christine frei nach dem Anna¬
Karenina=Film machen, in romantischen
Schneepelzen, schlittenklingelnd und mit
einem Liebesdialog, den freilich kein
Schnitzler gedichtet hat.
Gleichwohl zeigt der Filmregisseur
Max Ophuels seinen gewohnten Geschmack
in einer Menge zwar nicht unbedingt milieu¬
treuer, aber menschlich zarter und be¬
hutsam vom Kinoeffekt weginszenierter
Details. Er zeigt auch Gemüt, sehr vor¬
sichtig freilich und mit jener ein wenig
krassen Beherrschtheit, die in deutschen
Filmlanden auch geschäftliche Voraus¬
setzung ist. So spielt den Fritz bei ihm der
im Profil und im innig starken Tonfall
sehr begabte junge, aber ganz und gar nicht
österreichische Schauspieler Liebeneiner.
Wohl damit der k. k. Melancholie nicht zu
viel geschehe. Er spielt ihn mit einer sehr
leisen und mitunter wirklich rührenden
Strafsheit.
Legitime Wiener Rasse vertritt in
diesem Film eigentlich nur die Schlager¬
Mizzi der Luise Ullrich. Mit einer Süße,
die ihren persönlichen Reiz und Schmiß
hat, ein wenig derber freilich scheint, als
es der für uns gewohnte Ullrich=Typ bis¬
her war und auch ein wenig des¬
illusionierter. Uebrigens hätte man die
Ullrich nicht ungern als Christine gesehen.
denn auf dem Hintergrund ihres so ver¬
zweifelt flotten Lächeins schimmert es oft
wie scheuer tragischer Abglanz.
Die Christine des Films ist Magda
Schneider. Auf ihrem präzise geschnittenen
Puppengesichtchen schimmern allerlei feinere
Menschlichkeiten. Den hellen, wilden, wehen
Aufschrei der Enttäuschung hat sie nicht,
ja es wurde gar nicht einmal der Versuch
gemacht, sie und ihn entsprechend zu in¬
szenieren. Diese Christine verhaucht in
menschlich sehr sympathischer, schau¬
spielerisch nur flüchtig haftender Wehmut.
Magda Schneider scheint außerdem von
ckhaftem Filmkitsch ara rampo¬
Gegengewicht ist der Theodor Willy Eich¬
feinen Ironien und hie und da gewüczt
bergers, freilich beinahe mehr ein Leutnant
mit ein bißchen aber schon sehr diplomati¬
Gustl, denn Ophuels bereichert die Schnitzler¬
schem Sarkasmus.
Liebelei um einen zweifellos ebenso popu¬
Schönster Einfall, wenn über den Tod
lären wie filmwirksamen Privatprotest des
der Liebenden hinaus schließlich die Winter¬
jungen Offiziers gegen den Duellwahnsinn.
tannen stumm und einsam wieder erschei¬
Ein literarischer Maßstab schaltet übrigens
nen, die der vermeintlichen und voreilig
natürlich ganz aus. Ebenso der irgend
Glücklichen Liebesworte gehört haben. Man
eines Vergleichs mit gerade jetzt aktueller
hört auch selbst diese Liebesworte wieder
grandioser Bühnenwirkung. Bei Ophuels
und zum erstenmal scheint Tonfilmklang
—
fehlt wohlweislich auch die unauffällig
gespenstisch unpersönlich, wie eine Mah¬
soziale Note, die Arthur Schnitzler ebenso
nung über Zeit und Raum hinaus.
graziös wie gleichwohl hellsichtig und un¬
Das ist das schönste an diesem betrieb¬
bestechlich anklingen läßt. Bei Ophuels ist
sam geschmackvollen Film, daß er mitunter
die „Liebelei“ eine Filmnovelle, zart um¬
nur Schatten wirft, trauervoll beredsame
rändert, sanft beleuchtet, historisch melan¬
und uns noch immer sehr vertraute
Schatten
cholisch, eine kleine bittersüße romantische
Alltäglichkeit, durchblitzt von leichten und
Ludwig Ullmann
au Msenn