10. Der Puppenspieler
Schnitzler im Volkstheater.
A. S. Wieder einmal entschloß man sich in
der Stadt der Lieder (ach, wie garstig llngen
ihre Melodien!), einen Schnitzler=Abend einzu¬
schmuggeln. Man wählte dre. Einakter, die sonst
in anderem Reigen aufgeführt zu werden pfleg¬
ten: den „Puppen, peler“, den „grünen Kakabu“
und die „Komtesse Mizzl“. Daß man in diesen
tiefschürfenden, nachdenklichen Lebensbildern,
die äußerlich keine Verb ndung auswesen, aber
innerlich doch solche Zusammenhänge in sich
—*
bergen, Bassermann und Monsi sah, schaffo für
das wackere Volkstheaterinventar wahrlich keine
lechten Aufgaben. Onno spielte den Georg und
den Henri — ##e Rollen der erwähnten großen
Berliner — und man merkte deutlich, daß er
sie gründlich durchgearbeitet, sich völlig in den
Gest des Dichters h.neinversetzt hat. Hoffentlich
war die in erster Reihe stimmliche Kopierung
Harry Waldens nur Zufall, nicht Absicht. Bis¬
wellen vermeinte man, wenn man die Augen
schloß, wirklich den Herrn Direktor der
Renaissancebüne dort oben gastierend zu hören,
der ja heute im eigenen Hem Schnitzlor wie
einst im Mai des Burgtheaters mimen soll. Von
den vielen braven Männlein und Weiblein, de
das Volkstheater unter Rosenchals verläßlicher
Spielleitung ins Treffen geschickt, sei vor allem
Homma genannt, der Trad tion im besten Sinne
des Wortes bleibt. Das ist noch Ener, der
eigentlich nie spielt, sondern immer lebt, echt und
ungekünstelt, ein Mensch in jeder Maske und Ge¬
4
stalt. De Herren Schldkraut, Dietz und Ranzen¬
hofer seien gleichfalls summa cum laude
zitiert. Bei Fräulein Woiwode wollen wir uns
auf „cum laude“ beschränben. Uebrigens: die
37 Jahre glaubt hr keiner. Das Haus war natür¬
lich halb leer. Solange Arthur Schnitzler, der
bescheiden im Hintergrunde einer Loge allen
Hervorrufen der Stehparterre=Enthusiasten
trotzte, nicht nach zehn Uhr nachts ins Café
Exquisit übersiedelt, muß er sich an solche Er¬
gebnisse gewöhnen ..
—
(Dertsches Volkstheater.) Die drei Einakter Schnitz¬
slexs. die das Plaudertalent des Dichters in farben###
Abwechslung strahlen lassen, bereichern ein Theaterrepertoir
immer anregend, wenn sie ausschließlich den Wunsch ans¬
lösen, das am Ende weniger (reden) mehr wäre . . Von ihnen
ist „Der Puppenspieler“ der am wenigsten erquickliche, weil
er ein Problem stellt, das ein Erlebnis mit Worten dar¬
stellt. Dazu sind weder Herr Onno, noch Frl. Trebirsch
leichtblütig genug, Schnitzlerschen Dialog zu belelen. Herr
Nowotny ist immer sympathisch und anregend. Im „Grunenf
220
Winen Montags Jourasi, Wienr
Nr. 1983
15. März 1920
Kakadu“ brilliert diesmal der junge Schildkraut mit sei¬
nem feurigen Talent, das allerdings nach der rhelorischen
Seite noch der strammen Zucht bedarf. Frl. Woiwode is
eine blendend schöne Leokadie, Herr Iwald ein wirksamer
Rollin, Frl. Gebühr wächst zu einem sehr hübschen Talent
heraus. Das sprühende Stück wird farbensatt abgeführt. In
„Komtesse Mizzi“ dieser Prasselnden Satyre auf feudale Skru¬
pellosigkeit, spielt diesmal Frl. Woiwode die ledige Mutter
ganz ergötzlich, wenn auch nicht so zungenscharf wie ihre un¬
nittelbare Vorgängerin. Die Herren Homma und Iwaid
und Frl. Föry ergänzen das köstliche Ensemble des Jumor¬
vollen Einakters. Im Ganzen ein wirklich anregender Abend,
sentimentale Vergleiche mit „einstmals“
wenn er auch etwas
auslöst ..
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Theater, Kunit und Musik.
Neuinszenier Schnitlerscher Einakter. Am
Dfeutschen Volke##ater wurde „Der Puppen¬
shieler“ mit Ferkinand Onno als Merklin gegeben.
Roch immer [dtrotz Onnos feiner Analyse des
Charakters d Spiel mit Schicksal und Tod, in matten
Tönen gent##t, eine beschwerte Stimmung aus. Es folgte
die Grot#ske „Der grüne Kakadu“, die dafür kräf¬
tigste, Garben auflegt. Das Vorherrschen eines kritisch
wägenden Verstandes über den Affekt erzengt Schnitzlers
spezifische Technik des Versteckten, Geistreich=Paradoxen,
des Zwielicht, in dem er z. B. den schauspielernden Ver¬
brecher vom verbrecherischen Schauspieler nicht mehr
unterscheidbar macht. An Seite Onnos müssen
Homma, Ranzenhofer und
Schildkraut,
Teubler, sämtliche von eindringlichster Charakteristik,
gerühmt werden. Das Stück selbst ist mit seiner als
selbstverständlich lächelnd hingestellten moralischen Fäul¬
nis seither nicht wohlriechender geworden, tro#'der geisti¬
gen Essenzen, die darüber gegossen sind, ##l Härry Wal¬
den brachte auf der Renaissancebühne die „Ko¬
mödie der Worte“ selbst Träger der Hauptrollen,
am bedeutendsten in der „Großen Szene“ Wieder sind
viele Worte um Schnitzlers unerquickliches Problem des
Ehebruches gerankt; die Variationen wollen aber in ihrer
Eigenart, nicht im Verhältnis zum Thema genommen
grag.—
verdn
EOT
Schuitler=Abende. Eleich ein halbes Dutzend Einatter“
von Arthur Schnitzter ist an zwei aufeinanderfolgenden
Abenden neuinszeniert gespielt worden, im Volksthcater
drei der besten aus älterer Zeit und in der Renaissance¬
Bühne der aus dem Burgtheater übernommene Zyklus
„Komödic der Worte“. Nächst einzelnen Novellen hat Schnitzler
im Einakter sein bestes Gelingen zu verzeichnen, hier hat er
oft theatralische Spannung aus Angelegenheiten von gering¬
wertiger Substanz zu holen gewußt. Beeinträchtigt wird diese
Wirkung, im Gegensatz zu ähnlichen Werken französischer
Provenienz, leider durch eine gewisse Gedunsenheit der in¬
neren Form, kein Zeichen von völliger Gesundheit, doch kann
hierüber gute Darstellung einigermaßen hinweghelfen. Beide
Abende boten denn auch schauspielerisch Verdienstliches. Im
Volkstheater war es besonders erfreulich, wieder die große
Verwandlungsfähigkeit Hans Hommas zu sehen, der im
„Grünen Kakadu“ einem Strolch und in der „Komtesse Mizzi“
einem alten Grafen prächtigste Lebendigkeit verlieh. Des fer¬
neren hatten Lina Woiwode und Ferdinand Onno an
dem Erfolg wesentlichen Anteil, Fräulein Worwode als Kom¬
tesse Migzi und in dem (übrigens zu lärmend gespielten) Re¬
volutionsdrama mit warmblütiger Laune, Onno überschäu¬
mend vor vornehmer Zurückhaltung. Im „Puppenspieler“
strahlte Martha Trebitsch leider nicht die Sonnigkeit aus,
di das freundliche Haus des Oboespielers erfüllen soll. Wal¬
ther Dietz fiel in zwei Rollen als junger Kavalier angenehm
auf. In der Renaissance=Bühne stand Harry Walden in
allen drei Stücken im Mittelpunkt der Darstellung. Er spricht
####t manchmal etwas zu schleppend, manchmal gerät auch ein
dazustimmendes saloppes Gehen an die Grenze der Manier;
immerhin noch ohne dem feinen künstlerischen Reiz wesentlich
Abbruch zu tun: Er spielte in der „Stunde des Erkennens“
den zuwidern Gatten, der zehn Jahre gewartet hat, den Fehl¬
tritt seiner Frau zu strafen, mit nötigem Spießertum. Dem
unentwegt siegreichen Komödianten in der „Großen Szene“
gab er manches brillaute Detail, der Dichter im „Bacchusfest,
stat voll gewinnender Ironie. Im erstgenannten Stück war
Frieda Walden seine berlinerisch forsche Partnerin, im
zweiten Lola Kneidinger reizend schön und vornehm, im
17
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reuemm rech
dritten Nora Herbert sehr niedlich. Kleinigkeiten abge¬
rechnet (der Jüngling, der zum Hofschauspieler Rechenschaft
fordern kommt, war schmerzlich), erweckt die Aufführung die
günstigste-Meinung auch über den Svielleiten Peden. M. M. —
gene
Fec e Nlr. 1920
Wienes Mtg.
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Schnitzler im Volkstheater.
A. S. Wieder einmal entschloß man sich in
der Stadt der Lieder (ach, wie garstig llngen
ihre Melodien!), einen Schnitzler=Abend einzu¬
schmuggeln. Man wählte dre. Einakter, die sonst
in anderem Reigen aufgeführt zu werden pfleg¬
ten: den „Puppen, peler“, den „grünen Kakabu“
und die „Komtesse Mizzl“. Daß man in diesen
tiefschürfenden, nachdenklichen Lebensbildern,
die äußerlich keine Verb ndung auswesen, aber
innerlich doch solche Zusammenhänge in sich
—*
bergen, Bassermann und Monsi sah, schaffo für
das wackere Volkstheaterinventar wahrlich keine
lechten Aufgaben. Onno spielte den Georg und
den Henri — ##e Rollen der erwähnten großen
Berliner — und man merkte deutlich, daß er
sie gründlich durchgearbeitet, sich völlig in den
Gest des Dichters h.neinversetzt hat. Hoffentlich
war die in erster Reihe stimmliche Kopierung
Harry Waldens nur Zufall, nicht Absicht. Bis¬
wellen vermeinte man, wenn man die Augen
schloß, wirklich den Herrn Direktor der
Renaissancebüne dort oben gastierend zu hören,
der ja heute im eigenen Hem Schnitzlor wie
einst im Mai des Burgtheaters mimen soll. Von
den vielen braven Männlein und Weiblein, de
das Volkstheater unter Rosenchals verläßlicher
Spielleitung ins Treffen geschickt, sei vor allem
Homma genannt, der Trad tion im besten Sinne
des Wortes bleibt. Das ist noch Ener, der
eigentlich nie spielt, sondern immer lebt, echt und
ungekünstelt, ein Mensch in jeder Maske und Ge¬
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stalt. De Herren Schldkraut, Dietz und Ranzen¬
hofer seien gleichfalls summa cum laude
zitiert. Bei Fräulein Woiwode wollen wir uns
auf „cum laude“ beschränben. Uebrigens: die
37 Jahre glaubt hr keiner. Das Haus war natür¬
lich halb leer. Solange Arthur Schnitzler, der
bescheiden im Hintergrunde einer Loge allen
Hervorrufen der Stehparterre=Enthusiasten
trotzte, nicht nach zehn Uhr nachts ins Café
Exquisit übersiedelt, muß er sich an solche Er¬
gebnisse gewöhnen ..
—
(Dertsches Volkstheater.) Die drei Einakter Schnitz¬
slexs. die das Plaudertalent des Dichters in farben###
Abwechslung strahlen lassen, bereichern ein Theaterrepertoir
immer anregend, wenn sie ausschließlich den Wunsch ans¬
lösen, das am Ende weniger (reden) mehr wäre . . Von ihnen
ist „Der Puppenspieler“ der am wenigsten erquickliche, weil
er ein Problem stellt, das ein Erlebnis mit Worten dar¬
stellt. Dazu sind weder Herr Onno, noch Frl. Trebirsch
leichtblütig genug, Schnitzlerschen Dialog zu belelen. Herr
Nowotny ist immer sympathisch und anregend. Im „Grunenf
220
Winen Montags Jourasi, Wienr
Nr. 1983
15. März 1920
Kakadu“ brilliert diesmal der junge Schildkraut mit sei¬
nem feurigen Talent, das allerdings nach der rhelorischen
Seite noch der strammen Zucht bedarf. Frl. Woiwode is
eine blendend schöne Leokadie, Herr Iwald ein wirksamer
Rollin, Frl. Gebühr wächst zu einem sehr hübschen Talent
heraus. Das sprühende Stück wird farbensatt abgeführt. In
„Komtesse Mizzi“ dieser Prasselnden Satyre auf feudale Skru¬
pellosigkeit, spielt diesmal Frl. Woiwode die ledige Mutter
ganz ergötzlich, wenn auch nicht so zungenscharf wie ihre un¬
nittelbare Vorgängerin. Die Herren Homma und Iwaid
und Frl. Föry ergänzen das köstliche Ensemble des Jumor¬
vollen Einakters. Im Ganzen ein wirklich anregender Abend,
sentimentale Vergleiche mit „einstmals“
wenn er auch etwas
auslöst ..
box 34/9
Theater, Kunit und Musik.
Neuinszenier Schnitlerscher Einakter. Am
Dfeutschen Volke##ater wurde „Der Puppen¬
shieler“ mit Ferkinand Onno als Merklin gegeben.
Roch immer [dtrotz Onnos feiner Analyse des
Charakters d Spiel mit Schicksal und Tod, in matten
Tönen gent##t, eine beschwerte Stimmung aus. Es folgte
die Grot#ske „Der grüne Kakadu“, die dafür kräf¬
tigste, Garben auflegt. Das Vorherrschen eines kritisch
wägenden Verstandes über den Affekt erzengt Schnitzlers
spezifische Technik des Versteckten, Geistreich=Paradoxen,
des Zwielicht, in dem er z. B. den schauspielernden Ver¬
brecher vom verbrecherischen Schauspieler nicht mehr
unterscheidbar macht. An Seite Onnos müssen
Homma, Ranzenhofer und
Schildkraut,
Teubler, sämtliche von eindringlichster Charakteristik,
gerühmt werden. Das Stück selbst ist mit seiner als
selbstverständlich lächelnd hingestellten moralischen Fäul¬
nis seither nicht wohlriechender geworden, tro#'der geisti¬
gen Essenzen, die darüber gegossen sind, ##l Härry Wal¬
den brachte auf der Renaissancebühne die „Ko¬
mödie der Worte“ selbst Träger der Hauptrollen,
am bedeutendsten in der „Großen Szene“ Wieder sind
viele Worte um Schnitzlers unerquickliches Problem des
Ehebruches gerankt; die Variationen wollen aber in ihrer
Eigenart, nicht im Verhältnis zum Thema genommen
grag.—
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Schuitler=Abende. Eleich ein halbes Dutzend Einatter“
von Arthur Schnitzter ist an zwei aufeinanderfolgenden
Abenden neuinszeniert gespielt worden, im Volksthcater
drei der besten aus älterer Zeit und in der Renaissance¬
Bühne der aus dem Burgtheater übernommene Zyklus
„Komödic der Worte“. Nächst einzelnen Novellen hat Schnitzler
im Einakter sein bestes Gelingen zu verzeichnen, hier hat er
oft theatralische Spannung aus Angelegenheiten von gering¬
wertiger Substanz zu holen gewußt. Beeinträchtigt wird diese
Wirkung, im Gegensatz zu ähnlichen Werken französischer
Provenienz, leider durch eine gewisse Gedunsenheit der in¬
neren Form, kein Zeichen von völliger Gesundheit, doch kann
hierüber gute Darstellung einigermaßen hinweghelfen. Beide
Abende boten denn auch schauspielerisch Verdienstliches. Im
Volkstheater war es besonders erfreulich, wieder die große
Verwandlungsfähigkeit Hans Hommas zu sehen, der im
„Grünen Kakadu“ einem Strolch und in der „Komtesse Mizzi“
einem alten Grafen prächtigste Lebendigkeit verlieh. Des fer¬
neren hatten Lina Woiwode und Ferdinand Onno an
dem Erfolg wesentlichen Anteil, Fräulein Worwode als Kom¬
tesse Migzi und in dem (übrigens zu lärmend gespielten) Re¬
volutionsdrama mit warmblütiger Laune, Onno überschäu¬
mend vor vornehmer Zurückhaltung. Im „Puppenspieler“
strahlte Martha Trebitsch leider nicht die Sonnigkeit aus,
di das freundliche Haus des Oboespielers erfüllen soll. Wal¬
ther Dietz fiel in zwei Rollen als junger Kavalier angenehm
auf. In der Renaissance=Bühne stand Harry Walden in
allen drei Stücken im Mittelpunkt der Darstellung. Er spricht
####t manchmal etwas zu schleppend, manchmal gerät auch ein
dazustimmendes saloppes Gehen an die Grenze der Manier;
immerhin noch ohne dem feinen künstlerischen Reiz wesentlich
Abbruch zu tun: Er spielte in der „Stunde des Erkennens“
den zuwidern Gatten, der zehn Jahre gewartet hat, den Fehl¬
tritt seiner Frau zu strafen, mit nötigem Spießertum. Dem
unentwegt siegreichen Komödianten in der „Großen Szene“
gab er manches brillaute Detail, der Dichter im „Bacchusfest,
stat voll gewinnender Ironie. Im erstgenannten Stück war
Frieda Walden seine berlinerisch forsche Partnerin, im
zweiten Lola Kneidinger reizend schön und vornehm, im
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dritten Nora Herbert sehr niedlich. Kleinigkeiten abge¬
rechnet (der Jüngling, der zum Hofschauspieler Rechenschaft
fordern kommt, war schmerzlich), erweckt die Aufführung die
günstigste-Meinung auch über den Svielleiten Peden. M. M. —
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Fec e Nlr. 1920
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