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4.9. Ana
Zykle
und Kenntnissen in Kunst und Literatur, schließlich doch immer
zum großen Teil Sache des Geschmackes. Und deshalb darf
darüber nicht gestritten werden. Aber ein Urteil des in Rede
stehenden Kritikers verdient doch, daß es zur Erheiterung der¬
„Humorist=Leser, die sich, wie männiglich bekannt, fast nur aus
theater= und literaturkundigen Kreisen rekrutieren, niedriger ge¬
hängt werde. Besagter „Dr." ließ nämlich letzter Tage seine „be¬
scheidene Meinung über den richtiggehenden Doktor Artur
Schnitzler laut werden, indem er, anläßlich einer Aufführung
von „Hochzeitsmorgen" aus Schnitzlers geistreichem Anatol=Zyklus.
diesen Einakter ein „seichtes, erotisches Machwerk“ nannte und die
Darsteller bedauerte, welche darin mitwirken mußten. „Nein, Ver¬
zeihung
.... Auch das ist keine Satyre, dagegen eine
eigentlich recht traurige Angelegenheit. Aber
„man lacht
Ein anderes hiesiges Blatt legt wieder eine „warme". Lanze für
ein Winterheater ein. Ueber die Sache selbst kann man ver¬
schiedener Meinung sein, es gibt sicher ebensoviele Verfechter wie
Bekämpfer dieser Idee, aber die Mittel, mit welchen von ver¬
schiedenen Seiten gegen die Direktion Lischka-Naoul ge¬
kämpft wird, und die plötzliche Aufwerfung der Winter¬
theaterfrage in diesem Jahre scheint mir auch nur ein Vor¬
postengengeplänkel in dem geplanten Feldzug gegen die Direktion
zu sein und — die Mittel dünken mir nicht ganz einwandfrei.
Beispielsweise heißt es in dem Artikel u. a.: „Ueber die Dauer
des Krieges ist man auch heute noch in Ungewißheit, über den
Theaterbesuch während der Kriegssaison liegen
aber schon bestimmte Anhaltspunkte vor, wenngleich
ein abschließendes Urteil noch nicht abgegeben werden kann.
Weiters hat der Verlauf der Theatersaison einen
unerwartet guten Erfolg gegeben.“ Nachdem der
schlechte Besuch im Mai zugestanden wird, heißt es: „Aber schon
im Juni war eine erhebliche Besserung zu bemerken und der
Monat Juli kann sich, was gutbesuchte Häuser anbetrifft, mit
den letzten Theaterjahren ruhig in Vergleich
stellen, so daß die Theaterleitung alle Ursache hat, mit den
materiellen Ergebnissen sehr zufrieden zu sein, Ergebnissen, die sich
im Monat August zweifellos (?) noch bedeutend erhöhen werden
und der Theaterdirektion einen hohen Gewinn garantieren.
„Darüber staunt der Fachmann und der Laie wundert sich."
Wundert sich, wenn er weiß, wie oft der Verfasser desselben
Artikels mit eigenen Augen die gähnende Leere des Theaters ge¬
sehen und die beweglichen Klagen des Direktors mit eigenen
Ohren gehört haben mag. Wer die tatsächlichen Verhältnisse
kennt, wäre verleitet, auch diese „Feststellungen" für eine Satyre
zu halten, aber auch sie sind es nicht, sondern etwas ganz
anderes ... Wir stehen zu Direktor Lischka-Raoul weder in
einem „verwandtschaftlichen, noch sonst wie außerordentlich freund¬
schaftlichen Verhältnisse", aber die Gerechtigkeit erfordert es, die
Lächerlichkeit der oben angeführten Behauptungen aufzuweisen;
dagegen ernstlich zu polemisieren, erübrigt sich und das ist auch
nicht unser Beruf.
Eines wird aber sicher die Folge davon
sein; daß man in Karlsbad, soweit das Blatt eben gelesen wird,
über die Kühnheit, mit der den Leuten solcher Unsinn ins Gesicht
gesagt wird, sich
je nach dem Temperament
ärgern oder
lachen wird und falls es zu einer Neuausschreibung des Theater¬
kommen sollte, man wieder ein Wettlaufkriechen der unwahrschein¬
lichsten Direktoren erleben dürfte.
Neulich gab's abermals einen „Bunten Abend“. Er war
aber viel zu wenig bunt, sondern ziemlich farblos, dieweil es
nicht angängig ist, daß in verhältnismäßig kurzen Abständen zum
großen Teil immer dieselben Piecen geboten werden. Das
Haus war leer und das spärliche Publikum erwärmte sich eigent¬
lia, nur bei den prachtvoll gesungenen Liedern des Frl. Schulz
und dem reizenden Menuett, das von Herrn Walter René
arrangiert und von sechs Damen sowie von ihm und unserer
brillanten Tänzerin Frl. Garay ganz wundervoll zur Vorfüh¬
rung gebracht wurde. Dem sonst von uns sehr geschätzten Fräulein
Scarron möchten wir den wohlgemeinten Rat geben, sich bei
solchen Gelegenheiten doch mehr an das ihrem ganzen Wesen
weit besser liegende lustige Genre zu halten. Sie sang brav,
aber Schubert=Lieder und die muntere Friedl vertragen sich schwer.
In der „Kino=Königin" machten wir die Bekanntschaft des
über die Maßen feschen Fris. Mizzi Freihardt, vom Johann
Strauß=Theater. Ihre Leistung besonders zu loben, ist tatsächlich
mann ein Kabinettstückchen machte. Der Hegendank des Herrn
Felden wirkte diskret komisch. Alles in allem: es war eine
vollkommen abgerundete Vorstellung.
Heute dirigiert Oskar Straus eigenhändig seinen „Walzer¬
traum“. Die Freihardt spielte die Franzi. Morgen setzt
Gerasch sein Gastspiel im „Rosenmontag“ fort. Ueber alles das
hören Sie nächstens mehr von ihrem
Erich Berg.
4.9. Ana
Zykle
und Kenntnissen in Kunst und Literatur, schließlich doch immer
zum großen Teil Sache des Geschmackes. Und deshalb darf
darüber nicht gestritten werden. Aber ein Urteil des in Rede
stehenden Kritikers verdient doch, daß es zur Erheiterung der¬
„Humorist=Leser, die sich, wie männiglich bekannt, fast nur aus
theater= und literaturkundigen Kreisen rekrutieren, niedriger ge¬
hängt werde. Besagter „Dr." ließ nämlich letzter Tage seine „be¬
scheidene Meinung über den richtiggehenden Doktor Artur
Schnitzler laut werden, indem er, anläßlich einer Aufführung
von „Hochzeitsmorgen" aus Schnitzlers geistreichem Anatol=Zyklus.
diesen Einakter ein „seichtes, erotisches Machwerk“ nannte und die
Darsteller bedauerte, welche darin mitwirken mußten. „Nein, Ver¬
zeihung
.... Auch das ist keine Satyre, dagegen eine
eigentlich recht traurige Angelegenheit. Aber
„man lacht
Ein anderes hiesiges Blatt legt wieder eine „warme". Lanze für
ein Winterheater ein. Ueber die Sache selbst kann man ver¬
schiedener Meinung sein, es gibt sicher ebensoviele Verfechter wie
Bekämpfer dieser Idee, aber die Mittel, mit welchen von ver¬
schiedenen Seiten gegen die Direktion Lischka-Naoul ge¬
kämpft wird, und die plötzliche Aufwerfung der Winter¬
theaterfrage in diesem Jahre scheint mir auch nur ein Vor¬
postengengeplänkel in dem geplanten Feldzug gegen die Direktion
zu sein und — die Mittel dünken mir nicht ganz einwandfrei.
Beispielsweise heißt es in dem Artikel u. a.: „Ueber die Dauer
des Krieges ist man auch heute noch in Ungewißheit, über den
Theaterbesuch während der Kriegssaison liegen
aber schon bestimmte Anhaltspunkte vor, wenngleich
ein abschließendes Urteil noch nicht abgegeben werden kann.
Weiters hat der Verlauf der Theatersaison einen
unerwartet guten Erfolg gegeben.“ Nachdem der
schlechte Besuch im Mai zugestanden wird, heißt es: „Aber schon
im Juni war eine erhebliche Besserung zu bemerken und der
Monat Juli kann sich, was gutbesuchte Häuser anbetrifft, mit
den letzten Theaterjahren ruhig in Vergleich
stellen, so daß die Theaterleitung alle Ursache hat, mit den
materiellen Ergebnissen sehr zufrieden zu sein, Ergebnissen, die sich
im Monat August zweifellos (?) noch bedeutend erhöhen werden
und der Theaterdirektion einen hohen Gewinn garantieren.
„Darüber staunt der Fachmann und der Laie wundert sich."
Wundert sich, wenn er weiß, wie oft der Verfasser desselben
Artikels mit eigenen Augen die gähnende Leere des Theaters ge¬
sehen und die beweglichen Klagen des Direktors mit eigenen
Ohren gehört haben mag. Wer die tatsächlichen Verhältnisse
kennt, wäre verleitet, auch diese „Feststellungen" für eine Satyre
zu halten, aber auch sie sind es nicht, sondern etwas ganz
anderes ... Wir stehen zu Direktor Lischka-Raoul weder in
einem „verwandtschaftlichen, noch sonst wie außerordentlich freund¬
schaftlichen Verhältnisse", aber die Gerechtigkeit erfordert es, die
Lächerlichkeit der oben angeführten Behauptungen aufzuweisen;
dagegen ernstlich zu polemisieren, erübrigt sich und das ist auch
nicht unser Beruf.
Eines wird aber sicher die Folge davon
sein; daß man in Karlsbad, soweit das Blatt eben gelesen wird,
über die Kühnheit, mit der den Leuten solcher Unsinn ins Gesicht
gesagt wird, sich
je nach dem Temperament
ärgern oder
lachen wird und falls es zu einer Neuausschreibung des Theater¬
kommen sollte, man wieder ein Wettlaufkriechen der unwahrschein¬
lichsten Direktoren erleben dürfte.
Neulich gab's abermals einen „Bunten Abend“. Er war
aber viel zu wenig bunt, sondern ziemlich farblos, dieweil es
nicht angängig ist, daß in verhältnismäßig kurzen Abständen zum
großen Teil immer dieselben Piecen geboten werden. Das
Haus war leer und das spärliche Publikum erwärmte sich eigent¬
lia, nur bei den prachtvoll gesungenen Liedern des Frl. Schulz
und dem reizenden Menuett, das von Herrn Walter René
arrangiert und von sechs Damen sowie von ihm und unserer
brillanten Tänzerin Frl. Garay ganz wundervoll zur Vorfüh¬
rung gebracht wurde. Dem sonst von uns sehr geschätzten Fräulein
Scarron möchten wir den wohlgemeinten Rat geben, sich bei
solchen Gelegenheiten doch mehr an das ihrem ganzen Wesen
weit besser liegende lustige Genre zu halten. Sie sang brav,
aber Schubert=Lieder und die muntere Friedl vertragen sich schwer.
In der „Kino=Königin" machten wir die Bekanntschaft des
über die Maßen feschen Fris. Mizzi Freihardt, vom Johann
Strauß=Theater. Ihre Leistung besonders zu loben, ist tatsächlich
mann ein Kabinettstückchen machte. Der Hegendank des Herrn
Felden wirkte diskret komisch. Alles in allem: es war eine
vollkommen abgerundete Vorstellung.
Heute dirigiert Oskar Straus eigenhändig seinen „Walzer¬
traum“. Die Freihardt spielte die Franzi. Morgen setzt
Gerasch sein Gastspiel im „Rosenmontag“ fort. Ueber alles das
hören Sie nächstens mehr von ihrem
Erich Berg.