II, Theaterstücke 4, (Anatol, 8), Anatol, Seite 697

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4.9. Anatol - Zyklus
„OBSERVER
I. österr. behördl. konzessioniertes
Unternehmen für Zeitungs-Ausschnitte
WIEN, I., WOLLEILE
TELEPHON R-23-0-43
Ausschnitt aus:
Wiener Zeitung,
9.1.1925
vom
sich glaubenden Komödiespielen; mitunter
des Deutschen Volkstheaters, denn in Paris wur¬
Rudolf Holzer
den die französischen Lustspiele der damaligen gut war einem gestern, daß ein Leopold Kramer un
seren jungen Leuten sehr notwendig und schätzens
gehenden Stückeindustrie, in Berlin die Blüter de¬
Leopold Kramer jubiliert.
wert einen Spritzer seiner Champagnerkaune, seiner
Blumenthal= und Kadelburg=Schwanken, in Wien
die (gemäßigt) satirische Wiener Komödie Kalweis beneidenswerten Lebensflüssigkeit lehren könnte
An einem wunderschönen Maientag war es, al¬
Daß er sie, also sich nicht, auch nicht in dieser
sich ein junger Melchthal aus Halle a. d. S. der an keiner anderen Bühne so bleibend
Zeit, die er wahrscheinlich mit Meister Anton
jedernd, humorvoll und vor allem — „geistreich
bisher von Viktor Kutschera begeisterten Jugen
gar was das Theater anbelangt — nicht mehr ver¬
— elegant — gegeben. Es war unter Adol
des Deutschen Volkstheaters empfahl. Er hief
steht, verlieren möge, ist unser Glückwunsch,
Leopold Kramer, war ein Wiener, glich aber in Weisse, da die Dramaturgen die Stücke auf das
seinem Stimmtimbre und seiner Sprechtechnik eher Vorkommen von Frack, weißer Binde und Seiden¬
War's Zufall oder Abglanz Kramers — der sehr
einem jungen Herrn aus dem Reiche, der die vorhängen zu prüfen hatten; der Direktor bein
begabte Alf von Sievers wirkte te ein junger
fünfundreißigsten Vorhanghochziehen am Aben
Kultur des damals noch „alten Burgtheaters vor
Poldi Kramer. Er war auf das Selbstverständlichste
Grund auf studiert hatte. Das klassische Kostüm von „Glaube und Heimat“ einen Verzweiflung
elegant, auf das Gewinnendste ein junger Mann
vertauschte Leopold Kramer im Volkstheater der anfall bekam. All das charakterisiert auch unseren
von Haltung. Sehr komisch und unterhaltsam wirkte
Direktionen Bukovics und Weisse, die übrigens reizenden, liebenswürdigen, entzückenden Charmen
in vortrefflicher Charakterisierung Herr Reh¬
später schon mehr eine Direktion Kramer war, sehr einer glücklichen Theaterepoche, unseren Leopold herger: Herr Leffen war die kostbare
bald und gründlich mit dem Frack oder mindestens Kramer. Er spielte die ersten, ganz starken Monar
Gestaltung eines stillvollen Abbés. Das warme
Gestalten: den Gardeoffizier, den Teufel, aber
dem Smoking, kurz mit dem Dreß des voll
fühlende Herz wieder Frau Stengel, die mit so
auch den Schnitzlerschen Anatol, den Theodor Lob¬
kommenen Elegants, des beaux. Leopold Krame
viel Takt, Noblesse und Können stets menschlich
wurde sehr bald eine Spezialität, eine Marke des heimer ganz unwiderstehlich; die wienerischen
wirkt.
Deutschen Volkstheaters und dieses selbst wieder Sachen, wie etwa von Bahr den Poldi Wiesinger
im „Star“, nicht eigentlich wienerisch, aber doch
durch Leopold Kramer das Theater eines ganz be¬
Wie es sich gehört und wie es der Zweck des
unerhört ungezwungen, „scharmant" nannte man
stimmten Repertoires, bestimmten Darstellungs¬
Abends war, wurde der Jubilar sehr gefeiert
stils, ja sogar eines ganz bestimmten Querschnittes es damals. Leopold Kramer spielte zahllose glück
Ministerialrat Dr. Wisoko überbrachte mit Glück¬
der Gesellschaft, Leopold Kramer wußte als liche, sie iche, fast immer unwiderstehliche Lieb¬
wünschen des Staatssekretärs D. Pernter da¬
haber und war nie das Klischee eines selbst
virtuoser Artist auf dem ihm von der Natur und
Kramer vom Bundespräsidenten ver
gefälligen, schönen, süßlichen Tenors oder Gecken
Begabung gegebenen Instrument zu spielen unde
wußte als kluger Mann auch, daß es nirgends so eine sehr persönliche Gabe des Charakterisierens liehene Offizierskreuz des österreichi¬
schen Verdienstordens,
gut und hineinkomponiert klingen würde, wie in nachte selbst aus der hohlten Alltagsfigur etwas
Als Redner würdigten und feierten den Jubilar
dem Hellmer= und Fellnerschen Konversations= und Menschliches. Beweis: sein Papa in de Flers
Amüsiertheater. Mit den Jahren wurden die sams= und G. A. de Caillavets gleichnamigem Sektionsrat Dr. Toldt namens des Volks¬
Lustspiel. Heute erst ist er würklich das, was er vor theatervereines, dann Direktor Jahn, der Vor¬
tägigen Premieren mit Leopold Kramer zu Jubel
vielen, vielen Jahren durch Perücke und Schminke
sitzende der Schauspielergewerkschaft Herr Homma
ovationen für das Wiener Bürgertum das da¬
schien und im Spiel wirklich war; auch heute ent¬ ferner Professor Glücksmann Herr Lessen
Haus sich erbaut hatte — wie an der Fassade zu
lesen steht. Künstlerisch war es die Zeit der Blüte zückt er durch die Kultur dieses wahrhaft besessenen, und Herr Neugebauer.