II, Theaterstücke 4, (Anatol, 8), Anatol, Seite 524

4.9. Anatol - Zyklus
Dr. Max Goldschmidt
Füro für Zeitungsausschnitte
Telefon: Norden 3001
BERLINN 4
Ausschnitt aus:
Hamburgischer Correspondent
15 Nov. 1927
Hamburger Kammerspiele.
Schnitzler: Anatol.
Fern scheint die Feuer, eine Stimmungswelt
erstehen konnte, wie Anatol sie brauchte, in der seine Liebeleien
gedeihen konnten. Er, der leichtsinnig lebte und schwermütig
dachte, war Genießer, der alle Zärtlichkeiten — echte oder ein¬
gebildete — auszukosten suchte. Halb Casanova, halb Don Juan
des endenden 19. Jahrhunderts. Von den sieben Dialogen er¬
wachten vier: Die Frage an das Schicksal, Weihnachtseinkäufe,
Abschiedssouper und Hochzeitsmorgen. Staub liegt darüber.
Das süße Mädel draußen in der Vorstadt, dem ein Veilchen¬
strauß als Angebinde genügt, gibt es nur noch im Märchen.
Armer Anatol! Dahin sind seine Tage. Heute wirken die
kleinen amourösen Gefühle nicht mehr. Empfindsame Zärtlich¬
keiten braucht kein Mensch. Der unwiderstehliche Schwerenöter
sieht anders aus als Anatol, analysiert weniger und findet Ge¬
nige an Magazin oder Koralle.
Gustaf Gründgens spielte darum auch nicht den mit
Wehmut, Ressentiments und Sentimentalitäten bis an den
Rand gefüllten Erotomanen, sondern den frechen und doch
liebenswerten modernen Schwerenöter. So wurde die Rolle
unter seinen Händen lebendig und löste viel Lachen aus. Viktor
Kovarzik glossierte entzückend als Max alle Herzensregun¬
gen seines Freundes und hatte immer das letzte Wort. Und
darum recht. Irma Steins liebreizende Natürlichkeit kam
der kleinen Cora zustatten und Herta Windschilds über¬
prudelnde Lebendigkeit der Anni. Wie denn die Frage an das
Schicksal und „Abschiedssouper lebendigsten Eindruck hinter¬
ließen.
Karl Salomon umrahmte die vier graziösen Angelegen¬
heiten mit Lanner und Strauß. Ellen Schwanneke schwebte
als Prologus mit Hofmanthalschen Versen vorüber. Man
In den
kennt sie „Frühgereift und zart und traurig...
Spielen war nicht viel davon zu spüren. Und das war gut.
Das Publikum erheiterte sich und sparte nicht mit Beifall.
F. E.
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Dr. Max Goldschmidt
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BERLIN N4
Ausschnitt aus:
Hamburger Echo
...
und Nov. 192
Hamburger Kammerspiele.
Anatol, du allzumenschlicher Liebhaber, du fanstes, zwech¬
lose, aber durchaus sympathisches Exemplar deiner Gattung
verliebter Junggesellen, der du die von dem lächelnden sa¬
Schnitzler, deinem Herrn und Meister, mit gefährlicher Kunst
gestellten Prüfungen mit Grotte und Geschien besteht, du Anatol.
ist so schnell ein Bühnen, eis werden, sondern noch lange
schön, jung und leicht, einfang auf den Brettern, die doch die
Welt bedeuten sollen, einwandeln. Und die Damen und Herren
in Parkett und Rang werden sich in die freundlich nachsichtig
belächeln, und zwischendurch die Wiener Walzer mitsummen, die
alles Spiel welch und zärlich einhüllen. Und wenn sie längs
alle wieder draußen sind, selbst Fragen an das Schicksal stellen,
Einkäufe machen, Abschied feiern, dann wird trotz alledem noch
oft leise und eindringlich ihr konsequenteres Ich sie mahnen müssen
„Anatol!" und vielleicht erinnern sie sich dann an den Wiener
Walzer und den freundlichen alten Herrn mit dem großen Bart
in Wien, der ihnen ihre Schwächen so graziös, nett und gar nicht
peinlich vorgespielt hat.
Gustaf Grundgens zeichnete für die gelungene Inszene¬
rung dieser Bilder. Spielte selbst die Rolle des Anatol, seinen
Freund Max übernahm Diktor Kowarzik mit gleichem
Geschick. Die Damen Stein, Windschild, Jerndo¬
und Mattner teilten sich in die weiblichen Rollen. Die Gesamt¬
leistung hatte ausgezeichneten Erfolg beim zahlreichen Publikum.
Dr. Max Goldschmidt
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Ausschnitt aus:
Hamburger Nachrichten
1 Nov.
Theater und Kunst
d. Die Hamburger Kammerhielt haben Arthur Schnee¬
ers „Anatol wieder in den Spielplan aufgenommen.
die vieraktigen Gespräche um die „zärtliche Liebe ohne das Be¬
dürfnis der Treue herum, schafft die Spielleitung von Gustaf
Gründgens den leichten, mondänen Rahmen. Gründgens gibt
mit Lässigkeit und wohl temperierten Gefühlsanklängen als Anato.
den erlebenden, liebenden und vielgeliebten Lebemann. In die
Atmosphäre voll seinem Spott und Schatten von Schwermut, voll
süßer Wiener Innigkeit und wohliger Müdigkeit fügten sich auch
die übrigen Darsteller gut ein: Viktor Kowarzik
als Max, Irma Stein, Christa Mattner und Herta
Windschild als die jeweiligen Partnerinnen Anatols.
Ellen Schwanneke spricht den Vorspruch, den Hugo von Hof¬
mannsthal dem „Anatol“ einst mitgab, und Wiener Walzer um¬
nahmen die der alle. Das Publikum bereits der Meinung
eine sehr beifällige Aufnahme.