II, Theaterstücke 4, (Anatol, 8), Anatol, Seite 149

4.9. A

Zyklus
box 8/5

Wirkung der Szene liegt der ganze Zauber. Und so wirkt auch
meistens die ins Schnitzlersche Werk verfochtene istorie. Rein
illustrativ. Bildbeilagen zum Schauspiel. Diese Szenen stehen im
Stück wie Steine in einem Strom. Das Drama fließt um sie in
langgewundenen flachen Schleifen herum, statt daß es durch sie ein
stärkeres Gefälle bekäme. Zeitkolorit und Stimmung ist wohl da.
Aber das hätte sich mit weit geringer Aufwand an Menschen,
Episoden und Szenenbildern erzielen lassen müssen. Einzig der Napo¬
leon, der im Hintergrunde wetterleuchtet, macht die Atmosphäre des
Stückes gefährlich, gespannt. Aber auch das bewirkt nicht des Dichters
Kunst, sondern die Assoziationen, die der Name im Bewußtsein des
Hörers frei macht.
Ein paar starke Eindrücke trägt man von der langen romantischen
Historie davon. Lebensmitte, Mannesalter: das spürt man als die
primäre Zelle der ganzen Empfindungswelt dieses Werkes. Zwischen
zweierlei Angst ist es eingebettet. Zwischen der Angst vor den Un¬
gewißheiten und dem Un=Sinn des willenden, wollenden Lebens¬
und der Angst vor dem Sinn und der Gewißheit seines Endens.
Zwischen Jugendsehnsucht und Todesgrauen liegt es.
Ein stark romantischer Zug waltet vor. Ein trotziger, ohn¬
mächtiger Trieb zur Selbstgestaltung des eigenen Schicksals. Ein
Versuch, über Tod und Leben, Größe und Kleinheit, Wollen und
Können das aufhebende Zeichen eines fatalistischen Lächelns zu setzen.
Der Stärke wird gehuldigt, dem Bewußtsein eigenen Wertes, als
der einzigen Möglichkeit, sein Leben zu leben und den Tod zu dulden.
Die schrullenhafte Ordnung, in der irdisches Geschehen abrollt, wird
gezeigt, die sonderbar verzwickten Rösselsprünge von Ursache zur
Wirkung, die „die Hand des Verhängnisses" schlingt, und die erst
historisches Betrachten künftiger Geschlechter oder genial=perspektivisches
Sehen eines Dichter=Auges auflöst.
Das scheinen, in gedrängtester Kürze, die abstrakten Grundlinien
im neuen Schnitzlerschen Drama. Es ist kein Meisterwerk; aber das
Werk eines Autors, der schmerzhaft genau fühlt, wie die Meisterschaft
aussehen müßte; und nach besten Kräften Annäherungswerte gibt.
Das Riesenkind der Schnitzlerschen Muse wurde im Burgtheater
wahrhaft fürstlich herausstaffiert. Eine lange Reihe zierlicher, intimer,
vornehmer, farbenroher Szenenbilder rollte ohne Stockung ab, und
der Spielereien für Erwachsene gibt es eine weihnachtliche Fülle.
Manches, so die Bastei=Szene, sieht allzu niedlich und geschleckt aus.
Man hat da wirklich die Empfindung: Riesenspielzeug. Nach Schluß
der Szene wird alles, samt Herrn Gerasch, in eine große Schachtel
gepackt und auf den Schrank gestellt.
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