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4.9. Anatol - Zyklus
OBSERVER
er behördl.
Berliner Neueste Nachrichten
ontes
et
4 DIEMERISTO
.
Kontoret.
Theater und Musik.
Siehe auch 3. Beilage.)
Lessing=Theater.
Zum ersten Mal: Anatol, 5 Einakter von Arthur
Schnitzler.
Sie handeln alle dasselbe Thema ab, die Liebe oder rich¬
tiger das Verhältnis. Denn von der Liebe im höchsten
Sinne, der lebenverbindenden herzen zwingenden Liebe ist in
den meist niedlichen Bagatellen nicht die Rede. Es sind Ein¬
fälle, die in einen Alt gedehnt werden, Kaprizen, Stimmungen,
Sentiments. Es ist, als ob Schnitzler selber vor den Vorhang
träte und ein paar Kapitel aus seiner ars und vortrüge,
in leichten, launigen Tone: manchmal ist seine Art pilant
und gewagt, dann wieder klingen seine Sätze müde und ele¬
gisch — kurzum er verblüfft durch ein stetes Auf und Ab von
Gefühlswerten, die aber alle durch die Person des Dichters
Anatol zusammengehalten werden. Die Einakter selber muten
wie kleine Schattenbilder an, die nach einem Kapitel theoreti¬
scher Darlegungen die Schnitzlersche ars amandi gleichsam illu¬
cieren — Da ist der Zweifler Anatol, der über der Frage
nicht zur Ruhe kommen kann, ob ihm seine (zeitweilige Ge¬
liebte auch die Treue hält; der in dem Augenblick aber, da er
die „Frage an das Schicksal, frei hat, zurückbeht, weil
ihm die Illusion tausendmal mehr wert ist als die Gewißheit.
Da ist der von sich und seiner Unwiderstehlichkeit überzeugte
Anatol, der von einem Mädel, das ihm einmal eine „Epi¬
sode war, felsen jest glaubt, er wäre für diese Arme das Er¬
eignis des Lebens gewesen und der am Ende erfahren muß,
daß er nicht einmal eine Erinnerung in dem Mädel zu hinter¬
lassen verstanden het... Das „Abschieds souper" sieht
den in tausend Aengsten und Nöten hangenden Anatol der es
nicht über das Herz bringt, seiner Kleinen den Stuhl vor die
Türe zu setzen aber in derselben Stunde erlebt, daß sich das
vice versa viel einfacher abwickelt... Weihnachtsein¬
käufe" ist ein anderer Einakter betitelt, der aber mehr die
Stimmungen einer verheirateten Frau ausdeutet, die wohl die
Sehnsucht nach einem (vermeintlichen) Nebenbeiglück plagt, die
aber nicht den Mut zur Sünde hat... „Anatols Hoch¬
zeitsmorgen" ist eine witzige Frechheit, die den „Helden
eine Stunde vor dem Standesamt noch in den Fängen einer
seiner Lieben zeigt — Wie man nach einer Sinfonie oder
Sonate gern einmal einen Chovinschen Walzer hört oder einen
Offenbachschen Rhythmus, so läßt man sich, als Zwischenstück
gewissermaßen zwischen ernster Kunst, auch einmal einen
solchen „Anatol“ gefallen — Nur darf er nicht zu prätentiös
auftreten, sich nicht zu aufdringlich in den Vordergrund
schieben — Gestern abend bedeuteten die fünf Einakter de¬
nahe ein Zuviel — Wenn immer derselbe Ton angeschlagen
wird, werden die Nerven leicht rebellisch —! Wie gesagt: wer
sich einmal gut unterhalten will, ohne gleich in die Tiefe zu
steigen, der stelle die „Frage an das Schicksal", koste die „Epi¬
sode", genieße das „Abschiedssouper usw. Er wird dabei die
Freude haben, Heinz Monnard in allen Stimmungen und
Verstimmungen seines Anatol als einen Schauspieler von
Laune und Geschmack zu bewundern, der es mit Glück ver¬
meidet, Karikaturen zu schneiden, wird in Reicher einen
limonadensanften Mephisto zu diesem Salonsaust belächeln und
in fünf Damen des Lessing=Theaters fünf verschiedene Blätter
aus dem Lebens= und Liebesbuche Anatols aussagen —
Blätter, von denen ein jedes in anderen Charakteren geschrieben
ist — die Damen Somary, Lossen, Sussin, Her¬
Bn.
terich und Friesch.
4.9. Anatol - Zyklus
OBSERVER
er behördl.
Berliner Neueste Nachrichten
ontes
et
4 DIEMERISTO
.
Kontoret.
Theater und Musik.
Siehe auch 3. Beilage.)
Lessing=Theater.
Zum ersten Mal: Anatol, 5 Einakter von Arthur
Schnitzler.
Sie handeln alle dasselbe Thema ab, die Liebe oder rich¬
tiger das Verhältnis. Denn von der Liebe im höchsten
Sinne, der lebenverbindenden herzen zwingenden Liebe ist in
den meist niedlichen Bagatellen nicht die Rede. Es sind Ein¬
fälle, die in einen Alt gedehnt werden, Kaprizen, Stimmungen,
Sentiments. Es ist, als ob Schnitzler selber vor den Vorhang
träte und ein paar Kapitel aus seiner ars und vortrüge,
in leichten, launigen Tone: manchmal ist seine Art pilant
und gewagt, dann wieder klingen seine Sätze müde und ele¬
gisch — kurzum er verblüfft durch ein stetes Auf und Ab von
Gefühlswerten, die aber alle durch die Person des Dichters
Anatol zusammengehalten werden. Die Einakter selber muten
wie kleine Schattenbilder an, die nach einem Kapitel theoreti¬
scher Darlegungen die Schnitzlersche ars amandi gleichsam illu¬
cieren — Da ist der Zweifler Anatol, der über der Frage
nicht zur Ruhe kommen kann, ob ihm seine (zeitweilige Ge¬
liebte auch die Treue hält; der in dem Augenblick aber, da er
die „Frage an das Schicksal, frei hat, zurückbeht, weil
ihm die Illusion tausendmal mehr wert ist als die Gewißheit.
Da ist der von sich und seiner Unwiderstehlichkeit überzeugte
Anatol, der von einem Mädel, das ihm einmal eine „Epi¬
sode war, felsen jest glaubt, er wäre für diese Arme das Er¬
eignis des Lebens gewesen und der am Ende erfahren muß,
daß er nicht einmal eine Erinnerung in dem Mädel zu hinter¬
lassen verstanden het... Das „Abschieds souper" sieht
den in tausend Aengsten und Nöten hangenden Anatol der es
nicht über das Herz bringt, seiner Kleinen den Stuhl vor die
Türe zu setzen aber in derselben Stunde erlebt, daß sich das
vice versa viel einfacher abwickelt... Weihnachtsein¬
käufe" ist ein anderer Einakter betitelt, der aber mehr die
Stimmungen einer verheirateten Frau ausdeutet, die wohl die
Sehnsucht nach einem (vermeintlichen) Nebenbeiglück plagt, die
aber nicht den Mut zur Sünde hat... „Anatols Hoch¬
zeitsmorgen" ist eine witzige Frechheit, die den „Helden
eine Stunde vor dem Standesamt noch in den Fängen einer
seiner Lieben zeigt — Wie man nach einer Sinfonie oder
Sonate gern einmal einen Chovinschen Walzer hört oder einen
Offenbachschen Rhythmus, so läßt man sich, als Zwischenstück
gewissermaßen zwischen ernster Kunst, auch einmal einen
solchen „Anatol“ gefallen — Nur darf er nicht zu prätentiös
auftreten, sich nicht zu aufdringlich in den Vordergrund
schieben — Gestern abend bedeuteten die fünf Einakter de¬
nahe ein Zuviel — Wenn immer derselbe Ton angeschlagen
wird, werden die Nerven leicht rebellisch —! Wie gesagt: wer
sich einmal gut unterhalten will, ohne gleich in die Tiefe zu
steigen, der stelle die „Frage an das Schicksal", koste die „Epi¬
sode", genieße das „Abschiedssouper usw. Er wird dabei die
Freude haben, Heinz Monnard in allen Stimmungen und
Verstimmungen seines Anatol als einen Schauspieler von
Laune und Geschmack zu bewundern, der es mit Glück ver¬
meidet, Karikaturen zu schneiden, wird in Reicher einen
limonadensanften Mephisto zu diesem Salonsaust belächeln und
in fünf Damen des Lessing=Theaters fünf verschiedene Blätter
aus dem Lebens= und Liebesbuche Anatols aussagen —
Blätter, von denen ein jedes in anderen Charakteren geschrieben
ist — die Damen Somary, Lossen, Sussin, Her¬
Bn.
terich und Friesch.