VI, Allgemeine Besprechungen 1, 1-14, Lamprecht Deutsche Geschichte Ergänzungsband, Seite 63

1. Panphlets offprints
ung.
runde nur nach dem Maßstabe
werden.
ma wirklicher Vollendung eine
äußere der jeweils höchst er¬
kl=psychologischen Technik und
nach deren Wesen die Gestalten
Der Dichter erlebt zunächst
ten bis zu dem Grade, daß er
rf, soll seine Einbildungskraft
gehen; er vollzieht diese Ent¬
n in eine bestimmte Handlung
sal unterstellt, dessen Verlauf
und groß hält, d. h. von seiner
as Drama das Erste; sie giebt
harakter. Aber daneben steht
atische Kunst eine innere Form,
durchaus und in jeder Hinsicht
des einzelnen Dichters? Oder
llgemeinen geschichtlichen Wund¬
e Frage, die hier zunächst auf¬
er Beantwortung die Sicherheit
der man über Gegenwart und
kutschen Dramas urteilen km.
st auf der Hand, daß einzelne
tanschauung zweifelsohne indi¬
ichterpersönlichkeit sind — genan
eiten der äußeren Form immer
einzelnen schöpferischen Persön¬
darüber hinaus sind, wiederum
die allgemeinen Züge der Welt¬
Ergebnisse der generellen Kultur¬
weil die Weltanschauung eines
cht bloß dem Dichter vom Herzen
blikum zum Herzen gehen muß.
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Dichtung.
Und weil sie dies sind, darum ist eine große, allgemeine, Dichter
und Publikum zugleich umfassende, einheitliche, der ganzen Zeit
angehörige Weltanschauung die Voraussetzung eines großen
Dramas.
Ist nun diese Voraussetzung für die Gegenwart erfüllt?
Die Weltanschauungen der letzten drei bis vier Jahr¬
hunderte lassen sich in ihrem Verhältnis zum Drama am besten
in transcendente und immanente scheiden.
Die wirksamste aller transcendenten Weltanschauungen war
in dieser Zeit die christliche. Völlig und klar ausgeprägt aber hat
sie während dieser Periode eigentlich nur im katholischen Drama
bestanden. Dies verlegt in seiner reinsten Gestalt das Schicksal
noch in den Himmel, in die Liebe und Gnade eines über¬
weltlich, jenseitig, persönlich gefühlten Gottes. Und diese
Gnade ist es, die den schuldigen Helden, den Sünder schließlich
dennoch erlöst. Und alle Gestalten des Dramas sind gebunden in
diese Liebe, haben Seelen, deren gute Eigenschaften im Grunde
als Gnadengaben Gottes, deren schlechte als Werk des Teufels
erscheinen. Es ist das Drama Calderons, des christlichsten
aller großen Dramatiker der europäischen Völkergemeinschaft.
Auf evangelischem Boden dagegen, in der vollen Luft zu¬
gleich schon der philosophischen Regungen der Renaissance kommt
dies christlich=transcendente Schicksal eigentlich nur noch ab¬
geblaßt vor, durchsetzt von dem Gedanken der Gotteskindschaft
des Menschen, unterhöhlt von Vorstellungen einer religio
naturalis, die sich seit dem 16. Jahrhundert im Anschluß an
den Immanenz predigenden Stoicismus der spätrömischen Zeit
entwickelten: es ist die Atmosphäre, in deren allgemeinem Be¬
reiche Shakespeare atmet.
Und mit dem Emporsteigen eines neuen großen seelischen
Zeitalters um 1750, mit der Empfindsamkeit und ihrem
Freundschaftskult und der zunehmend stärkeren Vergesellschaftung
der Individuen setzte speziell in Deutschland immer fester
nun ein Trieb immanenter Weltanschauungen ein, und das
Schicksal erschien gegeben in Abhängigkeit von dem inneren
Charakter der Zeit und des Ortes, erschien gekettet an Zeit¬