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4.9. Anatol - Zyklus
Telephon 12.801.
en open, Mailand, Minneapolis,
New-York, Paris, Rom, San Francisco, Stockholm, St. Peter¬
burg, Toronto.
(Quellenangabe ohne Gewähr).
dungen aus. Sie keit am Montag
in
Num. 572. 10
Theater
Schnitzlers „Anatol im Lessing-Theater
Allzuviel ist über diesen harmlos netten Abend nicht zu sagen.
Man hat sich einmal nicht zu ärgern brauchen; man hat hin und
wieder eine mit reinlichen Mitteln erzielte Heiterkeit empfinden
dürfen. Das ist in den Zeiten der Theaterverseuchung durch die
unterschiedlichen Dramen-Syndikate schon etwas. Zudem kann man,
wenn man dieses immerhin frische und durchaus nicht witz¬
verlassene Geplausch Schnitzlers mit den zusammengeschwitzten
Geistreicheleien derer vergleicht,
die sich als seinen
Nachwuchs empfinden, einmal so recht deutlich den Unterschied
zwischen Talent und Fingerfertigkeit erkennen. Ich will ein Libretto
dichten, wenn es unter dem jungen Nachwuchs in Wien nicht
Dutzende gibt, die ohne weiteres bei der Hand wären, Schnitzler
den Anatol nachzumachen
wenn sie sich über solche
Harmlosigkeiten nicht erhaben dünkten. Wenn sie es in¬
zwischen nicht mit der „Renaissance“ bekommen hätten — oder mit der
Paralyse. Aber das ist es eben: Schnitzler kam sich, als er vor bald
zwanzig Jahren diese fünf Szenen aus dem Leben eines Wiener Don
Juanerichs dichtete, nicht ganz so bedeutend und jedenfalls er¬
heblich gegenwärtiger vor. Er nahm aus dem Zeitlichen, was ihm
unter die Hände kam, schnitzelte die Figuren sauber heraus und
stellte das ganze so niedlich und „lebensabgelauscht hin, daß man
es noch heute fast für das Leben selber nehmen könnte, wenn
Wenn es nicht ganz so sauber, nicht ganz so niedlich-süß,
nicht ganz so reizend bunt aufgebaut ware! Man sieht
ihm aber, eben um dieser Sauberkeit der Arbeit willen,
manches nach und bildet sich für zwei Stunden mit Vergnügen
ein, daß das Leben keine schlimmeren Fallgruben stelle als die Grübchen
in den niedlichen Backen der Geliebten Anatols. Und man hat
den beträchtlich heftigen Wunsch möchten doch manche von den
Renaissancejünglingen, den vermeintlichen Seelenkündern und wirk¬
lichen Paralytikern, sich heute noch so liebenswürdig mit ihrer
Erdennähe bescheiden, als es vor bald zwanzig Jahren dieser
Dichter vermochte, der inzwischen einen weiten Weg über den
Anatol hinausgegangen ist
Dieser gute Anatol läßt mir freilich — wenn ich mich eines
Ausdrucks von Knut Hamsun bedienen darf — einen etwas säuer¬
lichen und nicht ganz unzweideutigen Geschmack im Munde zurück.
Ich bin mir nicht ganz klar darüber, ob dieser Nachgeschmack des
— ich möchte sagen: Angelitschten ausschließlich auf die Fähigkeit
des Dichters zurückzuführen ist, eine etwas litschige Figur aus
vollem Leben heraus so zu gestalten, wie sie ist und wie sie sein
soll, oder ob sie auf dem Wege durch die dichterische Empfäng¬
nis wider den Willen des Erzeugers den — im letzteren Falle schon
etwas fatalen — Beigeschmack empfangen hat.
Dieser Zweifel könnte zu denken geben; aber es wäre wahrlich
ein schlechter Witz, wollte man sich in diesen schlechten Zeiten mit
dem „kritischen Maßstab einem Stücke nähern, das sich in seinen
geschmackvoll bunten Aeußerlichkeiten und seinem guten Witz durch
fast zwanzig Jahre frisch erhalten hat. Wir dürfen uns das heute
nicht erlauben.
Von den fünf szenischen Kleinigkeiten kamen die erste („Die
Frage an das Schicksal") und die dritte („Abschiedssouper") am
nettesten heraus. Im „Abschiedssouper tat Fräulein Sussin des
Guten zu viel. So „liab" und „saß" tut hoffentlich selbst ein
ganz wegnerisches Madel nicht. In der Schlußskizze „Anatols
Hochzeitsmorgen konnte man Irene Triesch sich einmal ausgelassen
mädelhaft und beinestrampelnd geberden sehen. Herr Monnard¬
Anatol hatte den Wenna Schwerenter=Schmelz (der vom Schmalz
nicht eben weit entfernt ist.) Reicher spielte den „Füller Max so
wie er sein muß: mit dem Behagen an seiner eigenen Ueber¬
legenheit
Fr. S.
Telephon 12.801.
44
„OBSERVE
1. österr. behördl. konz. Unternehmen für Zeitungs-Ausschnitte
Wien, I., Concordiaplatz 4.
Vertretungen
In Berlin, Basel, Budapest, Chicago, Cleveland, Christiania,
Genf, Kopenhagen, London, Madrid, Mailand, Minneapolis,
New-York, Paris, Rom, San Francisco, Stockholm, St. Peters¬
burg, Toronto.
der
Ausschnitt aus:
Leipziger Neueste Nachrichtes
vom
„Anatol, der geistsprühende Einakterzyklus Arthur Schnitz
lers hatte einem Telegramm unseres Be¬
arbeiters zufolge, im „Lessingtheater“ einen star¬
ken, ehrlichen Erfolg, den das in der Zeichnung eines bestimmten Wiener
Lebemannstyps und in der technischen Beherrschung des feinsten und
vielsagendsten Dialoges gleich sichere Werk ohne Zweifel verdient. Das
heitere Mitgehen des Publikums versagte bei keinem der fünf, am Sonn¬
abend abend zum ersten Male im Zusammenhang dargestellten Stücke,
wenngleich „Anatols Hochzeitsmorgen", eine Art ironischer Schlu߬
apotheose, noch stärkeren Beifall auslöste, als die vorhergehenden Akte
Ueberdies sprach es für die unerwartete Bühnenwirksamkeit der Dia¬
loge, daß der Dichter mühelos siegte, obschon die Darstellung ihn besser
hätte unterstützen können. Heinz Monnard als Anatol war in allen
fünf Einaktern teils zu derb, teils zu karikaturistisch, und Frau Triesch
lag die Rolle der Ilona im „Hochzeitsmorgen" nicht recht. Auch hätten
die Frauenpartien der beiden Einleitungsakte „Die Frage an das
Schicksal" und „Weihnachtseinkäufe glücklicher als durch Paula Somary
und Lina Lossen besetzt sein können. Farbiger war denn schon Hilda
Herterich als Bianka in der „Episode". Durch seine ruhige, überlegene
Zurückhaltung überraschte angenehm Emanuel Reicher in der Rolle
von Anatols Freund Max. Unter den Damen holte sich eigentlich nur
Mathilde Sussin im „Abschiedsdiner“ einen darstellerischen Separater¬
folg durch ihr Temperament, das die Anni echter, wienerischer an¬
faßte, als alle übrigen Darsteller ihre Wiener Menschen
Karl Fr. Nowack
an
in
4.9. Anatol - Zyklus
Telephon 12.801.
en open, Mailand, Minneapolis,
New-York, Paris, Rom, San Francisco, Stockholm, St. Peter¬
burg, Toronto.
(Quellenangabe ohne Gewähr).
dungen aus. Sie keit am Montag
in
Num. 572. 10
Theater
Schnitzlers „Anatol im Lessing-Theater
Allzuviel ist über diesen harmlos netten Abend nicht zu sagen.
Man hat sich einmal nicht zu ärgern brauchen; man hat hin und
wieder eine mit reinlichen Mitteln erzielte Heiterkeit empfinden
dürfen. Das ist in den Zeiten der Theaterverseuchung durch die
unterschiedlichen Dramen-Syndikate schon etwas. Zudem kann man,
wenn man dieses immerhin frische und durchaus nicht witz¬
verlassene Geplausch Schnitzlers mit den zusammengeschwitzten
Geistreicheleien derer vergleicht,
die sich als seinen
Nachwuchs empfinden, einmal so recht deutlich den Unterschied
zwischen Talent und Fingerfertigkeit erkennen. Ich will ein Libretto
dichten, wenn es unter dem jungen Nachwuchs in Wien nicht
Dutzende gibt, die ohne weiteres bei der Hand wären, Schnitzler
den Anatol nachzumachen
wenn sie sich über solche
Harmlosigkeiten nicht erhaben dünkten. Wenn sie es in¬
zwischen nicht mit der „Renaissance“ bekommen hätten — oder mit der
Paralyse. Aber das ist es eben: Schnitzler kam sich, als er vor bald
zwanzig Jahren diese fünf Szenen aus dem Leben eines Wiener Don
Juanerichs dichtete, nicht ganz so bedeutend und jedenfalls er¬
heblich gegenwärtiger vor. Er nahm aus dem Zeitlichen, was ihm
unter die Hände kam, schnitzelte die Figuren sauber heraus und
stellte das ganze so niedlich und „lebensabgelauscht hin, daß man
es noch heute fast für das Leben selber nehmen könnte, wenn
Wenn es nicht ganz so sauber, nicht ganz so niedlich-süß,
nicht ganz so reizend bunt aufgebaut ware! Man sieht
ihm aber, eben um dieser Sauberkeit der Arbeit willen,
manches nach und bildet sich für zwei Stunden mit Vergnügen
ein, daß das Leben keine schlimmeren Fallgruben stelle als die Grübchen
in den niedlichen Backen der Geliebten Anatols. Und man hat
den beträchtlich heftigen Wunsch möchten doch manche von den
Renaissancejünglingen, den vermeintlichen Seelenkündern und wirk¬
lichen Paralytikern, sich heute noch so liebenswürdig mit ihrer
Erdennähe bescheiden, als es vor bald zwanzig Jahren dieser
Dichter vermochte, der inzwischen einen weiten Weg über den
Anatol hinausgegangen ist
Dieser gute Anatol läßt mir freilich — wenn ich mich eines
Ausdrucks von Knut Hamsun bedienen darf — einen etwas säuer¬
lichen und nicht ganz unzweideutigen Geschmack im Munde zurück.
Ich bin mir nicht ganz klar darüber, ob dieser Nachgeschmack des
— ich möchte sagen: Angelitschten ausschließlich auf die Fähigkeit
des Dichters zurückzuführen ist, eine etwas litschige Figur aus
vollem Leben heraus so zu gestalten, wie sie ist und wie sie sein
soll, oder ob sie auf dem Wege durch die dichterische Empfäng¬
nis wider den Willen des Erzeugers den — im letzteren Falle schon
etwas fatalen — Beigeschmack empfangen hat.
Dieser Zweifel könnte zu denken geben; aber es wäre wahrlich
ein schlechter Witz, wollte man sich in diesen schlechten Zeiten mit
dem „kritischen Maßstab einem Stücke nähern, das sich in seinen
geschmackvoll bunten Aeußerlichkeiten und seinem guten Witz durch
fast zwanzig Jahre frisch erhalten hat. Wir dürfen uns das heute
nicht erlauben.
Von den fünf szenischen Kleinigkeiten kamen die erste („Die
Frage an das Schicksal") und die dritte („Abschiedssouper") am
nettesten heraus. Im „Abschiedssouper tat Fräulein Sussin des
Guten zu viel. So „liab" und „saß" tut hoffentlich selbst ein
ganz wegnerisches Madel nicht. In der Schlußskizze „Anatols
Hochzeitsmorgen konnte man Irene Triesch sich einmal ausgelassen
mädelhaft und beinestrampelnd geberden sehen. Herr Monnard¬
Anatol hatte den Wenna Schwerenter=Schmelz (der vom Schmalz
nicht eben weit entfernt ist.) Reicher spielte den „Füller Max so
wie er sein muß: mit dem Behagen an seiner eigenen Ueber¬
legenheit
Fr. S.
Telephon 12.801.
44
„OBSERVE
1. österr. behördl. konz. Unternehmen für Zeitungs-Ausschnitte
Wien, I., Concordiaplatz 4.
Vertretungen
In Berlin, Basel, Budapest, Chicago, Cleveland, Christiania,
Genf, Kopenhagen, London, Madrid, Mailand, Minneapolis,
New-York, Paris, Rom, San Francisco, Stockholm, St. Peters¬
burg, Toronto.
der
Ausschnitt aus:
Leipziger Neueste Nachrichtes
vom
„Anatol, der geistsprühende Einakterzyklus Arthur Schnitz
lers hatte einem Telegramm unseres Be¬
arbeiters zufolge, im „Lessingtheater“ einen star¬
ken, ehrlichen Erfolg, den das in der Zeichnung eines bestimmten Wiener
Lebemannstyps und in der technischen Beherrschung des feinsten und
vielsagendsten Dialoges gleich sichere Werk ohne Zweifel verdient. Das
heitere Mitgehen des Publikums versagte bei keinem der fünf, am Sonn¬
abend abend zum ersten Male im Zusammenhang dargestellten Stücke,
wenngleich „Anatols Hochzeitsmorgen", eine Art ironischer Schlu߬
apotheose, noch stärkeren Beifall auslöste, als die vorhergehenden Akte
Ueberdies sprach es für die unerwartete Bühnenwirksamkeit der Dia¬
loge, daß der Dichter mühelos siegte, obschon die Darstellung ihn besser
hätte unterstützen können. Heinz Monnard als Anatol war in allen
fünf Einaktern teils zu derb, teils zu karikaturistisch, und Frau Triesch
lag die Rolle der Ilona im „Hochzeitsmorgen" nicht recht. Auch hätten
die Frauenpartien der beiden Einleitungsakte „Die Frage an das
Schicksal" und „Weihnachtseinkäufe glücklicher als durch Paula Somary
und Lina Lossen besetzt sein können. Farbiger war denn schon Hilda
Herterich als Bianka in der „Episode". Durch seine ruhige, überlegene
Zurückhaltung überraschte angenehm Emanuel Reicher in der Rolle
von Anatols Freund Max. Unter den Damen holte sich eigentlich nur
Mathilde Sussin im „Abschiedsdiner“ einen darstellerischen Separater¬
folg durch ihr Temperament, das die Anni echter, wienerischer an¬
faßte, als alle übrigen Darsteller ihre Wiener Menschen
Karl Fr. Nowack
an
in