4.9. Ana¬
Zykl
box 8/4
Telephon 12.801.
„OBSER
1. österr. beh. konz. Unternehmen für Zeitungs¬
Ausschnitte und Bibliographie.
Wien, I., Concordiaplatz 4.
Vertretungen
in Berlin, Brüssel, Budapest, Chicago, Cleveland, Christiania,
Genf, Kopenhagen, London, Madrid, Mailand, Minneapolis,
New-York, Paris, Rom, San Francisco, Stockholm, St. Peters¬
burg, Toronto.
(Quellenangabe ohne Corde,
1210
Ausschnitt aus:
WIENER ABENDPOST
vom
Theater, Kunst und Literatur.
(Deutsches Volkstheater.) Samstag wur¬
den fünf Stücke von den sieben des „Anatole¬
Zyklus von Artur Schniker aufgeführt. Sie
machten noch immer den angenehmsten Eindruck.
„Anatole“ ist inzwischen ein wenig historisch geworden,
hat etwas Patina angesetzt, den Edelrost der Litera¬
tur. Nun ist er ein Stück Vergangenheit, die Jugend,
die Wiener Lebejünglings-Jugend von vor zwanzig
Jahren. Er ist beinahe ehrwürdig geworden. Wer ist
denn dieser Anatole eigentlich? Ein wohlerzogener
wohlgekleideter, wie es scheint auch wohlgestellter Herr
der zwischen Poesie und Musik herumflaniert
Anatole lebt nur, um zu lieben — ein Teil seiner
Freundinnen liebt, um zu leben. Anatole ist einer
der holden Illusionen nacheilt, um sie zu haschen
den Schmetterlingen und den Seifenblasen der Liebe.
Er ist klug genug, um einzusehen, wie dumm das ist
aber nicht klug genug, aufzuhören. Neben ihm
schreitet sein Freund Max durchs Liebesleben, wie
Mephisto neben Faust oder wie Carlos neben Clavigo.
So ungefähr bloß. Max ist die personifizierte ironische
Vernunft, die Atmannsweisheit, der den Dingen
überlegene, ihnen bis auf den doppelten Boden
schauende, sie durch Erkennen aufhebende Geist. Dabei
ein sehr liebenswürdiger Gesellschafter. Anatoles
romantischen Phantasien setzt er seine kühle Beobach¬
tung des Tatsächlichen diskret entgegen und wartet
sein ab, bis alles schön ausgebraust und bis zu
Ende geliebt ist. Dann zieht er die unmoralischen
Schlußfolgerungen und überflüssigen Nutzanwendun¬
gen. Oft nur mit einer wegwerfenden Geste, was ja ge¬
nügt. In der „Frage an das Schicksal soll
ein in hypnotischen Schlaf versenktes „üßes Mädel
um ihre Treue befragt werden. Anatole wagt es nicht,
die Frage an die holde Schläferin zu richten, er weckt
sie lieber unbefragt auf. Aber wie erschrickt die holde
Schläferin nachher, da sie glaubt, sie wäre befragt
worden! — In den „Weihnachtseinkäufen
beneidet eine mondäne Frau, die nicht den Mut fin¬
det, zu lieben, wie und wo sie gerne möchte, das
„füße Mädel" um ihr kleines Vorstadtglück und schickt
ihr ein paar Veilchen. — „Abschiedssouper ist
schon öfters gespielt worden. Die kleine Ballerine im
Séparée. Drolliges Auseinandergehen. Man erzählt
sich zum Abschied, als Dessert der Liebe, daß und
wie man einander betrog. — „Episode". Feinste
Tragikomödie. Anatole bewahrt die zärtlichsten Erinne¬
rungen an eine träumerische Stunde, und sie, die
Bianka aus der Zirkusmanège, hat alles total ver
gessen — den Freund, die Stunde, das Klavier mit
samt der Ampel. Wie weggewischt! — „Anatole¬
Hochzeitsmorgen". Ilona will ihn nicht zur
Trauung lassen. Sie entläßt ihn zuletzt doch in die
Ehe, weil er ihr ja dann noch viel gewisser und sicherer
ist als unvermählt. Anatole heiratet also. Anatoles
Glück und tragisches Ende. Der Junggeselle Anatole
stirbt. Anatole, der C
Zykl
box 8/4
Telephon 12.801.
„OBSER
1. österr. beh. konz. Unternehmen für Zeitungs¬
Ausschnitte und Bibliographie.
Wien, I., Concordiaplatz 4.
Vertretungen
in Berlin, Brüssel, Budapest, Chicago, Cleveland, Christiania,
Genf, Kopenhagen, London, Madrid, Mailand, Minneapolis,
New-York, Paris, Rom, San Francisco, Stockholm, St. Peters¬
burg, Toronto.
(Quellenangabe ohne Corde,
1210
Ausschnitt aus:
WIENER ABENDPOST
vom
Theater, Kunst und Literatur.
(Deutsches Volkstheater.) Samstag wur¬
den fünf Stücke von den sieben des „Anatole¬
Zyklus von Artur Schniker aufgeführt. Sie
machten noch immer den angenehmsten Eindruck.
„Anatole“ ist inzwischen ein wenig historisch geworden,
hat etwas Patina angesetzt, den Edelrost der Litera¬
tur. Nun ist er ein Stück Vergangenheit, die Jugend,
die Wiener Lebejünglings-Jugend von vor zwanzig
Jahren. Er ist beinahe ehrwürdig geworden. Wer ist
denn dieser Anatole eigentlich? Ein wohlerzogener
wohlgekleideter, wie es scheint auch wohlgestellter Herr
der zwischen Poesie und Musik herumflaniert
Anatole lebt nur, um zu lieben — ein Teil seiner
Freundinnen liebt, um zu leben. Anatole ist einer
der holden Illusionen nacheilt, um sie zu haschen
den Schmetterlingen und den Seifenblasen der Liebe.
Er ist klug genug, um einzusehen, wie dumm das ist
aber nicht klug genug, aufzuhören. Neben ihm
schreitet sein Freund Max durchs Liebesleben, wie
Mephisto neben Faust oder wie Carlos neben Clavigo.
So ungefähr bloß. Max ist die personifizierte ironische
Vernunft, die Atmannsweisheit, der den Dingen
überlegene, ihnen bis auf den doppelten Boden
schauende, sie durch Erkennen aufhebende Geist. Dabei
ein sehr liebenswürdiger Gesellschafter. Anatoles
romantischen Phantasien setzt er seine kühle Beobach¬
tung des Tatsächlichen diskret entgegen und wartet
sein ab, bis alles schön ausgebraust und bis zu
Ende geliebt ist. Dann zieht er die unmoralischen
Schlußfolgerungen und überflüssigen Nutzanwendun¬
gen. Oft nur mit einer wegwerfenden Geste, was ja ge¬
nügt. In der „Frage an das Schicksal soll
ein in hypnotischen Schlaf versenktes „üßes Mädel
um ihre Treue befragt werden. Anatole wagt es nicht,
die Frage an die holde Schläferin zu richten, er weckt
sie lieber unbefragt auf. Aber wie erschrickt die holde
Schläferin nachher, da sie glaubt, sie wäre befragt
worden! — In den „Weihnachtseinkäufen
beneidet eine mondäne Frau, die nicht den Mut fin¬
det, zu lieben, wie und wo sie gerne möchte, das
„füße Mädel" um ihr kleines Vorstadtglück und schickt
ihr ein paar Veilchen. — „Abschiedssouper ist
schon öfters gespielt worden. Die kleine Ballerine im
Séparée. Drolliges Auseinandergehen. Man erzählt
sich zum Abschied, als Dessert der Liebe, daß und
wie man einander betrog. — „Episode". Feinste
Tragikomödie. Anatole bewahrt die zärtlichsten Erinne¬
rungen an eine träumerische Stunde, und sie, die
Bianka aus der Zirkusmanège, hat alles total ver
gessen — den Freund, die Stunde, das Klavier mit
samt der Ampel. Wie weggewischt! — „Anatole¬
Hochzeitsmorgen". Ilona will ihn nicht zur
Trauung lassen. Sie entläßt ihn zuletzt doch in die
Ehe, weil er ihr ja dann noch viel gewisser und sicherer
ist als unvermählt. Anatole heiratet also. Anatoles
Glück und tragisches Ende. Der Junggeselle Anatole
stirbt. Anatole, der C