(Kleine Bühne. — Makel.") Nach mehreren ernsten, ja
düsteren Stücken brachte die Bühne uns gestern mit Schnitz¬
ers „Anatol“ wieder ein einen heiteren Abend. Unter dem
Titel „Anatol verein Wiener Dichter sieben Einakter,
esser geag Szenen, welchen man auch den Titel „Rund um die
Liebe oder nach klassischem Muster „Ars amandt“ geben könnte.
natol ist ein eleganter, junger Wiener Lebemann, der von einer
Geliebten zur andern stettert, es aber jedesmal mit seiner Liebe
sehr ernst nimmt und gern darüber philosophiert. Er treibt sozu¬
sagen praktische Liebesphilosophie mit einem gewissen melancho¬
lischen, weltschmerzlichen Einschlag. Neben ihm steht sein treuer
Freund Max, gleichfalls geeichter Lebemann, aber mehr als Ana¬
tol über den Dingen sehend, ernster in der Lebenserfahrung und
vielleicht gerade deshalb mit einer starken Neigung zum Spötter.
Diese beiden Männersiguren spielen in allen sieben Stückchen mit,
die Frau, die jeweilige Geliebte Anatols, aber wechselt jedesmal.
Gestern wurden, wie übrigens zumeist üblich, aus dem „Anatol¬
Zyklus drei Szenen ausgewählt, die wir auch schon früher an
unserer Bühne aufgeführt sahen. Zuerst „Die Frage an das
Schicksal“ — das ist die Frage, ob Cora (Tora heißt „sie“ in
diesem Stückchen) ihm stets treu gewesen, die Anatol an die Ge¬
liebte in der Hypnose richten will, aber nicht richtet, weil er Angst
hat, eine unangenehme Wahrheit hören zu müssen. „Abschieds¬
souper ist wohl das meist aufgeführte Lustspielchen aus dem
„Anatol“=Zyklus. „Sie" heißt hier Annie und ist Ballettänzerin.
Anatol soupiert mit ihr bei Scher und will ihr bei dieser Ge¬
legenheit zwischen Austern und Champagner beibringen, daß er
jetzt eine andere liebt und mit Annie daher brechen müsse. Ihm
bant vor dieser Beichte. Da kommt ihm aber Annie mit einem
gleichen Bekenntnisse zuvor. An diese zwei geistreichen Stückchen
schloß sich das frivol-heitere „Anatols Hochzeitsmor¬
zer Tagespost,
Linz.
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den an. Analoi heiratet. Nach dem Porteren weder
noch einmal seine Freiheit genießen und trifft dabei seine Geliebte,
diesmal heißt „sie Ilona, eine höchst temperamentvolle Dame,
wieder, der er unter allen möglichen Schwierigkeiten schon geraume
Zeit ausgewichen. Sie hängt sich an ihn, sie läßt ihn nicht mehr
los, sie begleitet ihn nach Hause, sie ist auch am andern Tage vor¬
mittags nicht wegzubringen. Um 2 Uhr soll Anatols Hochzeit sein,
bei der Max Brautführer ist. Schließlich gelingt es Max, Ilona
die natürlich empört ist und die Hochzeit Anatols durch Skandal
zu verhindern droht, zu beruhigen, indem er ihr die Hoffnung
eröffnet, daß Anatol wieder zu ihr zurückkehren könne. Im Voll¬
gefühle dieses künftigen Triumphes über die glücklichere Neben¬
buhlerin, seine Frau, läßt sie Anatol heiraten.
Die liebenswürdigen, bühnenwirksamen Jugendstücklein
Schnitzlers, welche 1893 erschienen und dem jungen Dichter neben
seiner „Liebelei den Ruf sicherten und wahrscheinlich manche
viel schwerer angelegte Arbeit von ihm überleben dürften, haben
auch gestern wieder das Publikum köstlich unterhalten, um so mehr,
als sie so recht für das Intime einer kleinen Bühne passen. Dazu
kam unter Leitung des Herrn Frank eine vortreffliche Ausfüh¬
rung. Herr Waniek als Anatol vermochte das Grüblerische in
dieser Figur bestens herauszuarbeiten, sah überdies sehr elegant
aus und traf den wienerischen Ton ebenso gut. Nur zu jung schien
er für den Anatol mit seinen zahlreichen Abenteuern, denn solche
Anatols pflegen zumeist erst später, nachdem sie ihre Freiheit
länger genossen, in dem ruhigeren Hafen der Ehe zu landen.
Mit überlegener seiner Ironie gab Herr Frank den Max, dem
stets der Schalk im Nacken sitzt und behaglich breitete sein Humor
sich über die ganze Aufführung. Gleich gut waren auch die drei
Damenrollen besetzt. Fräulein Anzengruber sah als Cora
lieb und herzig aus, so ganz das „füße Mädel. Mit köstlicher
Natürlichkeit spielte Fräulein Erhardt die Annie und war von
einer geradezu entzückenden Gemeinheit. Fräulein Rotter end¬
lich stattete die Mona, die offenbar in der Damengalerie Anatols
den Typus der besseren Schauspielerin vertritt, trotz allen Tempe¬
ramentes mit einer gewissen Vornehmheit aus. Alle Darsteller
konnten sich reichen Beifalles erfreuen und das Publikum hätte
ganz gern noch ein weiteres Anatol=Stück ein — vielleicht wäre
„Episode" nicht schlecht gewesen — angehört. Dr. K.
(Aus der Theaterkanzlei.) Freitag geht die Oper „Der
Troubadour letztmalig in Szene. Samstag und Sonntag
abends wird die Operette „Die Landstreicher“ und Sonn¬
tag nachmittags die Gesangsposse „Heirat auf Probe ge¬
geben. Als Schülervorstellung geht Samstag nachmittags, 2 Uhr,
„Die versunkene Glocke in Szene. Freitag früh be¬
ginnt der Vorverkauf für folgende Vorstellungen. Montag im
Abonnement rot das reizende Singspiel „Hannel", Diensta¬
die Operette „Die Landstreicher“ und Mittwoch die schon
seit langer Zeit nicht mehr gegebene, allgemein beliebte Oper
„Hoffmanns Erzählungen" von Offenbach
(Kleine Bühne.) Samstag wird das Schauspiel „Nora
wiederholt, Karten sind noch erhältlich. Freitag beginn der Vor¬
verkauf für die am Montag stattfindende zweite Aufführung von
Schnitzlers Anatol
(Stadttheater Wels.) Freitag gelangt Schnitzlers „Ana¬
tol“ zur Darstellung, und zwar „Die Frage an das Schick¬
al", „Abschiedssouper" und „Anatols Hochzeits¬
more
4.9. Anatol
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Volk
Linz, Donnerstag
Seite 8
Theater.
Ral.
Von Arten schnitzler
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Das Publikum nahm die die gut gespielten Szenen aus dem
Anatol-Zyklus mit gern gespendetem Beifall auf. Die Zu¬
sammenstellung war die übliche. Zuerst kam „Die Frage an das
Schicksal, dann „Abschiedssouper" und zuletzt „Anatols Hochzeits¬
morgen." Anatol war diesmal Herbert Wanie k. Er spielte den
leichtsinnigen Genießer mit dem leichten Zug von Schwermut, den
ihm der Dichter verliehen hat. Anfangs etwas unsicher im Ton,
gelang ihm die Zeichnung dieser Gestalt in den beiden letzten Ein¬
aktern ganz vortrefflich. Sein Gegenspiel, der etwas zynisch ver¬
anlagte Max, der über eine zureichende Dosis echten Humors ver¬
fügt, fand in Willy Frank einen famosen Darsteller. Die weib¬
lichen Erscheinungen, die zuletzt Konstanze Zeckendorff hier spielte,
waren diesmal verschieden besetzt. Anne Anzengruber war
eine Cora („Die Frage an das Schicksal"), der es an Wienerischer
Anmut und Frische nicht gebrach. Eine ganz und gar unrichtige
Auffassung der Annie („Abschiedssouper") seitens Adolfine Er¬
harts störte den Stil des Abends. Schnitzler darf nicht mit
Schnitzer verwechselt werden. Elly Rotters Ilona („Anatol¬
Hochzeitsmorgen") war ein Bild strahlender Schönheit. Die Künst¬
lerin ließ es auch an dem nötigen Temperament nicht fehlen. Man
spürte Leidenschaft. Willy Franks Regie zeigte in der gut poin¬
tierten Führung der Dialoge Verständnis für die drei Ein¬
l. a.
akter.
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