II, Theaterstücke 4, (Anatol, 8), Anatol, Seite 396

4.9. Anatol - Zyklus
ner Ladung (and in
Ausschnitt aus:
1913
Deutsches Theater.
(Fr.) Gestern wurde Anatol von A.
Schnitzler aufgeführt. Es sind vier Gespräche
über die Liebe, von zwei jungen Herren, die
sonst nichts zu tun haben, als zu „lieben
sind vier Spielereien um das Elementarse des
Lebens. Das ist alles sehr geistreich, witzig und
sein — und so verdammt oberflächlich, daß man
an sich halten muß, nicht loszufahren: den Teu¬
sel, wann kriegt man da endlich etwas zu fassen,
etwas Stankes, Echtes, Tiefes, Schönes, oder
auch etwas Furchtbares, was immer, nur soll
es einen packen! Es packt nicht, und ist doch sehr
geistreich, sehr witzig und sehr fein, mit einem
Wort sehr kultiviert und langweilig. — Das
Theater verlangt eben ein Ausgraben und Be¬
pflanzen des menschlichen Lebens; Schnitzler geht
hier aber spazieren und pflückt Bumen.
Die Darstellung litt an dem greulichen
Raum, worin sie vor sich gehen mußte. Die Ge¬
spräch sollen in im sein und so en passant dahin¬
fließen; sie mußten aber geschmettert werden,
weil sonst kein Wort verstanden worden wäre.
Das führende Element, die Sprache, verzerrte
sich derart, daß auch alles andere verrenkt wur¬
de, vergröbert, brutalisiert. Immerhin hielt sich
die Aufführung auf gutem Niveau. Kurt Wonger,
Hans Olden, Lolly Lederer und Emmy Bognar,
die besten Kräfte des Ensembles, mühten sich
aufs redlichste, die äußere Ungunst für ihr Spiel
zu überwinden. Eine angenehme Ueberraschung
war Melitta Bernhardt im Abschiedssouper: ein
starkes Talent, noch ein bißchen spröd und un¬
gelenk, machte sich energisch bemerkbar.
box 9/1
Ausschnitt ihrer Vollstand, der
vom

Dornbirn, 23. Mai. (Ehren= und Ab¬
schiedsabend Watkin Brauer.) Wie
bereits gemeldet, wird Dienstag, den 27. ds.
im „Mohren“ die letzte Vorstellung der dies¬
jährigen Frühjahrssaison als Ehrenabend für
den Spielleiter Brauer gegeben, der sich
Schnitzlers geistvolle Komödie „Anatol" ge¬
wählt und damit sicherlich einen tatkräftigen
Helfer für das Zustandebringen eines geschmack¬
vollen und befriedigenden Theaterabends gewon¬
nen hat. Artur Schnitzler, dessen fünfzig¬
jähriger Geburtstag auf allen österreichischen
und deutschen Bühnen durch Festaufführungen
gefeiert wurde stattliche wider im Vor¬
dergrund des Interesses infolge der neuen präch¬
tigen Erfolge seiner letzten Werke „Das wei¬
Land“ und des in Wien auch als Privatauffüh¬
rung verbotenen Aerztestücks „Professor Bern¬
hardi“. Am liebsten sieht man aber doch in
Schnitzler den liebenswürdigen Anatol¬
dichter, als der er seinerzeit seinen literari¬
schen Ruf noch mehr als durch das bekannte
„Liebelei“-Drama begründete. Der Anatol ist
uns fast zur bleibenden Figur der neueren Lite¬
ratur geworden, sodaß man ihn in Dornbirn
bei seinem erstmaligen Erscheinen auf der Bühne
gewiß froh willkommen heißen wird.
Dem
Anatol Watkin Brauers zollte die deutsche
Presse in St. Petersburg viel Anerkenn¬
ung und lobte den leichten trocknen Humor und
die auf den echten Wiener Ton gestimmte Ver¬
körperung dieser Wiener Dekadence Type.
Hier wird sich am Dienstag die reife kluge
Kunst Elsa Luise Hauptmanns zu ihm ge¬
sellen, die seine Partnerin spielen wird, und
Willy Schenk als Freund Max, dieser welt¬
gewandte nachsichtige und gescheite Lebemann
der gerade in Schenk seinen geeigneten Interpre¬
ten gefunden hat.