10. Der Puppenspieler box 34/9
ueugunr uune remas
Die Zeit, Wien
nitt aus:
30 S 1913
b Neue Wiener Bühne. Bassermann in ferste deutsche Schauspieler war, bevor er als
solcher sich in die Auslagen stellte. Keine Spur
drei Einaktern von Sch####e Zuerst als
„Puppenspieler“, der anderen hochmütig das von Unbewußtheit und Naivität, man sieht
immer den Herrn Bassermann neben der
Schicksal spielte und selbst verloren ging, nichts
Gestalt stehen, die Nuancen geistreich aus¬
behielt als den leeren Glauben an sich selbst.
tifteln, ein jedes bißchen Gelächter schonungs¬
Fern die Augen, der ganze gealterte und zer¬
los auspressen... Auch sonst war die Auf¬
brochene Mensch getragen von seiner stolzen
führung der beiden letzten Komödien fast er¬
Einsamkeit. Ein jedes Wort ins Innerliche
staunlich schlecht, der gespenstische Witz des
gerückt, so weit, daß keiner ihm auch nur nahe
Spitalaktes von Herrn Neuß herunter¬
kann. Ein Besiegter, und dennoch ein Ueber¬
deklamiert, von Herrn Schulbaur offenbar
legener, tief in Geheimnisse getaucht. Dann ist
nicht verstanden, die wirbelnde Lustigkeit der
Bassermann der Dichter in den „Letzten
„Literatur“ holperte wie ein knarrender Wagen
Masken“, der zum armen, sterbenden Journa¬
auf einer Provinestraße. So darf man sich nicht
listen ins Spital gerufen wird. Dort will dieser
wundern, daß bloß die Unbedingten Basser¬
ihm seinen Haß ins Antlitz speien. Der kleine
mann Beifall klatschten. Er „kann“ jetd fast
„große“ Dichter kommt: mit einer verlegen
alles und hat darüber nur zwei Kleinigkeiten
lärmenden Sicherheit, eingeschüchtert von der
vergessen: Einfachheit und Natur.
Nähe des Todes, und dennoch bringt er all die
erbärmlichen Wichtigkeiten seines armen Lebens
mit, seine Angst und seine Eitelkeit. Und dann
sehen wir ihn endlich noch als rassigen Aristo¬
kraten in der „Literatur“, dumm und nobel
und angenehm entfernt von den Schmierig¬
keiten des Poetenmetiers mit den Posen seiner
geckischen Seelenentblößungen. Als Puppen¬
spieler noch erobernd durch seine geistige Vor¬
nehmheit und durch eine freilich schon stark
unterstrichene Diskretion, zeigte er leider in
isschnitt aus:
den nächsten beiden Akten, wie sehr sein
Wusiriertes Wiener Eatrshliett
glänzendes Talent glänzen will. Seine Be¬
30 MAT 1913 Wien
gabung hat noch nie so deutlich wie gestern ver¬
om:
raten, daß sie durch das Umherziehen be¬
schädigt und verzerrt wird. Eine jede Nuance
Neue Wiener Bühne. In drei Einaktern von
kommt in Sperrdruck, aus einer Bewegung
Artur Schu####er „Der Puppenspieler".
„Die letzten Masken“, „Literatur“ —
wird eine schauspielerische Begebenheit, und
gab
gestern Albert Bassermann drei Hauptrollen und
gerade in der seelischen Anmut dieser un¬
erwies in jeder auts neue große schausvielerische Ver¬
vergleichlichen dramatischen Miniaturen war
wandlungsfähigkeit, hohe künstlerische Intelligenz und
peinlich zu bemerken, wie grob seine Reise¬
virtuosenart nach der Wirkung schielt. Er ver¬
virtuoseste Technik. Sein Puppenipieler Georg Merklin,
sagt sich nun nichts mehr, und schmerzlich ge¬
der selbst zur Schicksalspuppe wird, ist ein entfernter
denkt man jenes Bassermann, der in der fast
Vetter seines prachtvollen Ulrik Brendel. Das Unausge¬
allzu strengen Zucht des Brahm=Ensembles derd
sprochene, das leidvoll zwischen den Worten liegt, all
der Erdenjammer eines Verkommenden, den nur die
Menschenverachtung und der Größenwahn noch über
Wasser halten, kam zu wundersam ergreifender Er¬
scheinung. An Herrn Iwald fand der berühmte Gast
einen würdigen Mitspieler, der im Oboisten Jagisch
mi den einfachsten Mitteln eine Gestalt voll Gemüt
und Herzlichkeit aufbaute. In den „Letzten Masken“
gab Bassermann den von allen Eitelkeiten ge¬
schwellten arrivierten dicken Weihgast, gewisser¬
maßen als Großindustriellen des Geistes, als Kom¬
merzialrates der Poesie. Die wohlwollenden Affektationen
dieses übersüßen falschen Biedermannes kamen sehr
naturgetreu heraus., Den Rademacher spielte Herr
Neuß. den Jackwerth Herr Schulbaur und beide
fanden für ihre trefflichen Darbietungen wohlverdienten
Beifall. Die zwei Doktoren, der gute und der böse.
wurden von den Herren Kammauf und Wünsch
Scharakteristisch skizziert und die kleine Rolle der
Wärterin war bei Fräulein Ernik gut aufgehoben.
In „Literatur“ spielte Bassermann den
jungen Aristokraten, obschon der andere, der
defekte Schriftsteller, die weitaus dankbarere Rolle ist.
Der Künstler wollte sich jedenfalls auch im Salon¬
fach zeigen, korrekte Haltung und legere Eleganz in
maßvoller Chargierung vorführen. Fräulein Balten,
die vom Deutschen Volkstheater herüberkommt, sah
kals Margarete blendend aus und war auch sen¬
Isationell toilettiert. Den Gilbert svielte Herr Iwald
ssehr überzeugend als talentloses Genie aus dem
Literaturkaffeehaus.
ueugunr uune remas
Die Zeit, Wien
nitt aus:
30 S 1913
b Neue Wiener Bühne. Bassermann in ferste deutsche Schauspieler war, bevor er als
solcher sich in die Auslagen stellte. Keine Spur
drei Einaktern von Sch####e Zuerst als
„Puppenspieler“, der anderen hochmütig das von Unbewußtheit und Naivität, man sieht
immer den Herrn Bassermann neben der
Schicksal spielte und selbst verloren ging, nichts
Gestalt stehen, die Nuancen geistreich aus¬
behielt als den leeren Glauben an sich selbst.
tifteln, ein jedes bißchen Gelächter schonungs¬
Fern die Augen, der ganze gealterte und zer¬
los auspressen... Auch sonst war die Auf¬
brochene Mensch getragen von seiner stolzen
führung der beiden letzten Komödien fast er¬
Einsamkeit. Ein jedes Wort ins Innerliche
staunlich schlecht, der gespenstische Witz des
gerückt, so weit, daß keiner ihm auch nur nahe
Spitalaktes von Herrn Neuß herunter¬
kann. Ein Besiegter, und dennoch ein Ueber¬
deklamiert, von Herrn Schulbaur offenbar
legener, tief in Geheimnisse getaucht. Dann ist
nicht verstanden, die wirbelnde Lustigkeit der
Bassermann der Dichter in den „Letzten
„Literatur“ holperte wie ein knarrender Wagen
Masken“, der zum armen, sterbenden Journa¬
auf einer Provinestraße. So darf man sich nicht
listen ins Spital gerufen wird. Dort will dieser
wundern, daß bloß die Unbedingten Basser¬
ihm seinen Haß ins Antlitz speien. Der kleine
mann Beifall klatschten. Er „kann“ jetd fast
„große“ Dichter kommt: mit einer verlegen
alles und hat darüber nur zwei Kleinigkeiten
lärmenden Sicherheit, eingeschüchtert von der
vergessen: Einfachheit und Natur.
Nähe des Todes, und dennoch bringt er all die
erbärmlichen Wichtigkeiten seines armen Lebens
mit, seine Angst und seine Eitelkeit. Und dann
sehen wir ihn endlich noch als rassigen Aristo¬
kraten in der „Literatur“, dumm und nobel
und angenehm entfernt von den Schmierig¬
keiten des Poetenmetiers mit den Posen seiner
geckischen Seelenentblößungen. Als Puppen¬
spieler noch erobernd durch seine geistige Vor¬
nehmheit und durch eine freilich schon stark
unterstrichene Diskretion, zeigte er leider in
isschnitt aus:
den nächsten beiden Akten, wie sehr sein
Wusiriertes Wiener Eatrshliett
glänzendes Talent glänzen will. Seine Be¬
30 MAT 1913 Wien
gabung hat noch nie so deutlich wie gestern ver¬
om:
raten, daß sie durch das Umherziehen be¬
schädigt und verzerrt wird. Eine jede Nuance
Neue Wiener Bühne. In drei Einaktern von
kommt in Sperrdruck, aus einer Bewegung
Artur Schu####er „Der Puppenspieler".
„Die letzten Masken“, „Literatur“ —
wird eine schauspielerische Begebenheit, und
gab
gestern Albert Bassermann drei Hauptrollen und
gerade in der seelischen Anmut dieser un¬
erwies in jeder auts neue große schausvielerische Ver¬
vergleichlichen dramatischen Miniaturen war
wandlungsfähigkeit, hohe künstlerische Intelligenz und
peinlich zu bemerken, wie grob seine Reise¬
virtuosenart nach der Wirkung schielt. Er ver¬
virtuoseste Technik. Sein Puppenipieler Georg Merklin,
sagt sich nun nichts mehr, und schmerzlich ge¬
der selbst zur Schicksalspuppe wird, ist ein entfernter
denkt man jenes Bassermann, der in der fast
Vetter seines prachtvollen Ulrik Brendel. Das Unausge¬
allzu strengen Zucht des Brahm=Ensembles derd
sprochene, das leidvoll zwischen den Worten liegt, all
der Erdenjammer eines Verkommenden, den nur die
Menschenverachtung und der Größenwahn noch über
Wasser halten, kam zu wundersam ergreifender Er¬
scheinung. An Herrn Iwald fand der berühmte Gast
einen würdigen Mitspieler, der im Oboisten Jagisch
mi den einfachsten Mitteln eine Gestalt voll Gemüt
und Herzlichkeit aufbaute. In den „Letzten Masken“
gab Bassermann den von allen Eitelkeiten ge¬
schwellten arrivierten dicken Weihgast, gewisser¬
maßen als Großindustriellen des Geistes, als Kom¬
merzialrates der Poesie. Die wohlwollenden Affektationen
dieses übersüßen falschen Biedermannes kamen sehr
naturgetreu heraus., Den Rademacher spielte Herr
Neuß. den Jackwerth Herr Schulbaur und beide
fanden für ihre trefflichen Darbietungen wohlverdienten
Beifall. Die zwei Doktoren, der gute und der böse.
wurden von den Herren Kammauf und Wünsch
Scharakteristisch skizziert und die kleine Rolle der
Wärterin war bei Fräulein Ernik gut aufgehoben.
In „Literatur“ spielte Bassermann den
jungen Aristokraten, obschon der andere, der
defekte Schriftsteller, die weitaus dankbarere Rolle ist.
Der Künstler wollte sich jedenfalls auch im Salon¬
fach zeigen, korrekte Haltung und legere Eleganz in
maßvoller Chargierung vorführen. Fräulein Balten,
die vom Deutschen Volkstheater herüberkommt, sah
kals Margarete blendend aus und war auch sen¬
Isationell toilettiert. Den Gilbert svielte Herr Iwald
ssehr überzeugend als talentloses Genie aus dem
Literaturkaffeehaus.