III, Einakter 8, (Lebendige Stunden. Vier Einakter), Die letzten Masken (Der sterbende Journalist), Seite 79

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8. Die leizten Nasken
keitet der für die moderne Dichtung so regsam fördernde Verlag##rissen durch die Fülle von Geist und Satire, die der im abeligen
von S. Fischer in Berlin vor. Als Geburtstagsspende hat aber
Salon wie auf der Literatenkneipe gleich kundige Dichter sprühen
auch Julius Kapp sein Buch über „Artur Schnitzler“ (Leipzig,
läßt. Die „Literatur" bleibt hinter den graziösesten und geist¬
Lenienverlag 1912. 178 Seiten. Oktav) bezeichnet, das nicht bloß
reichsten ähnlichen französischen dramatischen Causerien nicht zurück.
durch den bibliographischen Anhung einen entschiedenen Fortschritt
So reich ist unsere Bühnenproduktion nicht, daß ein so reizendes
gegenüber den bereits vorliegenden Schriften über Schnitzler von
und unterhaltendes Werk, wie „Literatur“ zwölf Jahre vom Spiel¬
Hans Landsberg, Alexander Salkind, Leo Feigl bedeutet. Neben
plan ferne gehalten werden dürfte. Möchte mit der neuen Spiel¬
Kapps Buch verdient besonders das Schnitzler gewidmete neunte
zeit doch endlich unserem Schauspiel ein neuer Spielleiter kommen.
Heft der sich ganz trefflich entwickelnden Wiener Musikzeitschrift
dessen literarische Interessen stark genug sind, um den Spielplan
„Der Merker“ empfohlen zu werden. Hier sind einige der sonst
so zu gestalten, daß die Teilnahme des Publikums am Schauspiel
schwer zugänglichen Gedichte Schnitzlers abgedruckt, und neben dem
wach gehalten wird.
faksimilierten allerersten Entwurf zur „Liebelei“ zwei Szenen aus
So schwer für Fräulein Jauck ein annahernd gleichwertiger
dem „Schleier der Beatrice“ in früherer Fassung mitgeteilt.
Ersatz zu beschaffen sein wird, —
— ein Gastspiel um ihre Nachfolge
Schnitzlers Erinnerung an die Breslauer Uraufführung seines
hat nicht stattgefunden — so bleibt doch die entscheidende Lebens¬
Renaissance=Trauerspieles kann ja leider keine freundliche sein,
frage für unser Schauspiel, daß neben dem im heiteren movernen
aber wie wenig günstig die Sterne der Bologneser Schönen auch
Drama vollauf beschäftigten Herrn Bonno, der auch am
geleuchtet haben, so muß „Der Schleier der Beatrice“ doch auch
Schnitzlerabend wieder einwandsfrei seines Amtes waltete, ein
noch heute wie vor zwölf Jahren als das weitaus beste und be¬
Regisseur für das klassische und ernste moderne Drama hierher
deutendste Trauerspiel der ganzen neueren deutschen Literatur
käme. Ohne eine solche unerläßliche Erwerbung wird auch im
gerühmt werden. Und Schnitzler selber ist, wenn auch in den
nächsten Winter der Besuch sich ganz gewiß nicht heben. Fräulein
letzten Jahren ihm nicht mehr Erfolge, wie einstens mit „Liebelei“,
Jauck hat am Mittwoch nicht bloß von Anaiol (Herr Skoda).
dem „Grünen Kakadu“ und den „Lebendigen Stunden“ beschieden
sondern leider auch von Breslau sich verabschiedet. Seit Fräulein
waren, doch nach wie vor unter den lebendigen deutschen Dichtern
Jauck im Thaliatheater Benedix' Aschenbrödel verkörpert hat, konnte
derjenige, der nicht bloß auf die verdientesten großen Bühnen¬
über ihre Begabung kein Zweifel sein, und wenn sie auch kurze
erfolge zurückblicken darf, sondern von dem wir im Gegensatz zu
Zeit durch zu große Hast und Unruhe ihr Spiel schädigte, so hat
vielen anderen auch voll ungeminderten Vertrauens noch künftiger
sie sich alsbald auf den richtigen Weg gefunden; daß sie nicht immer
wertvoller Gaben für die Bühne uns versehen.
richtig beschäftigt wurde und manche ihrer Eigenart wenig zu¬
In diesem Glauben konnte die erneute Vorführung der zwei
sagende Rollen, wie jüngst erst Lessings Recha zu spielen hatte.
Einakter aus den „Lebendigen Stunden“ und der heiteren
war nicht ihre Schuld, wenn auch manchmal ihr Schaden. Ihre
Trennungsepisode aus der Szenenreihe des „Anatol“ nur bestärken,
Verkörperung von „Kaiser Karls Geisel“, als süßes Mädel in
und dies trotz der übel geratenen Aufführung der „Letzten
Schnitzlers Anatolzyklus, in dieser Spielzeit ihre Leistung in Otto
Maslen“. Vor zehn Jahren sind die beiden Hauptrollen des
Ernsts Tragikomödie, wird den Breslauer Schauspielbesuchern
sterbenden armen Journalisten und des um Aufrechthaltung
lange unvergessen bleiben, und an dankendem Beifall, Blumen¬
seines sinkenden Ruhmes kämpfenden Dichters von den Herrn
spenden und den auch nach Fallen des eisernen Vorhanges fort¬
Ziegel und Botz gespielt worden; in der „Literatur“ gab
gesetzten Hervorrufen ließ es das Publikum nicht fehlen. Nebenbei
Vilma Illing die jetzt auf Fräulein Kernic übergegangene Rolle
wäre aber zu bemerken, daß es doch eine starke Rücksichtslosigkeit
der in Dichtung und Sport dilettierenden Abenteurerin. Herr
gegen die abschiednehmenden Künstler, wie gegen das Publikum
Schmidt, der zu guterletzt — Nathan fragt in solchem Falle:
ist, wenn schon während des Beifalls des noch halbvollen Hauses
wo bleibt das Gute? — der treuen Einhelferin im Kasten noch
sich bereits der eiserne Vorhang herniedersenkt. Möge es unserem
ungebührliche Anstrengungen zumutete, selber aber durch starken
Schauspiele auch künftig nicht an Künstlern fehlen, deren Leistungen
Stimmaufwand die schöne Rolle mehr schädigte, als er sie aus¬
die Zuschauer zu nicht endenwollendem Beifalle hinreißen. Möchte
zuführen wußte, und Herr Marx, der ganz unnötiger Weise dem
es aber auch nicht wieder vorkommen, daß man im Besitze einer
Dichter Weihgast ausgesprochen jüdisches Gepräge gab, versagten
Hebbeldarstellerin wie Frau Santen mit einer Hebbelaufführung
beide vollständig. Dagegen war Herr Strobel im ersten Stücke
glücklich so lange wartet, bis am Ende der Spielzeit ein Zufall den
als eitler Schauspieler, in den beiden folgenden als Baron Klemens
Theaterschluß ohne eine einzige Hebbelaufführung herheiführt. Wer
und zurückhaltender Raisonneur Mar ausgezeichnet. Sein Abgang
unserer verdienstvollen Theaterleitung bessere Zeiten als die des
ist wirklich ein Verlust für unsere Bühne, das empfand man gerade
letzten Winters wünscht, der muß vor allem dem klassischen Schau¬
angesichts der Charakterisierungskunst, mit der er die drei ver¬
spiel einen neuen und wirklich geeigneten Spielleiter wünschen.
ilung, Bresier
schiedenartigen Gestalten in unmittelbarer Aufeinanderfolge glaub¬

haft vor unseren Augen hinstellte. Beeinträchtigt dagegen wurde
„„
die Glaubhaftigkeit des Dichterlings Gilbert durch Herrn Ilt'
übertreibung; der Bohémien muß trotz seines Gegensatzes zu des
Bräutigams aristokratischem Benehmen doch immer noch so er¬
scheinen, daß man begreift, wie Margarete mit ihrem Hang zum
Adel dennoch seine Geliebte gewesen ist und einen Augenblick daran
„Literatur.“
denken kann, es von neuem zu werden. Herr Iltz hat, seit er
per.“
unserem Künstlerkreise angehört, seine schöne Begabung aufs er¬
trtes fünfzigstem
freulichste in ernster künstlerischer Arbeit weiter entwickelt, so daß
vorletzten Abend'der dies¬
wir voll Zuversicht ihn in größere Aufgaben hineinwachsen sehen.
ier seiner Einakter im
Auch als Gilbert, wie im ersten Stücke als Arzt, hat er seinen
schaffenskräftige Wiener
verständnisvollen Eiser gezeigt, aber wir möchten doch gerade ihn
ovellenbande, der an dieser! mit künstlerischem Maße, nicht durch übertreibungen Beifall finden
ge selber, begrüßt wurde.
sehen. Indessen wenn die Geburtstagsfeier auch nicht gerade eine
nitzlers Prosaschriften be= Musteraufführung zeitigte, so wurden die Zuschauer doch hinge¬#