box 9/4
Zyklus
4.9. Anatol
Das Kleine Blatt
2. Februar 1932
Spion.
Bericht
he
den nicht
ublik, sie
iußere
siebzehnjährige Hofmannsthal gedichtet hatte,
„Anatol“ im Akademietheater.
rch diese
von Erinnerungen umschwebt, lässig in einem
Eine verschwundene Zeit in den fünf Ein¬
in die
Fauteuil hingestreckt.
aktern Artur Schnitzlers, die uns heute so
gestürzt
Die Stimmung, der Witz, der Sinn des
ferne anmutet wie die aufgetürmte Frisur der
wurde ja
Stückes griff auf das Publikum über, das
Frauen und die Schleppmode ihrer Kleider
ihren ver¬
dankbar applaudierte.
mk.
Um 1890 wurde dieses Stück, das aus sieben
des Vor¬
mit den
Tollers „Hinkemann“ im Jargon.
n vorsah!
Jüdische Künstlerbühne.
mützer
der neue
Ernst Tollers flammende Anklage gegen
politische
den Krieg und die bestehende Gesellschafts¬
Faschisten
ordnung, an einem zerbrochenen Einzelschicksal
demonstriert (das Wiener Publikum wurde
ge Emil
davon schon im Raimundtheater erschüttert),
tnant der
wird von allen Darstellern dieser Bühne mit
lik seine
hoher schauspielerischer Kraft von Neuem in
sehr zur
Szene gesetzt. Ganz groß ist darin Paul Bara¬
n Unter¬
toff. Sein Hinkemann, der Neunundzwanzig¬
ht hatte.
jährige, der an einer Kriegsverwundung als
Anklage,
ewig Verstümmelter und Gezeichneter heim¬
spio¬
kommt, ist von beklemmender und furchtbar an¬
dacht, daß
klägerischer Echtheit. Er legt die ganze Qual
er einen
einer leidenden Menschheit, mehr noch als in
wakei und
seinen Worten, in jeder stummen Gebärde und
/
Ungarn
in jedem Blicke bloß. Rührend neben ihm
tussolinis
Fräulein Schlifkowitz als sein junges
Artur Schnitzler.
Weib, dessen Frauenschicksal und Leben in der
spioniert
Liebe zu ihm verhaftet ist. Als der Arbeiter
Stücken bestand, geschrieben; eines der ersten Großhahn ist Herr Preis von hinreißendem
koll, das
Werke des Dichters, und es gibt in wunderbar Temperament, und als Hinkemanns Mutter in
a aller¬
blassen, aber nicht verblaßten Tönen die Ge¬
tuens¬
einer kurzen Szene wirkt Frau Floren er¬
danken und die Stimmungen einer Welt wieder
slowakei
greifend. Charakteristische Tyven verschiedener
die allen, die nicht in ihr gelebt haben, ein Gesellschaftsklassen bringen die Herren Leh¬
urteilte
wenig unverständlich, ein wenig komisch, einer, Herschkowitz, Weißmann und
drei
und wenig oberflächlich erscheinen mag. Anatol war Sigal. Das traurige Bild unserer Zeit, das
ihr Held und sein Heldentum nichts weiter, alt
schungs¬
der Dichter leidenschaftlich aufrollt, wird von
daß er ein Philosoph der Liebe, ein Melan, dem künstlerisch durchaus ernst zu nehmenden
rechnet.
choliker der Liebe, ein Narr der Liebe war. Ensemble mit blutwarmer Menschlichkeit leben¬
t Jakob
Eigentlich etwas zu wenig für einen Helden.
agt. Er
dig gemacht.
-
Herr Aslan spielt den Anatol, weil der
die der
jüngere Herr Wolf Albach die Gelegenheit, eine
son
Talentprobe in einer solchen Rolle abzulegen,
hreiner
für geringer erachtete als die Honorare eines
prochen
Wir hören Radio
Tonfilms, und deshalb das Burgtheater ver¬
Anzeige
lassen mußte. Herr Aslan ist an Gestalt und
taten
Jahren reifer, dafür tritt das Geistige seiner
Sonntagsprogramm.
te er
Persönlichkeit, die überlegenheit in seiner
In dem überreichen musikalischen Programm
Liebeserfahrung stärker und wohltuend hervor. (man konnte mehr als acht Stunden reine Musik
Sein Partner in den Szenen und in seinem
„genießen"), gab es auch eine kleine Sensation.
Leben, der nüchterne, stärkere und zynischere Die Erstaufführung eines Werkes von Arnold
Woh¬
Max, wird von Herrn Emmerich Reimers, Schönberg. Viele, auch Freunde und Kenner
acher,
mit Noblesse dargestellt. Die fünf Frauen der der ernsten Musik von Bach bis Richard Strauß,
gol
fünf Szenen, Etappen auf dem Lebensweg schwanken, ob sie Schönbergs Werke als Musik
oldener Anatols, sind Frau Dreger, als süßes Mädel in der bisherigen Form bezeichnen sollen. Wir
einen
zu unpersönlich; Frau Mayen (in den ent- sind heute Schönberg gegenüber in der gleichen
zückenden, von wahrer Poesie überglänzten Lage, in der sich alle Zeitgenossen großer
bepaar „Weihnachtseinkäufen") als Gesellschaftsweib Neuerer befunden haben, die — man denke
chen, das am Ende doch das süße Mädel um die
Bez.
nur an Beethoven und Richard Wagner — an¬
— Da¬
Fähigkeit seiner Gefühle beneidet; sehr über
fangs verlacht und gehöhnt wurden. Sicher ist,
scher, zeugend Frau Marberg als Zirkusdame, die daß die von Schönberg in die Musik neu ein¬
chzeit.
sich ihres Liebhabers Anatol nicht mehr er= geführten Ausdrucksmittel im Hörer Empfin¬
chutz, innert, treu dem Leben nachgezeichnet; Frau
dungen auslösen, die bisher weder erstrebt noch
chzeit. Seidler als Ballettdame, von erquickenden
erzielt werden konnten. So wirkte die gehörte
Bez.
Komik und überquellender Fröhlichkeit, wieder „Begleitmusik zu einer Lichtspielszene auf¬
Das
das Labsal des Abends, und Frau Johann
runn
regend, erschütternd und beklemmend.
sen als temperamentvolle Ungarin, mehr
Frau
Die Chorvorträge des Arbeitersänger¬
feiert
temperamentvoll als ungarisch.
bundes brachten unter der Leitung Franz
urt
Herterich hatte für eine stimmungsvolle
Leo Humans neben schönen Volksweisen er¬
Inszenierung gesorgt. Mit einem Klavier und freulicherweise auch zwei proletarische Chor¬
Karl
einer Violine wurden die einzelnen Akte mit werke. Auf schöne und reine Klangwirkung
zeit.
Schubertschen Weisen verbunden, gleich den wurde wie immer besondere Sorgfalt ver¬
Strophen eines Liebesliedes. Vor der Bühne
wendet. Nur schade, daß so aufrüttelnde Worte
ubi lag ein Strauß gelber Rosen, Anatol-Aslan wie die Verse Alphons Petzolds unverstanden
sprach den berühmten Prolog, den der damals verhallten.
Zyklus
4.9. Anatol
Das Kleine Blatt
2. Februar 1932
Spion.
Bericht
he
den nicht
ublik, sie
iußere
siebzehnjährige Hofmannsthal gedichtet hatte,
„Anatol“ im Akademietheater.
rch diese
von Erinnerungen umschwebt, lässig in einem
Eine verschwundene Zeit in den fünf Ein¬
in die
Fauteuil hingestreckt.
aktern Artur Schnitzlers, die uns heute so
gestürzt
Die Stimmung, der Witz, der Sinn des
ferne anmutet wie die aufgetürmte Frisur der
wurde ja
Stückes griff auf das Publikum über, das
Frauen und die Schleppmode ihrer Kleider
ihren ver¬
dankbar applaudierte.
mk.
Um 1890 wurde dieses Stück, das aus sieben
des Vor¬
mit den
Tollers „Hinkemann“ im Jargon.
n vorsah!
Jüdische Künstlerbühne.
mützer
der neue
Ernst Tollers flammende Anklage gegen
politische
den Krieg und die bestehende Gesellschafts¬
Faschisten
ordnung, an einem zerbrochenen Einzelschicksal
demonstriert (das Wiener Publikum wurde
ge Emil
davon schon im Raimundtheater erschüttert),
tnant der
wird von allen Darstellern dieser Bühne mit
lik seine
hoher schauspielerischer Kraft von Neuem in
sehr zur
Szene gesetzt. Ganz groß ist darin Paul Bara¬
n Unter¬
toff. Sein Hinkemann, der Neunundzwanzig¬
ht hatte.
jährige, der an einer Kriegsverwundung als
Anklage,
ewig Verstümmelter und Gezeichneter heim¬
spio¬
kommt, ist von beklemmender und furchtbar an¬
dacht, daß
klägerischer Echtheit. Er legt die ganze Qual
er einen
einer leidenden Menschheit, mehr noch als in
wakei und
seinen Worten, in jeder stummen Gebärde und
/
Ungarn
in jedem Blicke bloß. Rührend neben ihm
tussolinis
Fräulein Schlifkowitz als sein junges
Artur Schnitzler.
Weib, dessen Frauenschicksal und Leben in der
spioniert
Liebe zu ihm verhaftet ist. Als der Arbeiter
Stücken bestand, geschrieben; eines der ersten Großhahn ist Herr Preis von hinreißendem
koll, das
Werke des Dichters, und es gibt in wunderbar Temperament, und als Hinkemanns Mutter in
a aller¬
blassen, aber nicht verblaßten Tönen die Ge¬
tuens¬
einer kurzen Szene wirkt Frau Floren er¬
danken und die Stimmungen einer Welt wieder
slowakei
greifend. Charakteristische Tyven verschiedener
die allen, die nicht in ihr gelebt haben, ein Gesellschaftsklassen bringen die Herren Leh¬
urteilte
wenig unverständlich, ein wenig komisch, einer, Herschkowitz, Weißmann und
drei
und wenig oberflächlich erscheinen mag. Anatol war Sigal. Das traurige Bild unserer Zeit, das
ihr Held und sein Heldentum nichts weiter, alt
schungs¬
der Dichter leidenschaftlich aufrollt, wird von
daß er ein Philosoph der Liebe, ein Melan, dem künstlerisch durchaus ernst zu nehmenden
rechnet.
choliker der Liebe, ein Narr der Liebe war. Ensemble mit blutwarmer Menschlichkeit leben¬
t Jakob
Eigentlich etwas zu wenig für einen Helden.
agt. Er
dig gemacht.
-
Herr Aslan spielt den Anatol, weil der
die der
jüngere Herr Wolf Albach die Gelegenheit, eine
son
Talentprobe in einer solchen Rolle abzulegen,
hreiner
für geringer erachtete als die Honorare eines
prochen
Wir hören Radio
Tonfilms, und deshalb das Burgtheater ver¬
Anzeige
lassen mußte. Herr Aslan ist an Gestalt und
taten
Jahren reifer, dafür tritt das Geistige seiner
Sonntagsprogramm.
te er
Persönlichkeit, die überlegenheit in seiner
In dem überreichen musikalischen Programm
Liebeserfahrung stärker und wohltuend hervor. (man konnte mehr als acht Stunden reine Musik
Sein Partner in den Szenen und in seinem
„genießen"), gab es auch eine kleine Sensation.
Leben, der nüchterne, stärkere und zynischere Die Erstaufführung eines Werkes von Arnold
Woh¬
Max, wird von Herrn Emmerich Reimers, Schönberg. Viele, auch Freunde und Kenner
acher,
mit Noblesse dargestellt. Die fünf Frauen der der ernsten Musik von Bach bis Richard Strauß,
gol
fünf Szenen, Etappen auf dem Lebensweg schwanken, ob sie Schönbergs Werke als Musik
oldener Anatols, sind Frau Dreger, als süßes Mädel in der bisherigen Form bezeichnen sollen. Wir
einen
zu unpersönlich; Frau Mayen (in den ent- sind heute Schönberg gegenüber in der gleichen
zückenden, von wahrer Poesie überglänzten Lage, in der sich alle Zeitgenossen großer
bepaar „Weihnachtseinkäufen") als Gesellschaftsweib Neuerer befunden haben, die — man denke
chen, das am Ende doch das süße Mädel um die
Bez.
nur an Beethoven und Richard Wagner — an¬
— Da¬
Fähigkeit seiner Gefühle beneidet; sehr über
fangs verlacht und gehöhnt wurden. Sicher ist,
scher, zeugend Frau Marberg als Zirkusdame, die daß die von Schönberg in die Musik neu ein¬
chzeit.
sich ihres Liebhabers Anatol nicht mehr er= geführten Ausdrucksmittel im Hörer Empfin¬
chutz, innert, treu dem Leben nachgezeichnet; Frau
dungen auslösen, die bisher weder erstrebt noch
chzeit. Seidler als Ballettdame, von erquickenden
erzielt werden konnten. So wirkte die gehörte
Bez.
Komik und überquellender Fröhlichkeit, wieder „Begleitmusik zu einer Lichtspielszene auf¬
Das
das Labsal des Abends, und Frau Johann
runn
regend, erschütternd und beklemmend.
sen als temperamentvolle Ungarin, mehr
Frau
Die Chorvorträge des Arbeitersänger¬
feiert
temperamentvoll als ungarisch.
bundes brachten unter der Leitung Franz
urt
Herterich hatte für eine stimmungsvolle
Leo Humans neben schönen Volksweisen er¬
Inszenierung gesorgt. Mit einem Klavier und freulicherweise auch zwei proletarische Chor¬
Karl
einer Violine wurden die einzelnen Akte mit werke. Auf schöne und reine Klangwirkung
zeit.
Schubertschen Weisen verbunden, gleich den wurde wie immer besondere Sorgfalt ver¬
Strophen eines Liebesliedes. Vor der Bühne
wendet. Nur schade, daß so aufrüttelnde Worte
ubi lag ein Strauß gelber Rosen, Anatol-Aslan wie die Verse Alphons Petzolds unverstanden
sprach den berühmten Prolog, den der damals verhallten.