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1. Panphlets offprints
Dichtung.
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früh hat es sich auch die Sympathie des Auslandes und be¬
greiflicherweise zunächst der romanischen Nationen erobert.
Die „Heimat“ hat noch mancherlei Ahnlichkeit mit der
„Ehre". Vor allem der Umstand, daß ein Heimkehrender nicht
mehr in die einstige alte Umwelt paßt und daraus der Konflikt
erwächst, nähert beide Dramen außerordentlich. Und auch darin
gehören sie, vom Standpunkte der Entwicklung aus betrachtet,
zusammen, daß die „Heimat“ wie die „Ehre“ noch kein eigent¬
lich impressionistisches Drama ist. Gewiß: bei ihrer ersten
Aufführung wurden beide Dramen als unerhört naturalistisch
empfunden; heute aber erkennen wir sie doch der äußeren Form
nach noch als Übergangsstücke; und vor allem leiden sie noch
viel an Schaumschlägerei und Rhetorik.
Am meisten nähert sich Sudermann dann dem rein natura¬
listischen Drama des Milieus in „Sodoms Ende“ und in der
„Schmetterlingsschlacht". In beiden ist die Umwelt des ge¬
wöhnlichen früh=impressionistischen Dramas aufgesucht: die
Großstadt in ihren sittlich zersetzten, vielfach auch physisch ver¬
wüsteten Kreisen. In beiden, vornehmlich freilich in „Sodoms
Ende", besteht die Handlung eigentlich nur aus einer Zu¬
sammenreihung von Skizzen, die weit mehr als sonst bei
Sudermann ins Kleine ausgeführt sind. So könnte man fast
davon reden, daß der Dichter hier völlig im Impressionismus
untergegangen sei; es war zu der Zeit, da sich auch Wilden¬
bruch, Wilbrandt, Fulda u. a. impressionistischer Kunst be¬
sonders hingaben.
Da brachte das Jahr 1896 einen Umschwung. Suder¬
mann ging von jetzt ab, unter allem Festhalten an dem Im¬
pressionismus der äußeren Form, der z. B. gerade in seinem
jüngsten Werke, dem „Johannisfeuer“ stark hervortritt, doch
vor allem den Weg der Seelenmalerei, hob damit einzelne Ge¬
stalten hervor, versuchte, wenn auch mit psychologisch=impressio¬
nistischer Technik, immer mehr große und leidenschaftliche Per¬
sönlichkeiten zu schaffen und näherte sich auf diese Weise dem
Drama des starken, von irgend einer Schicksalsidee beherrschten
Konfliktes. Ja es schien gerade im Jahre 1896 einen Augen¬
Dichtung.
blick, als wollte er das fernste Ziel, die K
listischen, von einer bestimmten Weltanschaut
auf einmal erreichen. Damals erschienen
gemeinsan Titel „Morituri“ drei Einakte
Stück, „Teja“, in der gehaltvollen Prosa d
stils, ein Stück aus der Gegenwart, „Fritzch
Anwendung des Impressionismus, und ein
Ewig=Männliche“, in prächtig bunten, oft
Arbeiten also recht verschiedener äußerer Fo
trafen sich in derselben Idee. In allen dr
sich ums Sterbenmüssen, um das Fatum
gleichmäßig antritt und doch so ungleicha
besonderen Umständen der Lebensführung al
Charakter entnimmt. Aber hat nun der
irgendwie vertieft? Hat er einen augen
Zusammenhang zwischen den drei abwei
tödlichen Geschickes in den drei Stücken he
dem dreigeteilten Ganzen etwa gar eine v#
bindende höhere Auffassung, der Kern ei
entnehmen? Schwerlich. Es scheint ein
zu sein; es ist eine nur äußerliche Zusamn
Dagegen ist vom „Glück im Winkel
Jahre 1896 erschien, kein Zweifel meh
Sudermann wenigstens immer mehr der
zuwendet, und zwar in zunehmend stärk
gegenüber dem, was unsere dramatische
des Impressionismus leistete. Schon die
„Glücks im Winkel“ erbringen den Bew
Titelheld und die drei Personen der
„Johannes“. Freilich ist dabei die Spi
„Johannes“ noch unbeholfen; und oft si
seitiger Beziehungen der Handelnden in
hineingeklügelt, daß es überaus schwer, we
wird, allen Absichten des Dichters in d
folgen, die während des Verlaufes der
Bühne gegeben ist. Das Zusammendräng
e nneg
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1. Panphlets offprints
Dichtung.
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früh hat es sich auch die Sympathie des Auslandes und be¬
greiflicherweise zunächst der romanischen Nationen erobert.
Die „Heimat“ hat noch mancherlei Ahnlichkeit mit der
„Ehre". Vor allem der Umstand, daß ein Heimkehrender nicht
mehr in die einstige alte Umwelt paßt und daraus der Konflikt
erwächst, nähert beide Dramen außerordentlich. Und auch darin
gehören sie, vom Standpunkte der Entwicklung aus betrachtet,
zusammen, daß die „Heimat“ wie die „Ehre“ noch kein eigent¬
lich impressionistisches Drama ist. Gewiß: bei ihrer ersten
Aufführung wurden beide Dramen als unerhört naturalistisch
empfunden; heute aber erkennen wir sie doch der äußeren Form
nach noch als Übergangsstücke; und vor allem leiden sie noch
viel an Schaumschlägerei und Rhetorik.
Am meisten nähert sich Sudermann dann dem rein natura¬
listischen Drama des Milieus in „Sodoms Ende“ und in der
„Schmetterlingsschlacht". In beiden ist die Umwelt des ge¬
wöhnlichen früh=impressionistischen Dramas aufgesucht: die
Großstadt in ihren sittlich zersetzten, vielfach auch physisch ver¬
wüsteten Kreisen. In beiden, vornehmlich freilich in „Sodoms
Ende", besteht die Handlung eigentlich nur aus einer Zu¬
sammenreihung von Skizzen, die weit mehr als sonst bei
Sudermann ins Kleine ausgeführt sind. So könnte man fast
davon reden, daß der Dichter hier völlig im Impressionismus
untergegangen sei; es war zu der Zeit, da sich auch Wilden¬
bruch, Wilbrandt, Fulda u. a. impressionistischer Kunst be¬
sonders hingaben.
Da brachte das Jahr 1896 einen Umschwung. Suder¬
mann ging von jetzt ab, unter allem Festhalten an dem Im¬
pressionismus der äußeren Form, der z. B. gerade in seinem
jüngsten Werke, dem „Johannisfeuer“ stark hervortritt, doch
vor allem den Weg der Seelenmalerei, hob damit einzelne Ge¬
stalten hervor, versuchte, wenn auch mit psychologisch=impressio¬
nistischer Technik, immer mehr große und leidenschaftliche Per¬
sönlichkeiten zu schaffen und näherte sich auf diese Weise dem
Drama des starken, von irgend einer Schicksalsidee beherrschten
Konfliktes. Ja es schien gerade im Jahre 1896 einen Augen¬
Dichtung.
blick, als wollte er das fernste Ziel, die K
listischen, von einer bestimmten Weltanschaut
auf einmal erreichen. Damals erschienen
gemeinsan Titel „Morituri“ drei Einakte
Stück, „Teja“, in der gehaltvollen Prosa d
stils, ein Stück aus der Gegenwart, „Fritzch
Anwendung des Impressionismus, und ein
Ewig=Männliche“, in prächtig bunten, oft
Arbeiten also recht verschiedener äußerer Fo
trafen sich in derselben Idee. In allen dr
sich ums Sterbenmüssen, um das Fatum
gleichmäßig antritt und doch so ungleicha
besonderen Umständen der Lebensführung al
Charakter entnimmt. Aber hat nun der
irgendwie vertieft? Hat er einen augen
Zusammenhang zwischen den drei abwei
tödlichen Geschickes in den drei Stücken he
dem dreigeteilten Ganzen etwa gar eine v#
bindende höhere Auffassung, der Kern ei
entnehmen? Schwerlich. Es scheint ein
zu sein; es ist eine nur äußerliche Zusamn
Dagegen ist vom „Glück im Winkel
Jahre 1896 erschien, kein Zweifel meh
Sudermann wenigstens immer mehr der
zuwendet, und zwar in zunehmend stärk
gegenüber dem, was unsere dramatische
des Impressionismus leistete. Schon die
„Glücks im Winkel“ erbringen den Bew
Titelheld und die drei Personen der
„Johannes“. Freilich ist dabei die Spi
„Johannes“ noch unbeholfen; und oft si
seitiger Beziehungen der Handelnden in
hineingeklügelt, daß es überaus schwer, we
wird, allen Absichten des Dichters in d
folgen, die während des Verlaufes der
Bühne gegeben ist. Das Zusammendräng
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