III, Einakter 10, (Marionetten. Drei Einakter), Der Puppenspieler. Studie in einem Aufzuge, Seite 5

10. Der Puppenspieler box 34/9
spRatz-
Vertretungen
in Berlin, Budapest, Chicago, Genf, London, New-Tork,
Paris, Rom, Mailand, Stockholm, Christiania, St. Petersburg.
(Quellenangabe ohne Gewähr.)
Ausschnitt pust
Die Wage, Wien
vom:
Rudolph Lothar.
Vom Theater.
Ein Wohltätigkeitsverein veranstaltete dieser Tage einen Arthur
Schnitzler=Abend im Carltheater. Das war sehr wohlgetan, denn gewöhnlich
muß man auf zugereiste Schauspielertruppen warten, um Schnitzler auf
der Wiener Bühne zu begegnen. Seit einer Reihe von Jahren kommen
seine Stücke in Berlin zur ersten Aufführung und der Wiener Dichter
hat in Berlin eine künstlerische Heimat gefunden. Die Wiener Theater¬
direktoren sind eben sehr vorsichtige Leute. Sie lassen Berlin den Vor¬
rang, da sie ihrem eigenen Urteil nicht trauen. Daß es Verpflichtungen
gegen heimische Poeten gibt, daran denken sie nicht. Seit Jahren werde
ich nicht müde, auf diesen tragikomischen Zustand hinzuweisen. In den
meisten Fällen schadet er nur Wien. Denn Schnitzler wurde, was er
ist, auch ohne Unterstützung der Wiener Bühnen, es mag Richard Beer¬
Hofmann gleichgültig sein, ob sein „Graf von Charolais“ der diese
Woche in Berlin zur ersten Aufführung kommt und eines der schönsten
en Werke ist die Jung=Wien hervorgebracht hat, früher oder
und 1#
später in Wien erscheint. Hofmannsthal mag mit dem Erfolge seiner
„Elettra“ in Berlin zufriede; sein und wird den Wiener Beifall kaum
vermissen. Bahr erhielt den Yauernfeldpreis für den „Meister“ der auch
erst über Berlin zu uns kam. Die Wiener Dichter sind eben dazu
gebracht worden, in Berlin ihren Stützpunkt und den Ausgangspunkt
für ihre Werke zu sehen. Es hat weder ihnen noch ihrem Entwicklungs¬
gange geschadet. Aber es gibt auch Fälle, wo der Mangel an Initiative,
das Ausbleiben der Unterstützung und Förderung der Wiener Kunst
geschadet hat. Wien hat eine Spezialität. Im Burgtheater ist der
Lustspielton, die Kunst der feinen, geschliffenen und ziselierten Konver¬
sation zu einer in deutschen Landen unerreichten Höhe gebracht worden.
Im Zeichen der anmutigen, pointenreichen, witzgesättigten Konversation
stand das Wiener Gesellschaftsleben und stand also auch das Lustspiel,
das dieses Leben spiegeln sollte. Zu seiner Entfaltung brauchte es zwei
Faktoren: vor allem die Gesellschaft, aus der es seine Muster und
Modelle holte, und die Verständnis hatte für den Scherz, mit dem ihm
der Dichter seine Meinung sagte, und zweitens ein Theater, dessen Schau¬
spielkunst und Regie die Feinheit des Dialoges noch verfeinerte und der
natürlichen und anmutigen Rede ihr vollstes Recht gab. Als alle diese
Faktoren einmütig zusammenwirkten, entstanden Bauernfelds Lustspiele.
Bauernfeld hat Nachfolger gefunden. Wie Wien die Heimat der Feuilletons
wurde — nur in Wien gedeiht dieses reizende Spiel unter dem Strich
so war Wien auch dazu bestimmt, die Heimat des deutschen Konver¬
sationsspieles zu werden. Ansätze dazu gab es ja genug. Ich erwähne
bloß Herzl Wittmanns „Wilddiebe“. Aber wenn auch die Empfäng¬
lichkeit im Publikum die gleiche blieb, die Direktoren verloren das Ver¬
ständnis und das Geure versandete, weil es im Theater nicht den Rück¬
halt fand.

M
L. österr. behördl. Konz. Durean für Zeltungsbrrichte u. Persevalpacheichten
Wien, I., Concordiaplatz 4.
Vertretungen
In Berlin, Budapest, Chicago, Genf, London, New-Vork,
Paris, Rom, Mailand, Stockholm, Christiania, St. Petersburg.
(Quellenangabe ohne Gewährs)
Ausschnitt aus:
Neue Freie Presse, Wien
vom:
e.
D
Theater= und Kunstnachrichten.
Wien, 12. Dezember.
[Arthur Schnitzler=Abend im Carl¬
Theater.] Es liegt etwas Abderitisches von geradezu be¬
zwingender Kraft in der bemerkenswerlen Tatsache, daß
Deutschösterreichs bedeutenbster Dramatiker auf eine Wohl¬
tätigkeitsvorstellung warten muß, damit dem Wiener Theater¬
publikum wieder einmal von der Bühne herab seine drama¬
tische Indlvidualität gewiesen werde. Arthur Schnitzler
kommt gegenwärtig in Wien alle heilige Zeit einmal draußen;
in der Josefstadt mit „Abschiedssouper“ zu Worte, und am
Burgtheater wird ganz sporadisch „Liebelei“ benützt, wenn in
argen Repertoirenöten Erinnerung an alte Zerwürfnisse un¬
ziemlicher Luxus bünkt. Es wäre gar verlockend, über den
von
Lokalpatriotismus, mit dem die Verbannung Schnitzlers
den Wiener Bühnen gleichmütig hingenommen wird, ein
kräftiges Wörtlein zu reden. Aber verbittern wir uns doch
wir¬
nicht die Freude darüber, daß in Wien ein segensreich
kendes Kinderkrankeninstitut besteht, welches einmal eine
ordentliche außerordentliche Einnahme bedurfte, und dem zu
Nutz und Frommen der heutige Schnitzler=Abend im Carl¬
Theater veranstaltet wurde. Es war einer der anregendsten
The#terabende der bisherigen Saison, und wir verdanken ihn
der öffentlichen Wohltätigkeit. Zwar sind zwei der aufge¬
führten Einakter, „Die letzten Masken“ und „Literatur" bereits
bühnenbekannt, und die dritte dramatische Skizze, die der
Schnitzler=Abend brachte, „Der Puppenspieler“ ist in den
Spalten dieses Blattes dem Publikum zugänglich gemacht
worden; aber dank der interessanten Besetzung aller drei
„Der
Stücke übten dieselben insgesamt Premièrenwirkung.
Hier
Puppenspieler“ war der Darstellungstreffer des Abends.
waren alle drei Hauptrollen auf das glücklichste besetzt.
und
Puppenspieler, der anderer Schicksale zu lenken glaubt
er¬
selbst die Richtung verliert, spielte Herr Jarno mit
mit
greifenden Akzenten echter Schlichtheit und doch wieder
dem
starkem, aufdringlichem Pathos. Das Ehepaar, das
Puppenspieler seine Vereinigung dankt und in begnügsamer
Beschaulichkeit sein Glücksportiönchen gefunden hat, waren Herr
Claar und Frau Wagen, beide gleich vorzüglich in ihrer
gelassenen, immer ein wenig erstaunt tuenden und doch wieder
sich überlegen und superklug gebärdenden Behaglichkeit. Nicht
ganz so restlos kann die Anerkennung sein, die der Dar¬
stellung der „Letzten Masken“ und gar erst der „Literatur“ ge¬
bührt. Der nervenrüttelnde Ausschnitt aus dem Literaturleben,
den der Dichter im Krankensaal des Allgemeinen Kranken¬
hauses spielen läßt, verleitet die Darsteller nur allzu leicht zu
grimassierender Uebertreibung. Und von diesem Vorwurf sind
weder der hier allzu viel bastelnde und klügelnde Herr
Heine, noch auch Herr Treßler freizusprechen, welch
letzterer stellenweise zu vergessen schien, daß heute im Carl¬
Theater ein Burgtheaterpublikum saß, das auf allzu derbe
Galeriewirkungen sonst gewiß recht erquicklicher Naturburschen¬
komik gerne verzichtet. Herr Schmidt vom Burgtheater gab
den berühmten Dichter, dessen innere Hohlheit und Lebens¬
lüge der verkommene und verlotterte Schreibknecht vor seinem
Tode in die Welt schreien will. Um eine kleine Nuance zu
warm und herzlich; eine Beimischung vom Biederschuft wäre
nötig gewesen. In „Literatur“ war Herr Heine auf seiner
Höhe. Die starke Leistung, die er in Spiel und Maske, 1
Rede und Gebärde als Gilbert bietet, ließ es schmerzlich be¬
dauern, daß wir diesen ernsten und denkenden Schauspieler
an Berlin abgeben müssen. So wenig wie wir viele voll¬
blütige Dramatiker gleich Schnitzler haben, besitzen wir einen
Ueberfluß an Schauspielern, die sich literarischer Aufgaben mit
schmiegsamer Wärme und strebsamer Betulichkeit annehmen.
Die zweifelhafte Romanschriftstellerin und angehende Baronin
aus „Literatur“ war an unsere allerliebste Frau Retty ge¬
fallen. Das war vom Standpunkt des Ersten öffentlichen
Kinderkrankeninstitutes, dem der Reinertrag der Vorstellung
zugute kam, höchst praktisch und tüchtig. Denn es war von
drolliger Pikanterie und überaus herzig, wie Frau Retty
äußerlich und innerlich, in Haarfarbe und in Toilette, in Be¬
wegungen und im Tonfall die „Blonde Bestien“=Manier ko¬
pierte und parodierte. Aber mehr als ein Wohltätigkeits¬
experiment wird dieser Versuch unserer ausgezeichneten Burg¬
theaternaiven doch nicht bedeuten. Sie hat eben keine Spur
von jenem Snobismus an sich, der für solche Rollen gehört,
und das ist schließlich für eine Schauspielerin kein Unglück,
die so vieles andere so vorzüglich zu tressen versteht.